Wirtschaft

Schnipp, schnapp! EZB kommt um Haircut kaum herum

(Foto: REUTERS)

Griechenland kann noch so sehr sparen. Es wird nicht reichen, um das Land vor der Pleite zu retten. Der Schuldenschnitt muss her. Aber selbst der ist nicht genug. Vor allem, wenn sich nur die privaten Gläubiger beteiligen. Es wäre keine schlechte Idee, wenn die EZB als größter Einzelgläubiger mit an Bord wäre. Noch ziert sie sich.

Eine Schnecke kommt schneller voran als die Verhandlungen um die Rettung Griechenlands. Die griechischen Politiker drehen und winden sich angesichts der harten Sparauflagen, die ihnen von den internationalen Geldgebern verordnet werden. Und die Troika aus IWF- und EU-Vertretern ist besorgt über die Athener Kapriolen. Mit bloßen Absichtsbekundungen gibt man sich nicht zufrieden: ohne Sparmaßnahmen kein Geld.

Mario Draghi: Ein Mann, ein Wort?

Mario Draghi: Ein Mann, ein Wort?

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Aber mit Sparen allein ist es nicht getan. Europa muss dringend weitere Register ziehen. Wichtig ist die Umsetzung des erwarteten Schuldenschnitts. Von dieser Baustelle hört man derzeit wenig. Doch hinter den Kulissen scheint sich etwas zu bewegen. Darauf hat Griechenland derzeit nur bedingt Einfluss. Laut EU-Währungskommissar Olli Rehn ist die Vereinbarung zum Start des Anleihetauschs, mit dem die privaten Gläubiger auf 100 Mrd. Euro Forderungen verzichten sollen, praktisch fertig. Aber schon jetzt ist klar, auch das wird nicht reichen, um die Finanzierungslücke der kommenden Jahre zu schließen. Um Griechenland wirklich zu retten, wird in Zukunft noch mehr Geld fließen müssen.

So geht das Grübeln und Werkeln weiter. Jede Menge Fragen sind offen. Wie es scheint, nicht nur für Außenstehende: Wie viele Gläubiger sind mit im Boot? Was ist mit denen, die nicht mitziehen? Bleiben die institutionellen Gläubiger - wie die EZB - wirklich außen vor? Jüngsten Gerüchten über eine Beteiligung der Notenbank am Schuldenschnitt trat EZB-Chef Mario Draghi energisch entgegen. Das ganze Gerede entbehre "jeder Grundlage". Aber wird es dabei bleiben?

Wie hart ist die EZB?

Bisher ist die Teilnahme am Schuldenschnitt freiwillig. Dabei sind nach derzeitigem Stand nur private Institute. Angesichts der Größe des Schuldenlochs stellt sich aber die Frage, ob ausgerechnet die Institutionellen sich dem Ruf nach einer Beteiligung am Schuldenschnitt entziehen können. Die EZB ist einer der größten Gläubiger Athens, weil sie seit Mai 2010 auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen angeschlagener Eurostaaten wie Griechenland kauft. Experten schätzen, dass sie mittlerweile griechische Anleihen mit einem Nominalwert von geschätzten 50 Mrd. Euro vom Markt abgesaugt hat. Zu einem sehr günstigen Preis. Bezahlt haben dürfte sie für die Anleihen nur etwa 39 Mrd. Euro.

Auch wenn die Anleihen am Sekundärmarkt gekauft wurden und nicht direkt von Griechenland, bewegt sich die Zentralbank mit ihren Ankäufen auf dünnem Eis. Die EZB-Verträge untersagen eine direkte Finanzierung der Staatshaushalte durch die Notenbank. Der Aufkauf am Sekundärmarkt ist und bleibt im Grunde nichts anderes als eine verkappte Staatsfinanzierung - und zwar gigantischen Ausmaßes. Lieber heute als morgen würde die Notenbank sich gern aus diesem Geschäft zurückziehen. Es ist also nicht auszuschließen, dass Draghi sich doch noch erweichen lässt. Das signalisieren auch die jüngsten Gerüchte aus Verhandlungskreisen.

Kommt Zeit, kommt Rat, gilt nur bedingt.

Kommt Zeit, kommt Rat, gilt nur bedingt.

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Volkswirte halten es schon seit längerem für denkbar, dass die EZB ihre griechischen Anleihen ohne Gewinn oder Verlust an den EFSF überträgt. Der Fonds - also letztlich die Regierungen der Euro-Staaten - könnte dann die Anleihen an Athen zu einem niedrigeren Preis weitergeben. Noch verwirft Draghi diese Idee als "Trick", den er sich nicht erlauben dürfe. Aber Fakt ist, die EZB würde so nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoßen. Der Schuldenerlass in Form der Differenz zwischen Nennwert und Rückkaufkurs würde erst zwischen dem Fonds und Griechenland vollzogen.

