Wirtschaft

Leerverkaufsverbot läuft ins Leere Wie Investoren an der Börse tricksen

Eigentlich wollten Europas Börsenwächter die Spekulationen gegen Bankenaktien unterbinden. Doch das Verbot von Wetten auf fallende Kurse quittieren professionelle Investoren mit geschickten Winkelzügen. Am Ende belastet das vor allem die Kurse am deutschen Aktienmarkt.

Short-Selling oder Leerverkauf - das ist hier die Frage.

Short-Selling oder Leerverkauf - das ist hier die Frage.

(Foto: REUTERS)

Finanzaktien sind ein beliebter Spielball für Investoren, um damit auf die wirtschaftliche Stärke eines Landes zu wetten. Damit dieses Spiel nicht aus den Fugen gerät, untersagten Frankreich, Spanien, Italien und Belgien in einer konzertierten Aktion so genannte Leerverkäufe von Aktien aus dem Finanzbereich. Doch schon wenige Tage nach Einführung des Verbots zeigen sich die Grenzen solcher Maßnahmen.

Um auf einen Kursverfall zu spekulieren, verkaufen Investoren an der Börse Aktien, die ihnen nicht gehören. Sie hoffen darauf, dass sie die Aktien zu einem späteren Zeitpunkt billiger zurückkaufen können. Die Differenz zum höheren Verkaufskurs ist ihr Gewinn. Geht die Rechnung nicht auf und steigen die Aktien, machen Leerverkäufer Verluste.

Bei klassischen, so genannten gedeckten Leerverkäufen leihen sich Investoren die Aktien für einen kurzen Zeitraum gegen eine Gebühr. Nach dem Rückkauf, der so genannten Eindeckung, gehen die Papiere zurück zu ihrem ursprünglichen Besitzer. Für solche Geschäfte mit Finanzaktien greift nun das jüngst erlassene Verbot der Euro-Staaten. Eine noch spekulativere Variante sind so genannte ungedeckte Leerverkäufe. Dabei bietet der Leerverkäufer beim anfänglichen Verkauf der Papiere nicht die Aktien selbst an, sondern lediglich die Zusage, diese zu einem späteren Zeitpunkt zu liefern. In Deutschland sind solche Geschäfte seit der Finanzkrise grundsätzlich verboten, auch für Aktien jenseits des Finanzsektors.

Leerverkauf um die Ecke

Tatenlos schauen Investoren dem Verbot jedoch nicht zu. Sie können mit geschickten Transaktionen das Verbot in gewissen Grenzen umgehen. Des Rätsels Lösung sind so genannte "synthetische Leerverkäufe". Dabei machen Investoren einen Umweg über die Terminmärkte, um das direkte Verbot zum "Shorten" auszuhebeln.

Vereinfacht funktioniert der Trick so: Angenommen, ein Anleger möchte auf einen Kursrückgang bei der französischen Bank Société Générale spekulieren. Weil ein Leerverkauf nicht erlaubt ist, versucht er mit der Kombination anderer Geschäfte in seinem Depot genau die Situation nachzubilden, die eigentlich untersagt wird, nämlich ein Gewinn bei einem fallenden Kurs.

Weil die Société Générale Mitglied im französischen Aktienindex CAC 40 ist, kann der Investor am Terminmarkt mit einem Ableger des Aktienindex handeln, einem so genannten Future. Damit kann er eine Wette auf den Stand des Index zu einem bestimmten Termin abschließen. In unserem Beispiel geht der Anleger ein so genanntes Short-Futuregeschäft ein. Er verpflichtet sich damit, zu einem bestimmten Termin in der Zukunft und zu einem vorab vereinbarten Preis einen Korb mit all jenen Aktien zu liefern, die im CAC 40 enthalten sind. Weil der Anleger am Ende der Laufzeit zu einem festen Preis liefern muss, hofft er darauf, dass die Aktien zu diesem Zeitpunkt tatsächlich weniger kosten.

Mit dem CAC-Future würde der Anleger jedoch auch auf den Kursverfall aller anderen 39 Aktien des französischen Aktienindex wetten. Würde nur Société Générale stark an Wert verlieren und alle anderen Aktien Kursgewinne verbuchen, würde die Wette unseres Anlegers nicht aufgehen, weil der Future stiege. Deshalb muss der Anleger dafür sorgen, dass der Verlauf der übrigen 39 Aktien sein Geschäft nicht verzerren. Er kauft deshalb entsprechend der Zusammensetzung des Index all jene Aktien, auf dessen Kursrutsch er nicht wetten möchte - fertig ist der synthetische Leerverkauf.

Steigen nun die Kurse dieser Aktien, zieht das zwar den Wert seines Future nach unten, dafür steigt jedoch der Wert seiner Aktien - und umgekehrt. Einzig ein Kursverlust bei der Société Générale würde den Wert seines Geschäfts steigern, weil er diese Aktie gar nicht besitzt und deshalb nicht unter einem Rückgang leidet.

Karawane zieht weiter

Wie verbreitet diese Geschäfte sind, zeigen die jüngsten Turbulenzen am Terminmarkt. Weil auch der Börsenaufsicht diese Tricks nicht unbekannt sind, verbot sie für solche Konstellationen kurzerhand die am Terminmarkt regelmäßig nötige Verlängerung der Laufzeit, das so genannte Rollen auf den nächsten Terminkontrakt.

Die Reaktion der Märkte ließ nicht lange auf sich warten: Weil in Frankreich beim CAC-Future vorerst der Deckel drauf ist, verlagerte sich das Geschäft schlagartig zu den deutschen Nachbarn in den Dax-Future. "Proxy-Hedge" heißt das im Börsianerdeutsch. Weil die Branchen am europäischen Aktienmarkt ohnehin oft einigermaßen im Gleichschritt laufen, ist den Investoren diese annähernde Absicherung lieber, als ihre Spekulation auf fallende Kurse ganz aufzugeben. Der Dax-Future geriet wegen des starken Aufbaus von Shortpositionen deutlich unter Druck, was sich auch am deutschen Aktienmarkt zu einer starken Belastung für die Kurse entwickelte.

Quelle: ntv.de

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