Wirtschaft

107 Milliarden Miese sollen weg Athen startet Schuldenschnitt

(Foto: picture alliance / dpa)

Griechenlands Gläubiger sind am Zug. Die Regierung legt ihnen das offizielle Umtauschangebot vor, mit dem sich Geldgeber an der Entschuldung des Landes beteiligen können. Zwei Wochen haben Investoren nun Zeit für ihre Entscheidung, dann wird sich zeigen, wie viel die hart errungene Freiwilligkeit wert ist. Scheitert die sanfte Tour, soll der Zwangstausch her.

Die griechische Regierung hat Banken und anderen privaten Geldgebern wie Versicherungen und Hedge Fonds das offizielle Angebot zum Schuldenschnitt unterbreitet. Das entsprechende zehnseitige Dokument wurde vom Ministerrat gebilligt und am Abend auf einer Internetseite des Athener Finanzministeriums in englischer Sprache veröffentlicht.

Das Programm läuft bis 2042. Die neuen Anleihen sollen bis 2015 einen Zinssatz von 2 Prozent haben. Danach soll der Zinssatz stufenweise steigen - bis 2020 auf 3,0 Prozent, 2021 3,65 und danach 4,3 Prozent. Verzicht und veränderte Konditionen summieren sich nach Berechnungen von Experten auf einen Verlust von mehr als 70 Prozent des Nominalwerts der Anleihen. Das Angebot sieht vor, dass die privaten Gläubiger auch zum Forderungsverzicht gezwungen werden könnten, falls die Beteiligung am freiwilligen Schuldenschnitt zu niedrig ausfallen sollte.

Zweiter Schuldenschnitt ausgeschlossen

Der Schuldenschnitt soll die griechische Schuldenlast um 107 Mrd. Euro verringern. Das entspricht rund der Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Insgesamt sollen private Gläubiger auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen gegenüber Athen verzichten. Die neuen Anleihen sollen einen Zinsbonus erhalten, sollte die griechische Wirtschaft in den nächsten Jahren wachsen. Die Höhe wird von der Wachstumsrate abhängig sein. Für die neuen Anleihen wird englisches Recht gelten. Damit soll Griechenland die Möglichkeit genommen werden, einen erneuten Schuldenschnitt zu fordern.

Es gilt als wahrscheinlich, dass die Ratingagenturen Griechenland nach Durchführung des Schuldenerlass vorrübergehend für pleite erklären - obwohl die Maßnahme zusammen mit dem zweiten Rettungspaket der internationalen Geldgeber das Land ja gerade vor dem Bankrott retten soll. Allerdings wäre die Herabstufung der Ratingagenturen technisch bedingt: Ein Schuldenschnitt bedeutet eben auch, dass ein Land seine Schulden nicht bedienen kann und damit de facto insolvent ist. Gefährlich wäre ein Staatsbankrott allerdings erst dann, wenn Athen keine weitere Unterstützung erhält und tatsächlich seine laufenden Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, also zum Beispiel auch keine Renten oder Gehälter im öffentlichen Dienst.

Bankenverband rechnet mit Erfolg

Der Internationale Bankenverband IIF rechnet mit einer hohen Beteiligung der privaten Investoren an dem freiwilligen Forderungsverzicht zugunsten Griechenlands. Allerdings wollte sich Geschäftsführer Charles Dallara am Rande der G20-Finanzministerkonferenz in Mexico City nicht auf eine konkrete Quote festlegen. "Ich könnte eine Zahl nennen, möchte das aber nicht", sagte er.

Jetzt sei es erst einmal an der Zeit für jeden einzelnen Investor, das Tauschangebot zu prüfen und nach seinen individuellen Maßstäben zu entscheiden, ob er es annimmt, sagte Dallara. "Es ist ein absoluter Schlüsselfaktor, dass die griechische Regierung eine sehr hohe Beteiligung mobilisiert", ergänzte er.

Stichtag 9. März

Dem Fahrplan des Finanzministeriums nach soll nun bis zum 9. März gezählt werden, welche Banken und Halter von Anleihen sich im sogenannten Buch der Willigen für den Schuldenschnitt eintragen werden. Sollten die angepeilten 107 Mrd. Euro nicht erreicht werden, dann soll der Schuldenschnittzwang in Kraft treten. Dazu hat das griechische Parlament jüngst seine Anleihen nachträglich mit so genannten Umschuldungsklauseln versehen, den "Collective Action Clauses", kurz CAC. Die Regierung in Athen konnte dies nachträglich per Gesetz ändern, weil die meisten Anleihen Griechenlands nach heimischem Recht begeben wurden und das Parlament mit einem neuen Gesetz geltende Regeln ändern kann.

Mit den CAC kann ein Schuldenschnitt für alle Gläubiger erzwungen werden, wenn mindestens 50 Prozent aller Gläubiger auf das Angebot Griechenlands reagiert haben und sich davon wiederum mindestens zwei Drittel für den Zwangsschnitt aussprechen.

Das Griechenland sich mit den Klauseln den Weg zu einer Zwangsumschuldung offenhält, sieht Dallara bislang noch gelassen. Eine Aktivierung wäre jedoch Anlass zur Sorge, warnte Dallara. Mit dem freiwilligen Forderungsverzicht wird laut Dallara eine "große dunkle Wolke von der griechischen Wirtschaft" genommen. Der Tausch gebe dem Land die Chance, zurück auf den Wachstumspfad zu finden und Vertrauen zurückzugewinnen.

Draghi glaubt an Zustimmung

EZB-Chef Mario Draghi zeigte sich zuversichtlich, dass Griechenland den Schuldenschnitt nicht erzwingen muss. Er erwarte eine freiwillige Zustimmung, sagte Draghi der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die rückwirkenden Umschuldungsklauseln würden nur "unter Umständen" als Druckmittel gebraucht, um eine ausreichende Beteiligung der Gläubiger zu erreichen. "Es ist schwer zu sagen, ob die Krise vorbei ist", warnte Draghi mit Blick auf die verhaltene Reaktion der Finanzmärkte auf die Beschlüsse zum neuen Rettungspaket.

Die meisten europäischen Banken und Versicherer haben ihre Bestände an griechischen Anleihen bereits entsprechend der Vereinbarung abgeschrieben. Die Allianz reduzierte den Wert der Papiere in den Büchern zuletzt um 573 Mio. Euro, die französischen Credit Agricole um über 220 Mio. Euro. Bei der Bad Bank der Hypo Real Estate dürfte sich der Schuldenschnitt sogar in Abschreibungen von mehr als sechs Mrd. Euro niederschlagen.

Quelle: ntv.de, nne/dpa/rts

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