Wirtschaft

Weltgrößter Chemiegigant Steile Ziele bei BASF

Breit aufgestellt: Am BASF-Verbundstandort Ludwigshafen versorgen 50 riesige Tanks die Produktionsanlagen mit Nachschub.

Breit aufgestellt: Am BASF-Verbundstandort Ludwigshafen versorgen 50 riesige Tanks die Produktionsanlagen mit Nachschub.

(Foto: Pressefoto BASF)

BASF-Chef Kurt Bock verfolgt spektakuläre Pläne: Bis zum Jahr 2020 soll der Umsatz Jahr für Jahr um durchschnittlich sechs Prozent steigen - das sind zwei Prozentpunkte mehr als in der Prognose für die weltweite Chemieproduktion. Wie soll das funktionieren?

Die BASF-Spitze von links: Harald Schwager, Michael Heinz, Margret Suckale, Martin Brudermüller, Kurt Bock, Andreas Kreimeyer, Hans-Ulrich Engel, Wayne T. Smith.

Die BASF-Spitze von links: Harald Schwager, Michael Heinz, Margret Suckale, Martin Brudermüller, Kurt Bock, Andreas Kreimeyer, Hans-Ulrich Engel, Wayne T. Smith.

(Foto: Pressefoto BASF)

Wer bei BASF schon länger nicht mehr hingeschaut hat, könnte in diesen Tagen durchaus erschrecken: Der weltgrößte Chemiekonzern hat seine gesamte Buchhaltung auf neue Bilanzregeln umgestellt. In der Folge musste das Ludwigshafener Unternehmen auch seine mittelfristigen Umsatz- und Ergebnisziele anpassen. Ende März deckte BASF die neuen Zielmarken auf.

Kurz: Die Vorschriften des neuen, internationalen Bilanzstandards IFRS führen dazu, dass künftig wichtige Gesellschaften und Gemeinschaftsfirmen anders als bisher in der Konzernbilanz erfasst werden. Das hat erheblichen Auswirkungen auf Umsatz- und Ergebnisbeiträge. Die in Aussicht gestellten Kennzahlen für die kommende Jahre rutschten größtenteils kräftig nach unten.

"Alle wesentlichen Kennzahlen der BASF-Gruppe verändern sich", erläuterte Manfredo Rübens, Leiter des Bereichs Finanzen, die Folgen der Umstellung. Für 2015 steuert BASF deshalb nun einen Konzernumsatz von 80 Mrd. Euro an statt bisher von 85 Mrd. Euro. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) werden 2015 nun 14 Mrd. und damit 1 Mrd. Euro weniger als bisher angepeilt.

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BASF 50,88

In der frühzeitigen Umstellung sehen Analysten durchaus Vorteile: Die neuen Bilanz-Standards sind ab 2014 ohnehin verpflichtend in der EU anzuwenden. Die BASF SE führt sie bereits im laufenden Jahr ein. Selbst kritische Beobacher loben den Schritt: Mit den neuen Vorschriften nähert sich BASF auch in der Rechnungslegung stärker seinen großen US-Rivalen Dow Chemical und Dupont an.

Belastbare Ergebnisse aus dem ersten Quartal 2012 will der Weltkonzern aus Ludwigshafen am Rhein noch vor dem Wochenende vorlegen. Dann werden Anleger wohl auch erfahren, ob die angepassten Konzernziele nicht vielleicht doch noch einmal nachgebessert werden müssen - nach unten oder vielleicht sogar nach oben.

Denn BASF spricht weiterhin von "herausragenden Wachstumschancen", einem einzigartigen "Wettbewerbsvorteil" und einer "langfristigen Wertschöpfung durch eine solide Bilanz und finanzielle Stärke". Tatsächlich zählt BASF zur begehrten Gruppe der fünf dividendenstärksten Titel im deutschen Leitindex. Zuletzt wollte der Chemieriese volle 2,4 Mrd. Euro an seine Aktionäre ausschütten. Das entspricht einer Dividende von stolzen 2,60 Euro je Aktie.

Extrem ehrgeizige Ziele

BASF-Chef Kurt Bock folgt einer Langfriststrategie, mit der er den Konzern auf ein neues Ertragsniveau heben will. Bis zum Jahr 2020 sollte der Betriebsgewinn Jahr für Jahr um gut sieben Prozent auf 22 Mrd. Euro steigen. Der Umsatz soll pro Jahr um rund sechs Prozent auf 110 Mrd. Euro anschwellen. Vor der Umstellung auf den neuen Bilanzierungsstandard lagen diese Zahlen bei 23 Mrd. und 115 Mrd. Euro.

Doch selbst Skeptiker können nicht leugnen, dass sich BASF zumindest auf einem guten Weg dahin befindet. Zuletzt legte der Konzern bei Betriebsgewinn und Umsatz bereits Rekordwerte vor: Für das vergangene Jahr konnte Bock einen rekordhohen Betriebsgewinn von 8,9 Mrd. Euro verbuchen. Der Umsatz lag bei 78,7 Mrd. Euro, das sind 7 Prozent mehr als 2011.

Ein Konzern, fünf Sparten

Der Konzern organisiert seine Geschäfte in fünf "Segmenten":

  • Chemicals
  • Performance Products
  • Functional Materials & Solutions
  • Agricultral Solutions
  • Oil & Gas

Lässt sich das hohe Tempo durchhalten? Allein im Schlussquartal 2012 steigerte das Dax-Schwergewicht seinen operativen Gewinn im Vergleich zum Vorjahrteszeitraum um 18 Prozent auf 1,8 Mrd. Euro. Im laufenden Jahr will BASF diese Zahlen erneut übertreffen. Kritiker wenden ein, dass ein Teil der Zuwächse schlicht auf die Preissteigerungen bei Rohstoffen zurückzuführen seien.

Mit der neuen Strategie will sich der Konzern die Grundlagen schaffen, endlich in die Liga der ganz großen Weltkonzerne aufzusteigen. Dort winken kontinuierliche Erträge, gut kalkulierbare Zahlen und ein konjunkturunabhängiger Erfolg. Schon jetzt ist das Traditionsunternehmen aus Ludwigshafen am Rhein breit aufgestellt. Was sich nicht durch organischen Wachstum einstellt, ließe sich durch weitere Zukäufe erledigen. Mit einer Vielzahl an Lieferbeziehungen kann BASF schon jetzt - zumindest theoretisch - an den Entwicklungen einer großen Bandbreite an Branchen mitverdienen.

Fünf Standbeine für die globale Nachfrage

Allein in der Sparte "Chemicals" liefert BASF Grundstoffe für die Industrie wie Lacke, Leime oder Lösungsmittel, versorgt Konsumgüterkonzerne mit Grundstoffen für Reinigungsmittel oder Kosmetika, schafft Grundlagen für die Medikamenten-Produktion in Pharmaunternehmen und versorgt zum Beispiel auch die Halbleiterindustrie mit metallorganischen Verbindungen.

BASF in Zahlen

Die BASF SE beschäftigt eigenen Angaben zufolge mehr als 110.000 Mitarbeitern an sechs "Verbundstandorten" und rund 380 weiteren Produktionsstätten. Produkte von BASF gehen an Kunden und Partner in fast allen Ländern der Welt.

Bilanz-Kennzahlen 2012 (nach IFRS):

  • Konzernumsatz: 72,1 Mrd. Euro
  • Konzernergebnis: 6,6 Mrd. Euro

Bilanz-Ziele für 2015:

  • Umsatz: ca. 80 Mrd. Euro
  • Ergebnis: ca. 14 Mrd. Euro

Bilanz-Ziele für 2020:

  • Umsatz: ca. 110 Mrd. Euro
  • Ergebnis: ca. 22 Mrd. Euro

Quelle: BASF / Stand: März 2013

In der Sparte "Performance Products" fasst BASF das Geschäft mit Farbstoffen, Lichtschutzmitteln, Tensiden, Wachsen und Emlugatoren zusammen, entwickelt Zusatzstoffe für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion, erzeugt einfache Wirkstoffe für die Pharmaunternehmen wie etwa Coffein oder Ibuprofen und destilliert im Bereich "Performance Chemicals" unter anderem auch Additive für Sprit und Schmierstoffe.

Dem deutschen Durchschnittsverbraucher kann es passieren, dass er in seinem Alltag gleich mehrmals täglich mit BASF-Erzeugnissen in Berührung kommt: Von der Zahnpaste am Morgen über die Tankstelle auf der Fahrt zur Arbeit bis hin zu den Kunststoffen an seinem Arbeitsplatz - von seinem womöglich mit Styropor gedämmten Zuhause, dem Blumendünger im Garten und einem gesunden Abendessen ganz abgesehen.

