Wirtschaft

Brent-Preis um ein Viertel gestiegen Spekulationen um den Ölpreis

Geht es um eine eventuelle atomare Aufrüstung des Iran oder doch nur ums Öl? Spekulationen heizen die Preise an.

Geht es um eine eventuelle atomare Aufrüstung des Iran oder doch nur ums Öl? Spekulationen heizen die Preise an.

(Foto: REUTERS)

Den täglichen Rohöl-Bedarf beziffern Experten auf rund 90 Millionen Barrel. Kein Problem, "auf dem Papier wird der Markt mit Rohöl geflutet", sagt ein Rohstoffanalyst von JP Morgan. Dennoch klettern die Ölpreise seit Wochen, Brent liegt nur noch knapp 20 Dollar unter dem Rekord von 2008. Alles nur reine Spekulation unter dem Vorwand des Atom-Konflikts mit dem Iran?

Ist der Anstieg des Ölpreises nur eine Spekulationsblase oder gerechtfertigt? Droht ein Versorgungsengpass? Die Fragen werden je nach Interessenlage unterschiedlich beantwortet. Eine gemeinsame, verlässliche Datengrundlage fehlt.

"Meine einzige Mission ist es, Ihnen zu versichern, dass es keinen Angebotsengpass gibt", sagt etwa der saudi-arabische Öl-Minister Ali al-Naimi. "Das Angebot ist knapp. Daher ist die Ausweitung der Produktion notwendig", sagt dagegen US-Vize-Energieminister Daniel Ponemann.

Iran-Konflikt bestimmt den Preis

Unbestritten ist, dass der Preis für die richtungsweisende Nordsee-Sorte Brent in den vergangenen Monaten um etwa ein Viertel gestiegen ist und Anfang März mit 128,40 Dollar je Barrel (159 Liter) ein Dreieinhalb-Jahres-Hoch markierte. Damit liegt der Brent-Preis nur noch knapp 20 Dollar unter seinem bisherigen Rekordwert von 2008.

Rohöl (Brent)
Rohöl (Brent) 87,39

Grund für diese Rally sind vor allem die Spannungen mit dem Iran. Der Westen wirft der Islamischen Republik vor, nach Atomwaffen zu streben. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Union ein Öl-Embargo verhängt, das zum 1. Juli in Kraft treten soll. Iran wiederum hat mehrfach mit der Sperrung der Straße von Hormus gedroht. Durch diese Meerenge im Persischen Golf wird rund 20 Prozent des weltweit geförderten Rohöls transportiert.

Wie hoch ist das Angebot wirklich?

Im Grunde kann jeder Grundschüler ausrechnen, ob es ein Überangebot an Rohöl gibt oder einen Engpass. Die Krux ist das fehlende Zahlenmaterial. Einigermaßen verlässliche Schätzungen zu Angebot und Nachfrage gibt es nur für die in der Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) zusammengeschlossenen Produzenten: Analysten zufolge liegen die Ausfuhren der Opec-Staaten derzeit auf einem Vierjahreshoch von 31 Millionen Barrel täglich. Den Bedarf für Lieferungen aus Ländern wie Saudi-Arabien, Kuwait oder Nigeria beziffern sie auf 30 Millionen Barrel täglich.

Öl, Light Sweet Crude
Öl, Light Sweet Crude 83,14

"Auf dem Papier wird der Markt mit Rohöl geflutet", sagt Rohstoff-Experte Lawrence Eagles von JP Morgan. Die Preise spiegelten dagegen eher die geringen Lagerbestände wider. Eagles und einige seiner Kollegen halten die Reserven für den Schlüssel zum Verständnis der Kursentwicklung. Das Problem dabei: Es ist so gut wie unmöglich, belastbare Daten zu bekommen, vor allem aus boomenden Schwellenländern wie China oder Indien.

Streitpunkt Lagerbestände

Während Eagles betont, die Öl-Vorräte seien gering, hält Analyst Oswald Clint von Bernstein Research die Kursrally für überzogen. "Angesichts des Produktionsüberschusses der Opec-Staaten werden die Lagerbestände weiter zunehmen." Öl-Minister al-Naimi teilt diese Einschätzung. In den Tanks der Opec-Staaten lagere derzeit genug Rohöl, um die Welt damit 60 Tage lang zu versorgen. Im Januar hätten die Vorräte nur für 57 Tage gereicht. Zur kurzfristigen Überbrückung von Liefer-Schwierigkeiten habe sein Land zudem rund zehn Millionen Barrel in den Tanks von Rotterdam (Niederlande), Sidi Kerir (Ägypten) und Okinawa (Japan) gebunkert.

Die Addition der Produktionsausfälle ist wiederum recht einfach. Reuters-Schätzungen zufolge liegen derzeit Förder-Kapazitäten im Volumen von 1,1 Millionen Barrel täglich brach: Im Süd-Sudan, Jemen, Syrien, Kanada und der Nordsee. Minister al-Naimi bezeichnet dies als "unbedeutend". Sein Land pumpt nach offiziellen Angaben täglich 9,9 Millionen Barrel des "schwarzen Goldes" aus dem Wüstenboden. Einige Analysten gehen davon aus, dass es tatsächlich 500.000 Barrel mehr sind.

"Vertrauen Sie Saudi Aramco ..."

Wie stark der weltgrößte Erdöl-Exporteur seine Förderung bei Bedarf erhöhen kann, darüber gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) geht davon aus, dass Saudi-Arabien dauerhaft 11,88 Millionen Barrel Rohöl täglich fördern kann. Damit wäre das Polster, um den möglichen Ausfall des Lieferanten Iran auszugleichen, recht dünn. Der Beratungsfirma Petrologistics zufolge liegen dessen Ausfuhren derzeit bei knapp zwei Millionen Barrel täglich. Al-Naimi dagegen betont, dass der staatliche saudi-arabische Ölkonzern mehr leisten kann. "Vertrauen Sie Saudi Aramco. Wenn Sie 12,5 Millionen Barrel bestellen, wird Saudi Aramco 12,5 Millionen Barrel liefern."

Bei alledem ist noch nicht einmal klar, wie viel Erdöl weltweit eigentlich benötigt wird. Während die IEA den Bedarf auf 90,47 Millionen Barrel täglich taxiert, beziffert die ebenfalls einflussreiche Statistik-Abteilung des US-Energieministeriums (EIA) die Nachfrage auf 89,62 Millionen Barrel täglich. Einig sind sich die Experten lediglich, dass die Nachfrage in Asien boomt, während sie in den USA und Europa von der schwachen Konjunktur gedämpft wird.

Quelle: ntv.de, Christopher Johnson, rts

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