Wirtschaft

Sparern drohen Negativzinsen "Das ist ein Dammbruch"

Mit der Commerzbank kündigt das erste große Geldinstitut der Eurozone Strafzinsen für große Guthaben an. Andere werden nachziehen, sagt Bankenexperte Wolfgang Gerke. Und auch der normale Sparer sei davon schon längst betroffen. Mit n-tv.de spricht der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums über Zins-Hopping, eherne Marktgesetze und die magische Zahl Null.

n-tv.de: Die Commerzbank führt als erste deutsche Großbank negative Zinsen auf die Guthaben großer Unternehmenskunden ein. Was bedeutet dieser Schritt?

Wolfgang Gerke: Bei der Commerzbank ist es eine ganz besondere Situation. Die bisherigen Banken waren relativ klein. Die Commerzbank ist aber so ein wichtiger Marktteilnehmer, dass das ein ganz dominantes Signal ist. Dass die Bank sich ein Hintertürchen offengehalten hat, ändert daran auch nichts. Sie führt Strafzinsen nicht pauschal ein, sondern handelt das mit den einzelnen Kunden aus.

Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen sowie Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums.

Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen sowie Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums.

(Foto: Bayerisches Finanz Zentrum)

Was bezweckt die Commerzbank mit diesem Schritt?

Ich vermute, dass die Commerzbank die Kunden bewegen möchte, in für sie rentablere Anlageklassen zu wechseln.

Werden andere Banken nachziehen?

Der Schritt der Commerzbank ist ein Dammbruch. Andere werden nachziehen, auch wenn sie Negativzinsen so lange wie möglich vermeiden wollen. Sie versuchen beispielsweise, über höhere Gebühren einen Ausgleich zu finden, um die Ertragssituation zu verbessern.

Müssen bald auch Privatkunden Strafzinsen zahlen?

Die Privatkunden trifft es schon. Die magische Zahl Null wird überschätzt. Das gegenwärtige Zinsniveau ist so minimal, dass der Kunde trotz niedriger Inflationsrate längst einen negativen Realzins hat.

Was kann der Kunde dagegen tun?

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Er muss Zins-Hopping betreiben. Das klingt zwar lustig. Es ist aber wichtig, dass man seiner Bank nicht unter allen Umständen die Treue hält. Man sollte sich die Bank suchen, welche die besten Konditionen bietet. Es gibt im Markt einige Institute, die sehr wohl vernünftige Zinsen anbieten.

Nun argumentieren Branchenkenner, dass es negative Nominalzinsen für Otto-Normal-Anleger hierzulande nicht geben wird. Dafür sei der Wettbewerb in Deutschland zu groß. Stimmen Sie dem zu?

Nein. Die Konkurrenz in Deutschland ist zwar sehr groß, der Wettbewerb ist hart. Aber alle Institute müssen rechnen, und bei manchen ist das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag schlecht. Sie haben beispielsweise sehr hohe Aufwendungen für Filialen. Auch diese Banken versuchen, negative Zinsen zu vermeiden. Aber wenn sich der Markt in diese Richtung entwickelt, werden sie nachziehen.

Damit werden Anleger bestraft, die ihr Geld sicher anlegen wollen.

Das ist völlig richtig, aber nicht überraschend. Denn der niedrigste Zins ist immer der sicherste Zins. In dem Moment, in dem ich eine höhere Rendite bekomme, bekomme ich auch ein höheres Risiko mitgeliefert. Das ist ein ehernes Marktgesetz, und das kann keiner aushebeln.

Bleibt uns das niedrige Zinsniveau dauerhaft erhalten?

Bei der Politik, die die EZB betreibt, müssen wir uns auf längerfristig niedrige Zinsen einstellen. Eine Wende kann nur kommen, wenn das Zinsniveau in den USA ganz erheblich ansteigt. Das würde den Europäern Spielraum und auch die Notwendigkeit geben, vorsichtig nachzuziehen. Im Moment zögern aber auch die Amerikaner, die Zinsen nachhaltig höher zu schrauben.

Mit Wolfgang Gerke sprach Jan Gänger

Quelle: ntv.de

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