Wirtschaft

Schwunglose Wirtschaft Volkswirte zum BIP

Die Hoffnungen auf eine schnellen Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft bekommen einen herben Dämpfer. Anders als von den Experten erwartet bleibt das Wachstum in den vergangenen Monaten aus. Volkswirte suchen nach Erklärungen.

Väterchen Frost gebietet Einhalt: Das kalte Winterwetter bremst die Baubranche.

Väterchen Frost gebietet Einhalt: Das kalte Winterwetter bremst die Baubranche.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die deutsche Wirtschaft ist zum Jahresende 2009 ins Stocken geraten. Im Herbstquartal 2009 stagnierte die Wirtschaftsleistung, teilte das Statistische Bundesamt mit. Im Vorfeld befragte Analysten hatten dagegen mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent gerechnet.

"Nach der Vorabschätzung hatte sich dieses Ergebnis abgezeichnet", sagte Jörg Lüschow von der WestLB in einer ersten Reaktion. "Die Produktion und der Außenhandel haben zum Jahresende gedämpft, so dass es keine ganz große Überraschung ist, dass jetzt das BIP stagniert."

Für den Jahresbeginn hält Lüschow sogar einen leichten Rückgang des BIP für wahrscheinlich. "Hier spielt die Witterung eine Rolle. Zudem wird sich die Konsumschwäche bis weit in das Jahr hinein fortsetzen", prognostizierte der WestLB-Experte. "Neben der schwachen Einkommensentwicklung wirken die Gegeneffekte zur Abwrackprämie. Der Weg zurück zur Normalität wird weit und schwierig sein. Eine schnelle Normalisierung ist nicht in Sicht."

Regierungen auf der Hut

Einen Rückschlag könne er nicht ausschließen, meinte Lüschow, allerdings halte er eine solche Entwicklung für weniger wahrscheinlich. "Die Lehman-Insolvenz hat Untergangsphantasien genährt. Bei aller Haushaltsproblematik, die wir im Moment haben, werden Regierungen und Notenbanken alles tun, um einen Rückfall zu verhindern", stellte er fest.

Ähnlich reagierte Simon Junker von der Commerzbank: "Die Zahlen für das vierte Quartal sind enttäuschend, doch bedeutet dies nicht das Ende der Erholung." Im Dezember habe es einen Kalendereffekt gegeben, der sich in der Statistik negativ bemerkbar mache: So seien die zweiwöchigen Weihnachtsferien 2009 vollständig auf den Dezember entfallen, meistens fielen einige Ferientage in den Januar.

"Auch vor diesem Hintergrund haben wir eine eher schwache Zahl in der Produktion gesehen", erklärte Junker. "Die Stimmungsindikatoren zeigen aber nach oben und die Auftragseingänge waren ordentlich." Das strenge Winterwetter dämpfe derzeit die Bauinvestitionen, meinte der Coba-Experte mit Blick auf die ungewöhnlich lang anhaltende Frostperiode. "Wir erwarten aber dennoch, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2010 um 0,5 Prozent zulegt, im zweiten Quartal wird es tendenziell eher mehr werden."

"Das deutsche Wirtschaftswachstum stagnierte im vierten Quartal. Das ist konsistent mit dem bereits bekannten Rückgang der Industrieproduktion", fasste Jörg Zeuner von der VP Bank die Lage zusammen. "Der Einkaufsmanagerindex verbessert sich nur noch langsam. Auch der private Konsum dürfte im letzten Quartal 2009 erneut einen negativen Wachstumsbeitrag geleistet haben."

Frostphase am Bau

"Wir erwarten auch in naher Zukunft keine Impulse vom privaten Konsum. Die Arbeitslosenrate in Deutschland steigt, die Trendwende ist noch nicht geschafft. Die Investitionsgüternachfrage der Unternehmen dürfte vorerst die Erholung weitertragen."

BHF-Bank-Volkswirt Gerd Hassel sah sich dagegen in seiner Einschätzung zum Wirtschaftswachstum bestätigt: "Das Ergebnis fiel aus wie erwartet. Nach den jüngsten Produktionsdaten ist diese Stagnation durchaus plausibel." Wahrscheinlich werde auch das erste Quartal schwach ausfallen, schätzte Hassel. Zur Begründung verwies auch er auf "die rekordverdächtig kalte Witterung", die vor allem den Bau belaste, und die sich schon sehr lange hinziehe.

"Wir haben keinen richtigen Einbruch mehr, aber eine sehr schwache Erholung", stellte Hassel fest. "Aber immerhin - nach den Einbrüchen, die wir vor einem Jahr erlebt haben, ist das schon bemerkenswert. In der Krise von 1930 bis 1932 lief es etwas anders. Die nun in der Krise betriebene expansive Geld- und Fiskalpolitik hat im Gegensatz dazu gewirkt."

Rückschläge wollte auch BHF-Experte Hassel nicht völlig ausschließen, hielt sie aber wie sein Kollege von der WestLB für unwahrscheinlich. "Wir haben immer noch Risiken, Beispiel Griechenland", sagte Hassel. "Man darf aber das Vertrauen haben, dass die Politik international abgestimmt darauf reagiert und auf diesem Wege die Probleme gelöst werden."

Stichwort: Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt ist der beste Gradmesser für die wirtschaftliche Stärke eines Landes. Es fasst den Wert aller hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen zusammen. Das Statistische Bundesamt betreibt einen enormen Aufwand, um ein möglichst genaues Bild der Wirtschaft zu zeichnen. Selbst die durch Schwarzarbeit entstandenen Werte werden geschätzt, Eigenleistungen beim Hausbau und Trinkgelder hochgerechnet. Es bleiben aber auch Lücken: Unbezahlte Heimarbeit wie die Betreuung der eigenen Kinder etwa wird nicht erfasst.

2009 betrug die gesamte Wirtschaftsleistung nominal rund 2,4 Billionen Euro, wovon etwa 60 Prozent auf den privaten Konsum entfielen. Damit ist Deutschland die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt hinter den USA, Japan und China.

Quelle: ntv.de, rts

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