Ratgeber

Der Kunde ist König? So wehren sich gekündigte Bausparer

Eigentlich gilt: Verträge sind einzuhalten. Doch Bausparkassen wie BHW, LBS und Wüstenrot pfeifen auf teure Versprechen der Vergangenheit und wollen mit zum Teil gewagten Vertragsinterpretationen ihre Kunden loswerden. Ungeachtet von Anstand und Imageverlust: Was darf die Branche? Fachanwalt Klaus Hünlein gibt Antworten.

n-tv.de: Wann darf die Bausparkasse Verträge kündigen, die als Sparanlage genutzt werden?

Klaus Hünlein: Grundsätzlich berufen sich die Bausparkassen bei ihren jüngsten Kündigungen auf Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Demnach können Darlehensverträge mit gebundenen Sollzinsen erstmals nach Ablauf von zehn Jahren nach vollständigem Empfang des Darlehens durch den Darlehensnehmer, die Bausparkasse, gekündigt werden. Strittig ist, ob der genannte Paragraf überhaupt auf Bausparverträge anwendbar ist. Ist dies nicht der Fall und findet stattdessen Paragraf 488 Abs. 3 BGB Anwendung, ist eine Kündigung nach den Allgemeinen Bausparbedingungen in der Regel ausgeschlossen – auch bei vollständiger Besparung. Hierzu gibt es jedoch noch keine höchstrichterliche Entscheidung.

Und sollte Paragraf 489 tatsächlich anwendbar sein?

Dann ist die Frage, ab wann der vollständige Empfang gegeben ist. Unserer Meinung nach ist dies nur dann der Fall, wenn die Bausparsumme tatsächlich seit zehn Jahren erreicht ist beziehungsweise der Vertrag überspart ist. Wenn die Bausparkasse allerdings diesen "Zustand" mehrere Jahre geduldet hat, ist auch eine Kündigung bei voller Besparung des Vertrages nicht möglich. Der Kunde hat sich dann die Hinnahme der Konstellation durch die Bausparkasse "ersessen".

Nach Meinung der Bausparkassen, die durch ein Gerichtsurteil gestützt wird, ist dies aber auch dann der Fall, wenn der Vertrag 10 Jahre zuteilungsreif ist oder wenn die letzte Einzahlung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Allerdings liegt auch hierzu noch kein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vor.

Wann darf demnach keinesfalls gekündigt werden?

Grundsätzliches zu Bausparverträgen

Bei einem Bausparvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen, auf längerfristige Bindung angelegten Darlehensvertrag. Dem Bausparvertrag wohnt die Besonderheit inne, dass Bausparkasse und Bausparer ihre jeweilige Rolle als Darlehensgeber beziehungsweise Darlehensnehmer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens tauschen.

In Deutschland gibt es ca. 30 Millionen Verträge. Allein im vergangenen Jahr 2016 wurden 2,7 Millionen Kontrakte neu abgeschlossen. Rund 300.000 sogenannte Altverträge wurden bisher von den Bausparkassen gekündigt.

Wenn der Bausparvertrag unterhalb der Zuteilungsreife liegt, hat die Bausparkasse überhaupt keine Kündigungsmöglichkeit. Darüber hinaus sehen wir bei den aktuellen Kündigungswellen durch BHW, LBS und Wüstenrot, dass bei vielen Kündigungen die genannte Zehn-Jahres-Frist, was die Zuteilung oder auch die letzte Einzahlung betrifft, oftmals nicht gegeben ist. Aber wie gesagt, wir sind der Meinung, dass überhaupt nur gekündigt werden darf, wenn die Bausparsumme tatsächlich seit zehn Jahren erreicht ist.

Gibt es Ausnahmen?

Die Bausparkasse hat die Möglichkeit, aus "wichtigem Grund" zu kündigen, wenn sie beispielsweise in finanzielle Schieflage geraten ist. Dies muss aber explizit nachgewiesen werden und ist bei den aktuellen Kündigungen weder die Begründung noch der Fall.

Spielt es eine Rolle, dass die Verträge - wie im Falle der BHW – explizit auch als Sparanlagen verkauft wurden?

Nur dann, wenn der Vorwurf der Zweckentfremdung des Bausparvertrages als reine Sparanlage als alleiniger Kündigungsgrund genannt wird. Wenn die Kündigung auch mit dem Paragrafen 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB begründet wird, dreht sich alles darum, ob dieser anwendbar ist und wenn ja, ab wann der vollständige Empfang der Darlehenssumme gegeben ist.

Was halten Sie von dem Kniff, eine Erhöhung der Bausparsumme zu beantragen, um so einer Zuteilung beziehungsweise Vollbesparung zu entgehen?

Klaus Hünlein ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kapitalanlagerecht, Wertpapierrecht und Bankenaufsichtsrecht in Frankfurt am Main.

Klaus Hünlein ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kapitalanlagerecht, Wertpapierrecht und Bankenaufsichtsrecht in Frankfurt am Main.

Diese Frage ist umstritten und es fehlen auch hier entsprechende Gerichtsurteile. Aber es gibt immerhin einen Schlichtungsspruch eines Ombudsmannes (315/2013), der einer solchen Erhöhung der Bausparsumme zugestimmt hat und der so einer zuvor durch die Bausparkasse ausgesprochenen Kündigung widersprochen hat. Da die Inanspruchnahme des Ombudsmannes kostenlos ist, kann dies versucht werden.

Allerdings sollten Verbraucher beachten, dass Bausparkassen und Geldinstitute nur bis einer Höhe von 5000 Euro an solch einen Schlichtungsspruch gebunden sind. Bei Beträgen, die darüber hinaus gehen, haben auch sie die Möglichkeit, den Schiedsspruch abzulehnen.

Übernimmt eine Rechtsschutzversicherung die Anwalts- und Verfahrenskosten?

Ja, in den von uns vertretenen Fällen ausnahmslos.

Wer keine entsprechende Police hat – welche Kosten kommen auf Selbstzahler bei einer Bausparsumme von beispielsweise 50.000 Euro zu?

Hier liegt das finanzielle Risiko bei einer Niederlage vor Gericht bei etwa 8500 bis 9000 Euro - erstinstanzlich. Darin enthalten sind die Kosten für den eigenen Anwalt, den der Gegenseite sowie die Gerichtskosten. Kommt es vor dem Gerichtsverfahren zu einer Einigung, muss bei der genannten Bausparsumme mit Kosten in Höhe von circa 1800 Euro gerechnet werden.

Wann ist mit ersten Urteilen zu rechnen?

Es wird eine Reihe von Landgerichtsurteilen im Frühjahr und Sommer dieses Jahres geben. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist aber frühestens 2016 zu erwarten. Jetzt gekündigte Bausparer ohne Rechtsschutzversicherungen können sich aber an den dann getroffenen Landgerichtsurteilen orientieren, um so das finanzielle Risiko einer Klage abzuschätzen. Ungeachtet dessen sollten Kunden der Kündigung in jedem Falle widersprechen und bei negativem Bescheid weitere rechtliche Schritte wie Ombudsmann oder Anwalt in Erwägung ziehen.

Gibt es Fristen für den Widerspruch beziehungsweise eine Klage gegen die Kündigungen?

Nein, die gibt es kurioserweise nicht. Ratsam ist es aber, sich innerhalb der von den Bausparkassen verwendeten Kündigungsfrist von sechs Monaten zu Wehr zu setzen. Länger als ein Jahr sollte man keinesfalls warten.

Mit Klaus Hünlein sprach Axel Witte

Quelle: ntv.de

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