Wirtschaft

Von Männern, Pferden und Milliarden Wie Libyen in Italien Fuß fasst

Es geht um hohe Politik, eine Männerfreundschaft, Berberpferde, Juventus Turin und Öl-Milliarden, die in die italienische Finanzwelt fließen: Das klingt nicht nur nach einem Polit- und Wirtschaftsthriller der Extraklasse, es ist wirklich einer.

Echte Männerfreundschaft? Gaddafi (l.) und Berlusconi (r.).

Echte Männerfreundschaft? Gaddafi (l.) und Berlusconi (r.).

(Foto: REUTERS)

Der libysche Revolutionsführer ist fast schon ein Stammgast am Tiber, und bei jedem Besuch in Rom sorgt der Mann vom anderen Saum des Mittelmeeres für Aufsehen. Italiens konservativer Regierungschef Silvio Berlusconi lässt sich dafür gern gen Süden nach Libyen fliegen, um mit Muammar al-Gaddafi Couscous und Hammelfleisch zu essen. Der Streit um den wachsenden Einfluss des nordafrikanischen Landes auf die italienische Großbank Unicredit rückt diese "spezielle Freundschaft" zwischen Berlusconi und al-Gaddafi einmal mehr in das Scheinwerferlicht. Dabei geht es über günstige Geldanlagen und die Energieversorgung hinaus um Politik. Eine Hand wäscht die andere.

"Zu wenig italienisch"

Der von Tripolis auf 7,2 Prozent aufgestockte Anteil an der Mailänder Großbank sorgte nicht nur in Italien für einigen Wirbel - nicht zuletzt ist auch Berlusconis Koalitionspartner, Umberto Bossis rechtspopulistische Lega Nord, gegen dieses enge Band mit dem höchst umstrittenen Revolutionsführer. Im Fall Unicredit soll allerdings auch Berlusconi für den Abgang des Vorstandschefs Alessandro Profumo gewesen sein, der zu selbstständig, zu frei im Handeln und "zu wenig italienisch" sei. Libyens Engagement sei nur ein Vorwand gewesen, ihn loszuwerden, meinte jedenfalls der "Corriere della Sera" nach dem Manager-Sturz.

Doch al-Gaddafi hat Öl-Milliarden im Rücken, und der stinkreiche Medienzar Berlusconi pflegt auch im Sinne der Energiesicherung des Landes oft kritisierte Partnerschaften. So auch zu dem russischen Regierungschef Wladimir Putin, vor allem, als der noch Präsident war. Folgerichtig geht es jetzt auch bei jedem Treffen des Mailänders Berlusconi mit dem starken Mann aus Tripolis ums Öl und ums Gas.

Berlusconis Berberpferde

So sprechen einflussreiche Geschäftsleute an der Spitze ihrer Staaten Deals ab. Als der exzentrische Revolutionsführer im August zum vierten Mal in gut einem Jahr mit 30 reinrassigen Berberpferden in der Ewigen Stadt eintraf, da waren mehrere neue wirtschaftliche Abkommen zwar noch nicht fertig, etwa auch ein Auftrag für Finmeccanica.

Aber so wird es prinzipiell gemacht: Rom - das heißt der Cavaliere - hat sich zu Milliarden-Zahlungen in den nächsten zwei Jahrzehnten verpflichtet. Damit sollen offiziell die Wunden aus der Kolonialzeit heilen. Zugleich geht es um Milliarden-Geschäfte: Ins Öl investieren die Italiener schon, und demnächst sollen sie auch federführend die vom Revolutionsführer gewünschte 1700-Kilometer-Küstenautobahn in Libyen bauen. Mehr als 20 Firmen interessieren sich für die lukrativen Aufträge.

Italien hängt am Tropf Libyens

Mehr als ein Drittel der libyschen Öl- und Gasexporte gehen nach Italien, das damit den Spitzenplatz einnimmt. Und wenn die russische Führung mit Tripolis über die gemeinsame Ausbeutung der so wichtigen Energie spricht, dann sitzt auch der italienische Eni-Konzern mit am Tisch. Kommt Libyens Herrscher, dann geht er hier auf Einkaufstour, merkten Medien an, als al-Gaddafi im August schon wieder in Rom war. Das meint auch einen stärkeren libyschen Zugriff auf Eni, bisher auf ein paar Prozent beschränkt. Denn Eni bringt Libyens Öl nach Italien.

Als Schmankerl gönnt sich Tripolis noch einen siebenprozentigen Anteil an dem Erstligaclub Juventus Turin. Und trotz allem findet es der libysche Botschafter in Italien etwas übertrieben, wenn von einer "speziellen Freundschaft" Berlusconis mit Muammar al-Gaddafi die Rede ist: "Sicherlich haben wir mit Rom beste Beziehungen, wir investieren aber in der ganzen Welt", meinte Abdulhafed Gaddur. Als "Instrumente" dienten Tripolis dabei vor allem auch die libysche Notenbank und die staatliche Investmentgesellschaft Libyan Investment Authority, die auch die jüngst erhöhten Anteile an der Mailänder Unicredit halten.

Libysch-italienische Kooperation

Doch es geht nicht nur um die Wirtschaft. Mit einer höchst fragwürdigen bilateralen Sonderabmachung ist es Silvio Berlusconi gelungen, den zuvor gewaltigen Exodus der Flüchtlinge aus Afrika zu stoppen, die einst zu Tausenden auf Italiens Insel Lampedusa ankamen. Jetzt wird in libysch-italienischer Kooperation auf See abgefangen und nach Nordafrika zurückgebracht. Doch Libyen ist weder Mitglied der Genfer Konvention, und es hat auch kein ausreichendes Asylrecht. Den Regierungschef in Rom und seinen Innenminister Roberto Maroni von der ausländerfeindlichen Lega stört das wohl kaum. Die Aufnahme- und Abschiebelager auf Lampedusa sind längst geschlossen. So funktioniert interessengeleitete Männerfreundschaft letztlich auch in der Politik.

Quelle: ntv.de, dpa

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