In der Sparte "Funktionsmaterialien & Lösungen" macht BASF unter anderem Geschäfte mit der Automobil-, Elektro-, Chemie-, und Bau­industrie. Dazu kommen "Anwendungen für Haushalt, Sport und Freizeit". Zum Portfolio in diesem Bereich zählt der Konzern "Katalysatoren, Batteriematerialien, technische Kunststoffe, Polyurethane, Auto- und Industrielacke, Betonadditive sowie Ausbauprodukte wie Fliesenkleber und Bautenanstrichmittel."

Die Agrarsparte sichert dem Chemiekonzern ein Standbein, dass sich weitgehend unabhängig von kurzfristigen Konjunkturzyklen entwickelt und langfristig - mit Blick auf die steigende Weltbevölkerung - großes Wachstumspotenzial verspricht. Mit der Übernahme von Becker Underwood hatte BASF diese Sparte erst im vergangenen Herbst weiter verstärkt und das eigene Angebot "in den Bereichen biologischer Pflanzenschutz, Gartenbau, Tierernährung und Landschaftsgestaltung" erweitert. Insgesamt wirkt BASF auch hier als Zulieferer von speziellen Grund- und Zusatzstoffen. "Unsere Pflanzenschutzmittel schützen Nutzpflanzen vor Pilzkrankheiten, Insekten oder Unkräutern, erhöhen die Qualität und sichern die Ernte­erträge", heißt es dazu bei BASF.

Wo bei BASF der Umsatz herkommt

Der Bereich Agrarchemie und Pflanzenschutz spielt mit einem Umsatz von zuletzt 4,7 Mrd. Euro (2012 nach IFRS) eine eher untergeordnete Rolle. Einen Großteil seiner Umsätze erwirtschaftet das Unternehmen derzeit noch in den Sparten Chemie (17,9 Mrd. Euro), Kunststoffe (15,7 Mrd. Euro), Funktionsmaterialien (17 Mrd. Euro) und dem einst übermächtigen Öl- und Erdgasgeschäft (12,7 Mrd. Euro).

Und genau hier liegt Analysten zufolge ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal verborgen: Unter den großen Chemieunternehmen der Welt gilt BASF mittlerweile als der letzte verbliebene Selbstversorger. "Aus dem Umbau der chemischen Industrie in der ganzen Welt ist die BASF als einziger Chemiekonzern übrig geblieben", heißt es in einer "Handelsblatt"-Analyse, "der noch komplett durchintegriert ist, von der Erdölförderung bis hin zu hochveredelten Spezialchemikalien". Damit seien die Ludwigshafener nicht nur abgesichert gegen steigende Rohstoffpreise, sondern könnten auch ihre Trumpfkarte, den sogenannten "Verbund", stärker ausspielen. Dieses Netzwerk aus Chemie-Standorten bietet im Fall einer umsichtigen Planung Kostenvorteile, weil Neben- und Abfallprodukte zwischen den einzelnen Fabriken ausgetauscht werden können.

Doch nun stehen größere Veränderungen an: Wie Ende März bekannt wurde, will BASF-Chef Bock die Ertragskraft des Konzerns im Geschäft mit Wasser-, Ölfeld- und Bergbauchemikalien ausbauen. Dazu werden die Aktivitäten des Konzern in diesen Bereichen in einer neuen Geschäftseinheit gebündelt. Außerdem sollen Produktion und Vertrieb besser verzahnt werden.

Grundlage dieser Strategie ist die Überlegung, dass sich der Konzern unbedingt aus den zyklischen Bewegungen des klassischen Chemiegeschäfts lösen muss. Als Zulieferbranche der Industrie sind Chemieunternehmen konjunkturellen Schwankungen generell voll ausgesetzt. BASF-Chef Bock will diese Schwäche überwinden, indem er den Konzern regional und in der Spezialisierung breiter aufstellt.

Zu den wichtigsten Produkten der neuen Sparte "Water, Oilfield and Mining Solutions" zählen Polyacrylamid-Chemikalien, die etwa als Flockungsmittel zur Wasseraufbereitung in Kläranlagen eingesetzt werden. Solche Substanzen werden auch bei der Ölförderung genutzt und kommen bei der Weiterverarbeitung von Mineralien im Bergbau zum Einsatz. BASF gehört zu den führenden Unternehmen in diesem Geschäftsfeld.

Zu den Wettbewerbern zählen hier unter anderem die Chemiekonzerne Clariant aus der Schweiz, die amerikanische Dow Chemical und Kemira aus Finnland. Die Aktivitäten sind Teil des Segments "Performance Products", in dem BASF im vergangenen Jahr rund 15,7 Mrd. Euro umsetzte.

Quelle: ntv.de, mit rts

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