Wirtschaft

Kann das gutgehen? Billionenwahnsinn an der Börse

An den US-Börsen ging es in den vergangenen Wochen kräftig nach oben.

An den US-Börsen ging es in den vergangenen Wochen kräftig nach oben.

(Foto: REUTERS)

Der US-Aktienmarkt eilt von Rekord zu Rekord, während der Dax den Spitzenwert aus dem Frühjahr 2015 ins Visier nimmt. Dabei ignorieren Investoren, wie teuer viele Märkte geworden sind.

Die Party an den weltweiten Börsen läuft immer wilder: Seit dem Wahlsieg von Donald Trump am 8. November ist der Börsenwert des weltweiten Aktienmarkts um sechs Billionen Dollar gestiegen und nimmt nun mit 70,8 Billionen Dollar den Rekordwert ins Visier. "Investoren setzen weiter darauf, dass der neue US-Präsident die US-Wirtschaft und damit auch die Weltwirtschaft deutlich ankurbeln wird, obwohl Investoren weiterhin auf die Details seiner Wirtschaftspolitik warten", sagt Klaus Bauknecht, Chef-Volkswirt der IKB Deutsche Industriebank, gegenüber telebörse.de. Außerdem müssen konkretisierte Maßnahmen noch vom Kongress verabschiedet werden, ihre Umsetzung könnte daher noch dauern.

Und so nährt aktuell die Hausse sich selbst, weil keine andere Assetklasse mehr mit den stark gestiegenen Aktien mithalten kann. Am deutlichsten sind Finanzwerte mit knapp 25 Prozent seit der US-Wahl im November 2016 emporgeschnellt, da sie auf mehr Deregulierung hoffen dürfen.

Trotz des rasanten Kursanstiegs stellt Warren Buffet überraschend fest, dass der Aktienmarkt nicht in einer Blase steckt. "Wenn die Zinsen aber nach oben schießen sollten, dann wäre der Aktienmarkt (im Vergleich zu den Zinsen) teurer", sagt der Finanzprofi. Diese Aussage dürfte viele Investoren verwundert haben. Denn schaut man auf die Bewertungskennzahl, die Buffett selbst als die beste zur Bewertung des Aktienmarkts bezeichnet, kommt man auf eine ganz andere Idee.

Bei dieser Kennzahl wird der Börsenwert sämtlicher US-Unternehmen durch die jährliche Wirtschaftsleistung der USA dividiert. Aktuell liegt der Wert bei 122,5 Prozent - das ist eine der höchsten Bewertungen aller Zeiten. Lediglich Anfang 2000 (151,3 Prozent) und Anfang 2015 (129,7 Prozent) war der Aktienmarkt noch höher bewertet. Der langfristige Schnitt liegt hingegen bei lediglich 60 Prozent. Deshalb zeigen die aktuellen Zahlen, wie ambitioniert der US-Aktienmarkt bewertet ist.

S&P 500 ist viel höher bewertet als 2000 und 2007

Auch andere Kennzahlen spiegeln die hohe Bewertung des marktbreiten S&P 500 wider. So liegt das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) mit 2,0 in der Nähe des Rekordhochs. Der langfristige Schnitt liegt aber bei lediglich 0,8. Beim KUV wird der Börsenwert des S&P 500 durch die Umsätze der Unternehmen dividiert. Diese Kennzahl ergibt großen Sinn, denn während der Gewinn beispielsweise durch sehr niedrige Zinsen stark nach oben verzerrt wird, zeigen die Erlöse die tatsächliche Leistung der Firmen.

Blasenähnlich wird die Bewertung, wenn noch der Median, also der Mittelwert, hinzugezogen wird. Der Median ist genau die Mitte einer Verteilung. In diesem Fall, wenn alle Aktien im S&P 500 nach dem KUV sortiert werden, ist es das KUV der 250. Aktie. Und das liegt derzeit bei 2,5 - einem Rekordhoch, das sich weit über dem ehemaligen Spitzenwert von 1,8 aus dem Jahr 2007 und von 1,7 aus dem Jahr 2000 befindet. Der langfristige Schnitt beim KUV-Median liegt sogar unter 1,0.

Auf die Bewertung anhand des Median zu schauen, ist sinnvoll, weil das Ergebnis im Vergleich zur Bewertung des Index nicht durch Schwergewichte, wie Apple, Alphabet, Amazon und Facebook verzerrt wird. "Gemessen am Median gibt es derzeit die extremsten Bewertungen aller Zeiten. Sie liegen weit über den Niveaus die an den Höhepunkten des Marktes in den Jahren 2000 und 2007 erreicht worden waren", schreibt etwa John Hussman von der renommierten US-Investmentfirma Hussman Funds in seinem wöchentlichen Brief an die Investoren. Die hohen Bewertungen zeigen sich eindrucksvoll am Börsengang von Snap, der Mutter der populären Kommunikations-App Snapchat. Bei Börsengängen von Technologieunternehmen war nur Facebook 2012 höher bewertet als Snap, das zeitweise einen Börsenwert von horrenden 31,4 Milliarden Dollar aufwies – bei einem operativen Verlust von mehr als 500 Millionen Dollar im Jahr 2016.

Die hohe Bewertung hat aber auch andere Indizes erfasst, etwa den Dax, der deutlich teurer ist als früher. Zwar liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Dax mit 13,6 zwar weit unter dem des S&P 500 von inzwischen 18,0. Allerdings rangiert die Bewertung des Dax deutlich über dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre von 11,6.

Gleichzeitig ist das KGV des Index wegen der sehr niedrigen Bewertung der Autoaktien Daimler, BMW, Volkswagen und Continental laut einer Studie von Andreas Hürkamp, Aktienstratege bei der Commerzbank, stark nach unten verzerrt. Bereinigt um diese vier Unternehmen liegt das KGV des "Rest"-Dax laut Hürkamp mit 15,8 weit über dem Schnitt von 12,2. Die Zahlen zeigen, dass auch im "Rest"-Dax eine Menge Euphorie eingepreist ist. Um eine durchschnittliche Bewertung zu erreichen, müsste der deutsche Leitindex um 22 Prozent sinken.

Ein Ende mit Schrecken?

Von umso größerer Bedeutung ist die Entwicklung der Zinsen, insbesondere in den USA. Sollten beispielsweise die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen wegen der erwarteten Verschärfung der Geldpolitik durch Fed-Chefin Janet Yellen weiter steigen, könnten Investoren das als Signal für eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und damit der Inflation bewerten, weshalb die Hausse des S&P 500 kurzfristig weitergehen könnte. Auf mittlere Sicht belasten aber steigenden Zinsen die US-Wirtschaft erheblich und dürften damit allmählich Gegenwind für den US-Aktienmarkt bedeuten. Wann die Börsenparty ihren Höhepunkt erreicht und der Index anschließend nach unten drehen wird, kann zwar niemand sagen. Aber wenn es dazu kommt, wird die Korrektur beim S&P 500 und dann wohl auch an anderen Aktienmärkten heftig ausfallen.

Quelle: ntv.de

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