Wirtschaft

Verunsicherte Anleger Wer hat Angst vor der Zinswende?

Führt die US-Notenbank: Janet Yellen.

Führt die US-Notenbank: Janet Yellen.

(Foto: AP)

Die Zinsen sind auf dem Weg nach oben. Sollte der Aufwärtstrend anhalten, dürften der Konsum und der Aktienmarkt gleichermaßen unter die Räder kommen. Es kommt nun auf die Notenbanken an.

Der Oktober hat seinem Namen als Crash-Monat diesmal am Anleihenmarkt alle Ehre gemacht. Laut Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg hat der weltweite Anleihenmarkt, also Staats-, Unternehmens- und Hypothekenanleihen, im Oktober einen Kursrückgang um 2,9 Prozent verbucht. Das klingt nicht nach viel, ist aber der größte Rückgang seit Mai 2013. Da hatte der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke signalisiert, dass die Fed ihr Anleihenkaufprogramm zurückfahren werde. Der jüngste Kursrückgang am Anleihenmarkt, der bei Investoren für Milliardenverluste gesorgt hat, belastet nun auch den Aktienmarkt.

"In der vergangenen Woche ist der Börsenwert des weltweiten Aktienmarktes um umgerechnet 271 Milliarden Dollar zurückgegangen. Nachdem der Aktienmarkt jahrelang von den immer weiter sinkenden Zinsen enormen Rückenwind hatte, bedeuten steigende Zinsen nun deutlichen Gegenwind", erläutert Hartwig Knapp von PP Asset Management die Auswirkungen des Zinsanstiegs auf die Aktienmärkte. Umso wichtiger sei es gerade für Aktionäre, ob der Zinsanstieg weitergehen könne.

Helikoptergeld und neue Börsenregeln

Begonnen hatte der weltweite Zinsanstieg Mitte Juli, als bei Investoren die Erwartungen hochgekocht waren, dass Japan schon bald Helikoptergeld abwerfen würde. Helikoptergeld bedeutet, dass eine Regierung zusätzliche Schulden macht und die Anleihen nicht mehr am Markt platziert, sondern direkt bei der Notenbank. Mit dem zusätzlichen Geld soll die Wirtschaft angekurbelt und damit die Inflation angeheizt werden. Diese Sorge treibt die Zinsen nach oben.

Verstärkt wurde der Zinsanstieg durch die gesetzlichen Änderungen bei US-Geldmarktfonds, die am 14. Oktober in Kraft getreten sind. Demnach müssen die Geldmarktfonds Liquiditätspuffer aufbauen und "schwankende" Nettoinventarwerte angeben. Demnach können die Kurse künftig unter den Nettoinventarwert sinken, sprich die Anleger können auch Verluste mit den Papieren machen. Mit den Änderungen soll der Markt eigentlich krisenfester gemacht werden.

Die Folge dieser Änderung war allerdings, dass Bloomberg zufolge rund eine Billion Dollar aus den Geldmarktfonds abgezogen wurden. Die Folgen: Die Zinsen am US-Interbankenmarkt (Libor) sind kräftig geklettert und haben auch die Zinsen für Staatsanleihen mit nach oben gezogen. Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen, die im Juli ein Rekordtief von 1,35 Prozent markiert hatten, sind auf aktuell 1,86 Prozent geklettert. Der Zinsanstieg in den USA hat auch die Renditen in Europa mit nach oben gezogen, obwohl viele Investoren davon ausgehen, dass die EZB bei der Sitzung am 8. Dezember das bis März 2017 laufende Anleihenkaufprogramm verlängern dürfte.

Wenngleich die Fed am 14. Dezember die Zinsen anheben könnte, erscheinen weitere Erhöhungen im nächsten Jahr sehr unwahrscheinlich. Zuletzt hatten die Analysten der Deutschen Bank gewarnt, dass das Risiko für eine US-Rezession steige. Die Finanzprofis verwiesen auf den "Labor Market Conditions Index" (LMCI) der US-Notenbank. Er spiegelt die Lage am Arbeitsmarkt anhand von 19 Indikatoren wider, wie der Arbeitslosenquote, den Stundenlöhnen und der Zahl der befristeten Jobs. Der LMCI war im Juli in den negativen Bereich gedreht, er ist also unter das Vorjahresniveau gesunken. In den vergangenen 40 Jahren sei das lediglich acht Mal passiert. "In vier der Fälle folgte die Rezession alsbald", schrieb Joe LaVorgna, US-Chefvolkswirt bei der Deutschen Bank. "In drei anderen Fällen begann die Rezession bereits kurz bevor der LMCI in den negativen Bereich gedreht ist."

Yellen muss Investoren beruhigen

Der derzeitige Zinsanstieg scheint viel mehr eine selbsterfüllende Prophezeiung zu sein. Im Gegensatz zu früher reagieren Investoren auf Kursrückgänge mit dem Verkauf von Anleihen, woraufhin sich die Kursrückgänge ausweiten, die Zinsen also weiter steigen. Umso mehr muss Yellen bei der Sitzung am 14. Dezember klar machen, dass eine mögliche weitere Zinserhöhung sehr lange auf sich warten lassen wird. Zumal ein weiterer Zinsanstieg zur Folge hätte, dass der Dollar weiter zulegen dürfte. Das bedeutet zusätzlichen Gegenwind für die US-Wirtschaft, denn ausländische Produkte werden in den USA billiger, während US-Produkte im Ausland teurer werden.

Ein weiterer Zinsanstieg wäre eine erhebliche Belastung für den Aktienmarkt, zumal das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 mit 17 weit über dem langjährigen Durchschnitt liegt. Da ein weiterer Zinsanstieg in den USA auch die Renditen in der Euro-Zone mit nach oben ziehen dürfte, stünde auch dem Dax Gegenwind bevor. Immerhin hat er vom sinkenden Euro Rückenwind. Umso mehr gilt es, dass die Fed einen anhaltenden Aufwärtstrend bei den Renditen verhindert. Auch die Stimmung bei den Konsumenten könnte drehen, wenn sie durch den Zinsanstieg weniger in der Tasche haben. Aber wenn Yellen es schafft, die Investoren zu beruhigen, wird sich der jüngste Zinsanstieg einmal mehr als Sturm im Wasserglas herausstellen. In dem Umfeld könnte die Hausse beim S&P 500 spätestens ab Mitte Dezember weitergehen und der Dax schon bald die Jahreshochs ins Visier nehmen. Dann könnte es für Anleger noch einen schönen Jahresausklang geben.

Quelle: ntv.de

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