Wirtschaft

Fonds der Deutschen Bank in der Kritik Wenn der Tod sich nicht rechnet

Schwierige Vorstellung: Der Tod als Geschäftsmodell

Schwierige Vorstellung: Der Tod als Geschäftsmodell

(Foto: AP)

Weil die Deutsche Bank Anlegern einen Fonds verkauft hat, der beim Tod bestimmter Personen besonders viel Geld abwirft, steht das Geldhaus in der Kritik. Dafür sorgen jedoch nicht etwa plötzliche moralische Skrupel der Anleger - im Gegenteil: Sie klagen gegen die Bank, weil sie sich auf einen schnelleren Tod verlassen hatten und nun um Rendite fürchten.

Bei Fragen von Leben oder Tod schlägt die Stunde von Moralisten und Philosophen: "Das Entscheidende ist, den Tod als eine effizientere Möglichkeit zu sehen, weniger Geld auszugeben", wusste schon Woody Allen. Das gilt in gewisser Hinsicht auch für Anleger der Deutschen Bank, doch die sind gar nicht glücklich damit und setzen sich nun gegen das Geldhaus zur Wehr.

Stein des Anstoßes ist ein Anlageprodukt der Bank mit dem unscheinbaren Namen "db Kompass Life 3". Dahinter verbirgt sich ein Geschäft mit Lebensversicherungen, genauer dem Versicherungsrisiko von Lebensversicherungen. Üblicherweise investieren Fonds dieser Art in den Aufkauf von Lebensversicherungen, an denen Versicherte kein Interesse mehr haben, etwa weil sie das Geld benötigen. Für sie ist das lohnender als die Kündigung ihrer Verträge, denn verglichen mit dem mickrigen Rückkaufswert beim Ausstieg aus einem Vertrag erhalten die Kunden beim Verkauf mehr Geld. Der Aufkäufer des Vertrags beendet den Vertrag nicht, sondern zahlt die Beiträge bis zum Ende der Vertragslaufzeit weiter, im Gegenzug kassiert er im Todesfall die Prämie. Je früher der Versicherte stirbt, umso weniger Prämien müssen eingezahlt werden - und umso höher fällt der Gewinn des Aufkäufers auf.

Alter Hut

So pikant diese Logik ist, so gewöhnlich sind solche Geschäfte. In den USA finden solche Verkäufe bereits seit über 100 Jahren statt. Nach Angaben der deutschen Interessenvertretung der Branche, dem Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL), wurden in den USA im Jahr 2008 Lebensversicherungen im Volumen von geschätzten 12 Mrd. US-Dollar gehandelt.

In Deutschland sind Verkäufe erst seit 1999 zugelassen. 2010 wurden laut BVZL dabei Verträge für 160 Mio. Euro gehandelt. In der Zeit bis 2008, als solche Verkäufe noch steuerfrei waren, lag das Volumen in der Spitze bei 1,4 Mrd. Euro. Die Deutsche Bank hat sich mit den beiden Vorgängern des Kompass Life-Fonds an diesem Geschäft beteiligt. Mit den 2005 aufgelegten Vehikeln sammelte die Bank 535 Mio. Euro ein. Wegen der schlechten Entwicklung löste sie die Fonds jedoch frühzeitig auf und entschädigte Investoren.

Streng genommen ist jede Lebensversicherung eine Wette auf den Todeszeitpunkt.

Streng genommen ist jede Lebensversicherung eine Wette auf den Todeszeitpunkt.

Auch andere große Namen haben sich in diesem Sektor getummelt, um über Fonds Geld für den Aufkauf solcher Versicherungen zu sammeln. So hat beispielsweise die WestLB zwischen 2006 und 2008 insgesamt drei Fonds unter dem Namen "WestLB Trust" insbesondere über die Sparkassen an Anleger gebracht und damit auch am deutschen Lebensversicherungsmarkt investiert. Andere große Geldhäuser wie die Commerzbank oder die damalige Citibank (heute Targobank) haben keine eigenen Fonds gegründet, vertrieben aber insgesamt fünf "Prorendita"-Fonds, die mit britischen Lebensversicherungen verdienen wollten. Aufgelegt wurden sie von einer Tochter des skandalumwitterten Versicherungsriesen Ergo, der  Ideenkapital. Für Anleger brachten sie bisher vor allem Ärger und drohende Verluste. Die Institute haben ihr Neugeschäft mittlerweile geschlossen.

Virtueller Renditekick auf echten Tod

Worin genau besteht aber nun der Skandal bei der Deutschen Bank? Das Institut hat mit seinem dritten Kompass-Life-Fonds dieses Geschäft noch weitergedreht. Selbst nach Ansicht der Bankenbranche hat die Deutsche Bank den Bogen damit überspannt. Statt echte Lebensversicherungen aufzukaufen, investieren Anleger in Zertifikate, die die Entwicklung virtueller Versicherungsverträge von 500 ausgesuchter Männer und Frauen zwischen 70 und 90 Jahren nachbildet. Für jede dieser Referenzpersonen steht ein erwarteter Sterbetermin fest. Stirbt einer von ihnen nun früher als erwartet, steigt der Wert des Zertifikats - genau wie bei den Fonds auf "echte" Second-Hand-Lebensversicherungen.

Nach Einschätzung des Bankenverbands muss gerichtlich geklärt werden, ob dieses Geschäft sittenwidrig ist. "Bestimmte Menschen werden instrumentalisiert, um Kapitalanlagern oder Emittenten und den Verkäufern der Anlage eine Rendite zu verschaffen", so die Ombudsstelle des Bankenverbands. Mit der Unantastbarkeit der menschlichen Würde sei das kaum in Einklang zu bringen.

Diese deutlichen Worte gehen jedoch nicht auf die Eigeninitiative des Bankenverbands zurück, sondern sind die Erläuterung des Verbands zu einem Schlichtungsverfahren, das der Hamburger Rechtsanwalts Tilman Langer angestrebt hatte - ohne Erfolg. Anleger des Kompass-Life-Fonds hatten sich jedoch nicht etwa wegen plötzlicher Gewissensbisse an den Anwalt gewendet, sondern weil sie Angst um ihre Rendite haben: Weil in den Verkaufsprospekten des Fonds veraltete Sterbetafeln für die Berechnung der statistisch zu erwartetenden Lebensdauer verwendet werden, fürchten sie, dass die Referenzversicherten länger leben, als den Anlegern lieb ist. Aus ihrer Sicht würde das die Bank bei der Wette bevorzugen. Sollte ein Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass das ganze Geschäft tatsächlich sittenwidrig ist, müsste es vollständig rückabgewickelt werden.

So morbid Finanzwetten auf das Lebensalter von Menschen auch anmuten, sind allzu eindeutige Moralurteile über menschenverachtenden Finanzmarktkapitalismus mit Vorsicht zu genießen. Im Kern ist nämlich jede Lebensversicherung in sich schon eine Wette auf die Lebensdauer. Viel entscheidender ist aber die Gewissheit: "It takes two to tango". Ohne Anleger, die wissend oder im blinden Vertrauen solche Produkte kaufen, wird keine Bank Wetten auf Lebensversicherugen anbieten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen