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Fragwürdige Börsenpläne Twitter spielt auf Übernahme

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(Foto: REUTERS)

Was haben Britney Spears, Reiner Calmund, Lance Armstrong und Barack Obama gemeinsam? Sie zwitschern. Auf der Internet-Kommunikationsplattform Twitter sind sie vier von geschätzten sechs Millionen Nutzern, die ihre Gedanken in 140 Zeichen fassen und an ihre Leserschaft verbreiten. Und noch etwas haben sie gemeinsam: sie zahlen dafür kein Geld – zum Leidwesen der Twitter-Gründer, denen die Kosten für den Gratisdienst davonlaufen. Deshalb denken die Jungstars aus San Francisco nun laut über einen Börsengang nach. Ein Rezept zum Geldverdienen bleiben sie jedoch schuldig.

Zugegeben: Das Wachstum von Twitter ist beeindruckend. Um mehr als 1000 Prozent wuchs die Nutzerschar des Dienstes im vergangenen Jahr. Damit hängte Twitter andere Web-2.0-Dienste wie Facebook oder Youtube locker ab. Die Kehrseite dieser regelrechten Explosion der Nutzerzahlen sind rapide gestiegene Serverkosten. Zwar sind die nötigen Ressourcen für die Kurznachrichten nicht mit den Speicherkapazitäten unzähliger Videoschnipsel zu vergleichen, doch zwang das Dauergezwitscher die Rechennetzwerke schon so manches Mal in die Knie. Zusätzliche Server, die diese Engpässe beseitigen würden, sind jedoch teuer – und bis heute hat Twitter quasi keinen Umsatz erzielt.

Milliardenschwerer Unternehmenswert                           

Völlig mittellos steht Twitter derweil nicht da. Im September holte sich das Unternehmen neue Geldgeber ins Haus, die Kreisen zufolge 100 Mio. US-Dollar mitbrachten. Hochgerechnet soll sich der Unternehmenswert von Twitter auf rund eine Milliarde US-Dollar belaufen. Noch steht dieser Wert jedoch nur theoretisch auf dem Papier. Damit echtes Geld fließt, müssen Investoren gefunden werden. Üblicherweise ist die Aktienbörse in solchen Fällen der richtige Ort, um frische Finanzquellen anzuzapfen.

Ein schicker Name und viele Nutzer sind bereits vielversprechende Zutaten für einen erfolgreichen Gang auf das Börsenparkett. Noch wichtiger ist jedoch eine gute Investmentstory, die den Investoren glaubhaft vermittelt, dass am Ende des Tages dicke schwarze Zahlen das Investment zu einem Gewinn für beide Seiten macht. Hier hat Twitter ein fundamentales Problem: Keine Gewinne ohne Umsätze – und die stehen in den Sternen.

Einer muss zahlen

Drei Wege stehen Twitter für Erlöse offen – und hinter allen stehen berechtigte Fragezeichen. Zunächst könnte Twitter Gebühren von den Nutzern erheben. Doch die ausgeprägte Gratis-Kultur im Internet dürfte diesen Erwägungen schnell einen Strich durch die Rechnung machen. So genial einfach die Idee hinter Twitter ist, so unkompliziert und schnell finden sich auch Nachahmer, die mit Gratis-Imitaten dem Original Konkurrenz machen würden.

Mit Werbung könnte Twitter versuchen, den Erfolg von Google zu kopieren und Anzeigen passend zu den angezeigten Kurznachrichten einblenden. Doch wo soll diese Werbung stehen? Knapp die Hälfte aller User nutzt zum Schreiben und Lesen ihrer Nachrichten nicht die offizielle Twitter-Seite, sondern kleine Hilfsprogramme. Um hier Werbung einzubinden, müsste Twitter die frohen Werbebotschaften selbst als Twitter-Nachricht senden – ob dies jedoch Akzeptanz bei den Nutzern findet, darf bezweifelt werden.

Was bleibt, ist der Verkauf von Nutzerdaten. Welchen Sturm der Entrüstung dies jedoch bei den Nutzern lostreten könnte, darauf geben zaghafte Versuche der Konkurrenz zur Vermarktung von Userinformationen nur einen Vorgeschmack. Argwöhnische Blicke verfolgen etwa bei Facebook sämtliche Änderungen in den Nutzungs- und Datenschutzbedingungen – neue Einschränkungen verbreiten sich dabei wie ein Lauffeuer. Die Web-Community StudiVZ musste nach einem Sturm der Entrüstung seiner Nutzer die geplante Änderung seiner Nutzungsbedingungen entschärfen. Gefährlich wäre das Ansinnen aber vor allem für das Wertvollste an Twitter überhaupt: die Marke Twitter. Noch genießt der Dienst unter seinen Nutzern hohes Vertrauen. Entsteht jedoch der Verdacht oder gar die Gewissheit, dass geknüpfte Netzwerke und geschriebene Nachrichten konsequent ausgewertet und vermarktet werden, sind die Risse im Fundament bereits angelegt – und das fröhliche Zwitschern erstummt.

Für einen Börsengang ist das Zuschussgeschäft Twitter unter diesen Vorzeichen nicht bereit. Wohl aber könnte das öffentliche Nachdenken des Unternehmens über Finanzierungsquellen das Interesse möglicher Aufkäufer wecken. So schwach die Perspektiven für ein eigenständig profitables Leben des Kurznachrichtendienstes auch scheinen, so stark könnte die Phantasie etwa bei Google oder dessen Rivalen beflügelt werden: Mit der Integration von Twitter wäre die Suchmaschine auf einen Schlag ganz nah am Puls von Millionen von Nutzern und könnte so mit den bestehenden Datenschätzen Mehrwert schaffen. Bedenken von Datenschützern würden damit sicher nicht kleiner, das Schmerzensgeld zum Abschied der Twitter-Gründer jedoch umso größer.

Quelle: ntv.de

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