Marktberichte

Inside Wall Street Washington kuscht

Während die Zahl der Millionäre in den USA weiter steigt, müssen sich immer mehr Amerikaner Sorgen um ihre Altersversorgung machen. Die US-Regierung unternehme viel zu wenig, kritisiert Lars Halter.

Die Arbeitslosenquote in den USA liegt bei fast zehn Prozent.

Die Arbeitslosenquote in den USA liegt bei fast zehn Prozent.

(Foto: REUTERS)

In den USA geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auf. Zwei aktuelle Nachrichten illustrieren das sehr gut: So ist die Zahl der Millionäre in Amerika im vergangenen Jahr erneut um 16 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil der Amerikaner, die für ihren Ruhestand weniger als 10.000 Dollar gespart haben, von 39 auf 43 Prozent gestiegen.

Die Reichen werden immer reicher, dem Rest bleibt immer weniger. Das ist keine neue Geschichte, aber in dieser Woche ist sie dank der unabhängigen Statistiken zweier renommierter Organisationen wieder einmal brandaktuell.

Die Spectrem Group, eine Unternehmensberatung in Chicago, gibt die Zahl der Millionäre in den USA zur Zeit mit 7,8 Millionen an. Dabei ist die Definition eines "Millionärs" recht eng, denn der Hauptwohnsitz mit Villa, Grundstück und allem Zubehör (Pool? Tennisplatz?) zählt nicht mit. Immerhin 980.000 Amerikaner fallen den Daten zufolge in die Kategorie der "Superreichen", also ihn die Gruppe derer mit einem Gesamtvermögen von mehr als 5 Millionen Dollar, wobei ebenfalls der Hauptwohnsitz nicht einbezogen ist.

"Die Reichen und Superreichen sind wieder im Kommen", freut sich Spectrem-Chef George H. Walper, dem indes ein Detail ins Auge gefallen ist: Parallel zur Zahl der Millionäre sind Produktivität und Arbeitslosigkeit gestiegen. Kein Wunder: Wenn die Produktivität steigt, dann meist aufgrund von Entlassungen. Der Arbeiter geht, der Chef spart, verbessert die Margen – und seinen Kontostand.

Die Arbeitslosigkeit in den USA ist unterdessen Besorgnis erregend hoch, auch wenn die Zahlen in den letzten Wochen nicht mehr schockiert haben mögen. Wer arbeitslos ist, gräbt neben staatlicher Hilfe die Ersparnisse an, und das beweist die aktuelle "Retirement Confidence Survey", eine Umfrage zum Rentenoptimismus der Amerikaner. Der liegt zur Zeit bei 16 Prozent, das heißt: Gerade nicht einmal jeder sechste Amerikaner glaubt, in seinem Arbeitsleben genug sparen zu können, um hernach einen komfortablen Ruhestand zu genießen.

Diese Einschätzung zeugt von einigem Realismus. Denn während 43 Prozent der Amerikaner weniger als 10.000 Dollar zurückgelegt haben, liegen die Ersparnisse bei immerhin 27 Prozent der Bevölkerung unter 1000 Dollar.

Die finanziell angespannte Lage macht sich in der Lebensplanung bemerkbar. 24 Prozent der Amerikaner haben ihren geplanten Ruhestand zunächst einmal verschoben. Viele richten sich darauf ein, nach dem Berufsleben zumindest mit einem Nebenjob weiter aktiv zu bleiben, um nicht im Alter noch Haus und Hof zu verlieren. Neu ist auch das nicht. Wer je bei der größten Einzelhandelskette der Welt eingekauft hat, kennt die legendären "Wal-Mart-Greeter", rüstige Senioren, die am Eingang die Kundschaft begrüßen und Informationen zu Schnäppchen und Einkaufswagen parat halten.

Angesichts der immer weiter auseinander klaffenden Schere zwischen arm und reich, ist umso erschreckender, dass Washington nichts gegen den Trend unternimmt. Zwei demokratische Senatoren, Jim Webb aus Virginia und Barbara Boxer aus Kalifornien, haben erneut eine Gesetzesvorlage eingereicht, nach der einige Top-Verdiener im laufenden Jahr stärker besteuert werden sollten. Insider sehen keine Chance, dass das Vorhaben durchgeht. Dabei wäre es nur fair: Die Senatoren denken an eine Steuer von 50 Prozent auf Boni für alle Top-Manager der Großbanken, die im letzten Jahr nur mit Hilfe steuerlicher Mittel überleben konnten. "Nachdem der Steuerzahler den Banken geholfen hat, sollte er auch am Bonus beteiligt werden", meint Jim Webb – seine republikanischen Kollegen und zahlreiche Demokraten mit Verbindungen zur Banken-Lobby sehen das anders.

Doch ohne Initiativen aus Washington wird sich der Trend nicht ändern. Die Dauerfloskel der Politiker, wonach der Markt alleine für ein Gleichgewicht sorgen werde, ist ein Hohn – die aktuellen Statistiken beweisen es.

Quelle: ntv.de

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