Ratgeber

Die Null-Nummer der EZB Wer zahlt die Zeche?

Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht. Das zeigt die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die Entscheidung, den Leitzins in der Euro-Zone auf null zu senken, hat jedenfalls nicht nur positive Auswirkungen. Ein Überblick.

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(Foto: imago/Ralph Peters)

Weniger geht nicht. Um die Eurozone zu stabilisieren hat Notenbankchef Mario Draghi den Leitzins auf null gesenkt. Gleichzeitig gab er bekannt, dass Banken, die Guthaben bei der EZB parken, statt es für Kredite an Kunden zu verwenden, einen noch höheren Strafzins als bisher bezahlen müssen.

Ob Draghi der Wirtschaft damit einen Gefallen getan hat, bleibt abzuwarten – die Ökonomen sind gespalten. Ungewohnte Einigkeit herrscht hingegen bei den Bankern: von der kleinen Raiffeisenbank bis zur großen Geschäftsbank. Unisono klagen die Vertreter der Geldhäuser, die Niedrigzinspolitik werde sie in den Ruin treiben. Man könnte angesichts des lauten Wehklagens fast Mitleid bekommen. Nur eines passt nicht recht ins Bild: Obschon die Zinsen auch im vergangenen Jahr alles andere als üppig waren, entpuppte sich 2015 für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken als eines der besten Geschäftsjahre überhaupt. Wie passt das zusammen?

Banken: Klagen ohne Leiden

Betrachtet man die aktuelle Situation der Banken, bleibt zunächst festzuhalten: So üppig, wie in normalen Zinsjahren sind die Margen der Geldhäuser derzeit nicht. Die Institute verdienen letztlich an der Differenz zwischen jenen Zinsen, die sie den Kunden für Spareinlagen bezahlen und jenen, die sie als Kreditzinsen kassieren. Das war früher ein Bombengeschäft. Heute hingegen funktioniert das Modell nicht mehr ganz so reibungslos, weil die Zinsuntergrenze für Spargeld meist schon bei null oder nur noch minimal darüber liegt: 0,01 bis 0,1 Prozent Habenzinsen sind traurige Realität.

Hinzu kommt, dass Kunden, die einen Konsumentenkredit abschließen wollen, sich vorab im Internet schlau machen und nicht mehr jeden überteuerten Vertrag unterzeichnen. Die fetten Jahre für die Banken sind also erst einmal vorbei. Andererseits reicht es meist noch zu Milliardenüberschüssen Weil das so bleiben soll, werden die Institute erfinderisch – nicht selten zu Lasten der Verbraucher.

Bankkunden: An ihnen lässt sich auch in der Krise verdienen

Immer mehr Geldhäuser gehen inzwischen dazu über, bei Konsumentenkrediten bonitätsabhängige Zinsen zu erheben. So können sie unbemerkt von Mitbewerbern und Zinsvergleichen ihre Wunsch-Sätze realisieren. Die Kunden machen es ihnen leicht: Sieht die Schufa ohnehin schon unerfreulich aus, fragt kaum jemand anderswo nach, wenn die Hausbank den Kredit bewilligen würde – das gilt selbst dann, wenn sie dafür zwölf Prozent Zinsen aufruft. Hauptsache, man bekommt das Geld überhaupt.

Gut verdienen Banken auch dank neuer Kontovarianten mit Pauschalgebühren – gerne beworben als „Flatratmodelle“. Das klingt gut und verkauft sich noch besser. Vor allem aber ist am Ende des Tages die Bank im Vorteil – und die (Spar)-Kasse klingelt wieder.

Unser Tipp an Bankkunden: Wer sich gezielt um einen Kredit kümmert oder ein neues Girokonto sucht, kann einfach und schnell Geld sparen. Beim Angebotsvergleichen für Ratenkredite sollten Sie zum Beispiel mindestens drei Angebote einholen und darauf achten, dass die Bank bei der Schufa keine Anfrage für eine Kreditvergabe stellt, sondern nur für eine Konditionsanfrage. Der Unterschied: Mehrere Kreditanfragen werden so bewertet als hätten die bisherigen Banken die Anfrage abgelehnt. Bei einer Konditionsanfrage wird das nicht unterstellt, so dass sich das Bonitätsranking dadurch nicht verschlechtert.

Kleine Unternehmen: Die Hilfestellung, die keine ist

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Probleme dürften in der kommenden Zeit kleine Unternehmen und Selbstständige bekommen, die einen Kredit benötigen. Zwar wollte die EZB genau dieser Klientel mit der Zinsverbilligung helfen – doch die Praxis sieht anders aus.

Firmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern gehören selten zu den gesuchten Kreditkunden für den Banker. Entsprechend schlecht ist oft ihre Verhandlungsposition. Vielfach trauen sich diese Kunden nicht einmal, bei unterschiedlichen Kreditunternehmen nach einem Darlehen zu fragen oder sie haben keine Zeit, um all die gewünschten Bonitätsunterlagen erneut zu beschaffen.

Viele Kleinunternehmer fürchten zudem, die Hausbank könnte von der Kreditanfrage bei der Konkurrenz Wind bekommen und dem Unternehmen den Geldhahn zudrehen. Da bleibt man doch lieber gleich bei der Hausbank – vermutlich zu überteuerten Zinsbedingungen.

Bauherren: Jetzt braucht es viel Geduld

Bei der Baufinanzierung droht auf absehbare Zeit ein Zusagestau. Am 21.03.2016 tritt die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) in Kraft. Optisch werden dadurch die Effektivzinsen erst einmal höher. In unserem Effektivzinsrechner ist der Unterschied gut erkennbar. Grund: Das Regelwerk verpflichtet die Banken dazu, auch die Kosten für die Grundschuldbestellung und -eintragung in den Effektivzins einzuarbeiten. Faktisch ändert sich für Kunden dadurch aber nichts: Diese Kosten haben sie bislang auch schon aus eigener Tasche bestritten.

Gravierendere Folgen könnte es haben, dass die Banken dank WIKR wesentlich genauer prüfen müssen, ob ein Kunde auch in Zukunft und bei eventuell erkennbaren späteren negativen Entwicklung (zum Beispiel einer absehbaren Arbeitslosigkeit) seinen Kredit wird bedienen können. Zudem müssen die Geldhäuser ein Protokoll anfertigen und vermerken, dass sie das Kreditangebot basierend auf dem Kundenwunsch erstellt haben. Das Problem dabei ist nur, dass wohl die wenigsten Kunden mit einer klaren Meinung zu den Kreditbedingungen in die Bank kommen. Die neuen Regelungen lassen somit Raum für jede Menge Grauzonen. Und weil es auch keine Erfahrungswerte gibt, werden die Banken lieber übervorsichtig agieren.

Gewisse Verzögerungen bei der Bearbeitung ihres Antrags sollte Kreditkunden daher künftig einplanen. Auch steht zu erwarten, dass grenzwertige Anfragen schneller abgelehnt werden als bisher. Umso wichtiger ist es auch in Zukunft gut vorbereitet in die Gespräche zu gehen – und sich ein Bild über die aktuellen Zinskonditionen zu verschaffen.

Quelle: ntv.de

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