Eine durchaus geschickte Lösung, meint auch der Bankexperte Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management. Die EZB würde sich an diesem Schuldenschnitt beteiligen, nicht dadurch, dass sie offiziell auf Geld verzichtet, sondern dadurch, dass sie Anleihen weiterverkauft. "Es hat den Charme, dass die Schulden Griechenlands reduziert werden, ohne dass offiziell ein Schuldenschnitt erfolgt."

Dass es zu einem Deal in dieser Form kommen wird, wird entgegen allen Beteuerungen des EZB-Chefs allein mangels anderer großer Ideen weiter im Raum stehen. Die Beteiligten selbst schüren entsprechende Gerüchte. So bestätigte EFSF-Chef Christophe Frankel jüngst, der Rettungsfonds werde "wahrscheinlich eine bedeutende Rolle" beim geplanten Schuldenschnitt für Griechenland spielen. Möglicherweise wird die EZB am Ende sogar auch noch Verzicht üben müssen und ihre Anleihen doch unter dem Einkaufspreis an den Rettungsfonds verkaufen müssen. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

Alle verlieren, nur einer gewinnt?

Das Szenario, dass die EZB Griechenland-Anleihen bis zum Ende ihrer Laufzeit behält und die volle Rückzahlung erhält, ist weder realistisch, noch ist sie mit marktwirtschaftlichen Prinzipien vereinbar. "Es kann nicht sein, dass die EZB hohe Rückzahlungsgewinne erzielt und alle anderen müssen auf Forderungen verzichten", sagt der Bankenexperte Faust.

Die Eurobank in Athen mit einem Plakat: "Die Eurobank steigert den Wert von jedem Konto".

Die Eurobank in Athen mit einem Plakat: "Die Eurobank steigert den Wert von jedem Konto".

(Foto: REUTERS)

Im Grunde genommen könnte sich aus einem Verkauf der Anleihen über den Rettungsfonds an Griechenland eine Win-Win-Situation für EZB und Griechenland ergeben. Für Griechenland hätte der Deal den Vorteil, dass diese Transaktion am Markt vorbei geschieht und damit die Kurse nicht bewegt. Außerdem kann Athen den Kaufpreis mit dem Rettungsschirm "verrechnen". Und für die EZB bietet er eine elegante Lösung, um aus dieser Diskussion herauszukommen.

Wichtig sei, die Risiken endlich dorthin zu verlagern, wo sie eigentlich liegen sollten, beim Rettungsfonds und nicht bei der EZB, sagt Faust. Der einzige Grund, warum das bisher nicht geschehen ist, sei, dass er bisher nicht dafür ausgelegt war.

Entwarnung für den Steuerzahler

Für die EZB würde der Deal zwar auch eine gewisse Belastung darstellen, aber dramatisch wären die Einbußen für die Notenbank nicht. In diesem Fall könnte es dazu kommen, dass der Gewinn der EZB geringer ausfällt und damit auch weniger Geld an die nationalen Notenbanken und Finanzminister ausgeschüttet wird, sagt Faust. Sorgen muss man sich deshalb nicht machen. Die EZB verdient gut an der Krise und pleitegehen kann sie nicht, die Notenbanken müssen immer frisches Geld nachschießen.

Den privaten Gläubigern kann es im Grunde egal sein, ob die EZB sich an einem Schuldenschnitt beteiligt oder nicht. Sie werden von einer entsprechenden Einigung zwischen EU und EZB im finanziellen Sinne nichts haben. Denn die Anleihen sind bereits im Bestand der EZB und aus dem Markt raus. Und das einzige was dem Steuerzahler durch den Buchverlust entgehen würde, wären die Gewinne der EZB, baut Faust entsprechenden Sorgen vor.

Der große Wurf wäre es am Ende zwar auch nicht. Aber man hätte eine elegante Lösung gefunden, zumindest einen Teil der Schulden Griechenlands zu reduzieren. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat es auf den Punkt gebracht: Seiner Meinung nach gibt es bei der Krisenbekämpfung keine einfache und bequeme Lösung: "Dafür wurde es zu  lange versäumt, den wirtschaftlichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken." Dafür muss man jetzt in den sauren Apfel beißen. Wenn alle Stricke reißen, muss man vielleicht sogar die Insolvenz Athens in Kauf nehmen. Dass die EZB in kleinem Umfang auf Forderungen verzichtet, wäre das kleinere Übel.

Quelle: ntv.de

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