Wirtschaft

"Keiner hat sich aus der Komfortzone bewegt" Aus für Baumarktkette Max Bahr besiegelt

Auch in den letzten 73 Märkten beginnt nun der Ausverkauf - 3600 Menschen bangen um ihren Job.

Auch in den letzten 73 Märkten beginnt nun der Ausverkauf - 3600 Menschen bangen um ihren Job.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Liste wächst: Nach Arcandor, Hertie, Neckermann und Schlecker verzeichnet die Handelsbranche eine weitere große Pleite. Auch in den letzten 73 Max-Bahr-Märkten beginnt nun der Ausverkauf. Die Filialen werden einzeln veräußert.

Für die insolvente Baumarkt-Kette Max Bahr hat sich auch die letzte Hoffnung auf eine Rettung zerschlagen: Die Hellweg-Gruppe ist mit der Übernahme der letzten 73 Max-Bahr-Häuser gescheitert, wie Insolvenzverwalter Jens-Sören Schröder mitteilte. Damit bleibt vom Praktiker-Konzern mit seiner Tochtergesellschaft Max Bahr und mehr als 15.000 Beschäftigten nichts übrig. Die Filialen sollten an ein Konsortium um den Konkurrenten Hellweg und den ehemaligen Max-Bahr-Chef Dirk Möhrle verkauft werden.

In den betroffenen Märkten sind rund 3600 Mitarbeiter beschäftigt, die nun um ihre Arbeitsplätze bangen müssen. Hellweg habe sich mit der Royal Bank of Scotland (RBS) nicht über die Mietverträge für 66 Standorte einig können, auf denen die Hand der britischen Bank liegt, begründete der Insolvenzverwalter das Scheitern.

Die Gläubiger des einstigen Aushängeschilds von Praktiker hatten Hellweg bis Freitag Zeit gegeben, sich mit der RBS zu einigen. "Die vom Gläubigerausschuss bereits genehmigte Übernahme kann nicht umgesetzt werden", sagte Schröder. Praktiker hatte im Juli Insolvenz angemeldet und Max Bahr mit in die Pleite gerissen.

Schlussverkauf in den verbliebenden Märkten

Nun beginnt laut Schröder auch in den 73 verbliebenen Märkten der Schlussverkauf. Er hatte sich Ende Oktober für die Offerte des Hellweg-Konsortiums entschieden. In rund 230 Praktiker- und Max-Bahr-Häusern läuft der Ausverkauf bereits. Einen Käufer haben die Insolvenzverwalter aber bisher nur für drei Märkte in Luxemburg mit 200 Mitarbeitern gefunden.

Der Insolvenzverwalter will die insgesamt 73 Baumärkte von Max Bahr nun einzeln verkaufen. Dazu lägen bereits konkrete Interessenbekundungen von namhaften Unternehmen aus der deutschen Baumarktbranche für zahlreiche Standorte vor, hieß es. Reuters nannte als Interessenten Konkurrenten wie OBI, Rewe/Toom oder Hagebau. Teilweise darf in die Gebäude nur ein Baumarkt einziehen.

"Nun schlägt wieder die Stunde von Globus", sagte ein anderer Insider. Der saarländische Handelskonzern war bei Insolvenzverwalter Schröder und der RBS abgeblitzt, da sein Angebot zu niedrig war. Am Vortag hatte Globus aber sein Interesse bekräftigt - an rund 60 Max-Bahr- und weiteren Praktiker-Standorten sowie der Firmenzentrale. Die Max-Bahr-Mitarbeiter müssen nun hoffen, dass sie bei einem neuen Betreiber der Märkte unterkommen können. Noch im Laufe des Freitags sollte die Belegschaft informiert werden.

"Jetzt ist Rohrbruch. Die letzte Hoffnung ist geplatzt", sagte Max-Bahr-Gesamtbetriebsratschef Ulrich Kruse zu Reuters. "Alle haben darauf gesetzt, dass RBS uns noch eine Chance gibt." Die Gewerkschaft Verdi ging mit der Bank hart ins Gericht. Bei RBS reagiere "ausschließlich wirtschaftlicher Egoismus, der Existenzen vernichtet", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Das Scheitern sei "ein unverantwortlicher Tiefschlag für die Beschäftigten".

Verhandlungen scheiterten an Bürgschaft

Die Verhandlungen mit Hellweg scheiterten jedoch nicht an der Höhe der Mieten. Vielmehr forderte die RBS eine Bürgschaft von Hellweg, die das Familienunternehmen leisten wollte. "Keiner hat sich aus der Komfortzone bewegt", sagte ein Insider. Die Bank habe das Konzept des potenziellen Käufers skeptisch gesehen und im Falle eines späteren Scheiterns Verluste befürchtet. Denn dann wären Banken und Warenkreditversicherer besser abgesichert gewesen als der Vermieter. Ein Konsortium um die Commerzbank war bereit gewesen, die Übernahme mit einem Kredit von 65 Millionen Euro zu finanzieren.

Die RBS war erst im vergangenen Jahr zum De-facto-Vermieter der Immobilien geworden. Denn die Familie Möhrle hatte beim Verkauf von Max Bahr an Praktiker 2007 nur den Geschäftsbetrieb an den Konkurrenten abgegeben. Die Immobilien waren damals aber für fast 800 Millionen Euro an den Finanzinvestor Moor Park gegangen. Dieser hatte sich dafür Kredite bei der Bank ABN Amro besorgt, die später in der RBS aufging. Seither hatten die Immobilien stark an Wert verloren, der Fonds von Moor Park ging 2012 Pleite. Globus habe die Immobilien zuletzt gerade noch mit 420 Millionen Euro bewertet, hieß es.

Die Gläubiger des Konzerns haben mindestens eine Anleihe über 250 Millionen Euro verloren. Für die Gläubiger der Holdinggesellschaft wird es zudem keine Zahlungen aus der Insolvenzmasse geben, weil daraus nur die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt werden können. Die Märkte mit den Warenbeständen sind aber nicht bei der Holding, sondern bei mehreren operativen Gesellschaften angesiedelt.

Praktiker war vor allem aufgrund einer missglückten Rabatt-Strategie, häufiger Führungswechsel und einer unklaren Standortpolitik schon seit Jahren in der Krise. Der lange Winter und das kalte Frühjahr versetzte dem angeschlagenen Konzern den Todesstoß. Die Baumarkt-Branche gilt in Deutschland ohnehin als überbesetzt und leidet unter scharfem Konkurrenzdruck.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ/dpa

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