Wirtschaft

Von der Entwicklung überrascht Starker Euro nagt an Konzernumsätzen

Die Exporteinnahmen sind 
durch den starken Euro derzeit etwas unscharf zu kalkulieren..

Die Exporteinnahmen sind durch den starken Euro derzeit etwas unscharf zu kalkulieren..

(Foto: picture alliance / dpa)

Exporte außerhalb der Eurozone werden für deutsche Unternehmen zunehmend teuer. Vor allem die Verkaufserlöse in Schwellenländer sinken - und gefährden so Jahresziele. Linderung bieten Sicherungsgeschäfte oder Produktionsverlagerungen.

Euro / Rupie
Euro / Rupie 88,92

In der deutschen Industrie werden die Klagen über den den starken Euro lauter. Viele exportorientierte Konzerne bringt der rasante Kursanstieg der Gemeinschaftswährung ins Schwitzen. Sie müssen sich in den letzten Wochen dieses Jahres deutlich mehr strecken, um ihre Ziele noch zu erreichen. Und ein Ende der Kursrally ist nicht in Sicht. Einige Konzerne versuchen nun, sich mit Finanzgeschäften stärker dagegen abzusichern. Doch die Strategie ist nicht ohne Risiken. Denn Wetten auf die künftige Kursentwicklung können verloren gehen und garantieren auch keinen vollständigen Schutz gegen Währungsturbulenzen.

Bis Ende September hat der Euro zu den Währungen wichtiger Absatzmärkte wie Brasilien, Indien und der Türkei im Jahresvergleich zwischen 15 und 25 Prozent zugelegt. Zum japanischen Yen kletterte die Gemeinschaftswährung sogar um rund ein Drittel. Dagegen fiel der Anstieg zum Dollar mit gut fünf Prozent moderat aus.

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Euro / Yen 164,41

Die starke Heimatwährung schmälert bei den deutschen Konzernen die in Schlüsselmärkten erzielten Einnahmen - nach Umrechnung in Euro. In manchen Branchen wie etwa der Autoindustrie bekommt die ausländische Konkurrenz zudem Wettbewerbsvorteile, da sie dank der Schwäche ihrer jeweiligen Landeswährungen mehr Spielraum in der Preispolitik hat.

Von Entwicklung überrascht

Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) mussten im dritten Quartal mehr als die Hälfte der größten deutschen Konzerne Umsatzrückgänge vermelden. Insgesamt sanken die Erlöse der Dax-Unternehmen um 1,6 Prozent auf 289 Milliarden Euro. Ohne Währungseffekte wären die Umsätze laut EY nur bei halb soviel Industriekonzernen im Dax geschrumpft. "Der starke Anstieg des Euro kam für viele Unternehmen unerwartet - sie hatten eher mit dem Gegenteil gerechnet. Entsprechend haben sie keine oder kaum Vorkehrungen durch entsprechende Absicherungsgeschäfte getroffen", sagte EY-Experte Thomas Harms.

Für den Kursanstieg gibt es mehrere Gründe. So schürt der anhaltende US-Haushaltsstreit eine Dollar-Skepsis der Anleger. Zwar war im Oktober eine Staatspleite gerade noch verhindert worden, doch droht Anfang kommenden Jahres eine Neuauflage des Hickhacks. Im Sommer hatte der scheidende US-Notenbankchef Ben Bernanke zudem mit Signalen für eine Straffung der Geldpolitik heftige Währungsturbulenzen in Schwellenländern wie Brasilien und Indonesien ausgelöst. Da die Anleihezinsen in den USA und in Europa daraufhin stiegen, zogen Investoren viel Geld aus Asien und Lateinamerika ab. Und in Japan schwächt die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe im Zusammenspiel mit der Notenbank absichtlich den Yen. Der Exportnation sollen Vorteile im Welthandel verschafft werden.

Strecken für die Jahresziele

Einige deutsche Industriekonzerne mussten wegen der ungünstigen Wechselkurse bereits leichte Abstriche bei ihren Jahresprognosen machen. So erwartet der Münchener Industriegasekonzern Linde jetzt nur noch ein operatives Ergebnis von rund vier Milliarden Euro - bislang wurden mindestens vier Milliarden in Aussicht gestellt. Und auch die Mittelfristziele wackeln: Bleibt der Euro auf dem aktuellen Niveau könnte dies das operative Ergebnis bis 2016 mit rund 250 Millionen belasten. Bisher erwartet Linde in dem Jahr ein Ergebnis von mindestens fünf Milliarden Euro.

Auch beim weltgrößten Chemiekonzern BASF nagte der starke Euro an der Quartalsbilanz. "Das hat uns auch im Ergebnis belastet - Größenordnung so 150 bis 200 Millionen Euro", sagt Konzernchef Kurt Bock. Er erwartet keine Erleichterung im vierten Quartal - vor allem beim Yen und beim brasilianischen Real. Die Ludwigshafener exportieren in hohem Maße Pflanzenschutzprodukte nach Brasilien, einem der wichtigsten Märkte für die Landwirtschaftschemie.

Hinter der gestiegenen Vorsicht von Bayer-Chefs Marijn Dekkers stehen ebenfalls die Währungsturbulenzen. "Ein stärkerer Euro bedeutet für uns einen höheren Druck auf unsere Gewinne", sagte er. Dekkers sieht deshalb das Erreichen der Jahresziele als zunehmend ambitioniert an. Finanzchef Werner Baumann bezifferte die Größenordnung der Belastung für das Gesamtjahr auf 200 Millionen bis 250 Millionen Euro.

Verlagerung der Produktion als Option

Ins gleiche Horn bläst Europas führender Automobilhersteller Volkswagen: Konzernchef Martin Winterkorn mahnt, die Geschäftsziele für das laufende Jahr seien sehr ambitioniert. Bei den Wolfsburgern sank der Quartalsumsatz. Vor allem bei den Töchtern VW, Audi und Skoda schmolzen die Erlöse. Manche Analysten hatten sich daraufhin skeptisch geäußert, wie stark sich VW gegen Währungsschwankungen absichern kann und wie lange es noch dauert, bis die Eurostärke auch signifikant das Ergebnis belasten wird.

Für EY-Experte Harms bestätigt der Kursanstieg der Gemeinschaftswährung die deutsche Industrie in ihrer Strategie, vermehrt dort zu produzieren, wo die Nachfrage besonders stark wächst. Für viele Branchen sind das vor allem die Schwellenländer mit Asien als der wichtigsten Wachstumsregion. Experten sprechen hier von "natural hedging", da man sich mit der Produktion im Ausland abkoppelt von Währungsschwankungen.

Einige Konzerne setzen auch auf Finanzgeschäfte zur Absicherung. Beispiel Bayer: Laut Finanzchef Baumann sichert Deutschlands größter Arzneimittelhersteller bei Geschäften in fremder Währung das gesamte Risiko zwischen Geschäftsabschluss und Zahlung ab. Das sorge für eine gewisse Abfederung. Ein permanenter Schutz gegen negative Währungsentwicklungen sei dadurch allerdings nicht möglich.

Quelle: ntv.de, jwu/rts

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