Wirtschaft

Alternativen in der Krise Spanien entdeckt das Tauschen

Spanier wissen sich zu helfen - auch in der Krise.

Spanier wissen sich zu helfen - auch in der Krise.

(Foto: picture alliance / dpa)

Spaniens Wirtschaft steckt in der Krise. Die Bürger müssen an allen Ecken und Enden sparen. Aus der Not machen einige nun eine Tugend. Statt mit Bargeld oder Karte zu bezahlen, wird wieder getauscht. Computer gegen Miete oder auch mal ein ganzes Haus. Grenzen scheint es nicht zu geben.

"Sesam öffne Dich" - so heißt ein kleiner Secondhand-Laden im Zentrum Madrids, in dem Geld unerwünscht ist. Hier bezahlt man nicht mit Barem oder mit Karte. Hier wird getauscht. Vollgestopft mit Kleidung, Büchern, CDs und Elektrogeräten, ist das Geschäft eine wahre Fundgrube für Menschen, bei denen das Geld in der Wirtschaftskrise nicht mehr ganz so locker sitzt.

Noch ist der Laden mit seinen täglich etwa 20 Kunden eine Kuriosität. Doch im Internet boomen Tauschbörsen. Hier findet man so ziemlich alles, was das Herz begehrt: Autos, Möbel und Eigentumswohnungen werden ebenso angeboten wie Sprach- und Kochkurse oder das Ausführen von Hunden. Während dem schuldengeplagten Land der Rückfall in die Rezession droht und die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrt, ist mit dem Tauschhandel eine regelrechte Parallel-Wirtschaft entstanden.

Emanuela Scena eröffnete "Abrete Sesamo" im Dezember 2010. Damals steckte Spanien bereits in der Krise. "Uns gefiel der Gedanke, dass der Name an Ali Babas Schatzkammer erinnert", sagt sie. Es habe eine Weile gedauert, bis ihr Konzept bei den Kunden angekommen sei. "Aber jetzt verstehen sie es."

Computer gegen Miete

Zum Beispiel Sabino Liebana. 2010 beglich der Unternehmer seine 600 Euro Gewerbemiete in Madrid nicht mit Geld, sondern mit den Waren, die er sonst über das Web verkauft: Drucker, Tinte, Computer. Die habe er seinem Vermieter etwas günstiger überlassen. "Aber niemals unter dem Einkaufspreis."

Wegen Liquiditätsproblemen dürften wohl immer mehr Firmen auf das Tauschprinzip zurückgreifen, vor allem im Dienstleistungsbereich, sagt Liebana. In den vergangenen sechs Monaten habe er etwa ein Dutzend solche Transaktionen getätigt,  etwa für Werbung oder Web-Design. Meist sei er über die Tauschbörse acambiode.com gegangen.

Gegründet 2001, hat das Portal heute weltweit 310.000 Kunden, überwiegend in spanischsprachigen Ländern sowie Portugal und Italien. Es handelt es sich um kleinere Unternehmen oder Selbstständige quer aus allen Geschäftsbereichen. Jeden Monat kämen 2000 bis 3000 hinzu, sagt der Chef Jaime Martinez. Allein in Spanien sind es 67.000. Täglich schlössen sie etwa ein halbes Dutzend reine oder lediglich zum Teil mit Geld getätigte Tauschgeschäfte im Wert von durchschnittlich je 5000 Euro ab.

Im Auftakt-Krisenjahr 2008 expandierte das Portal massiv, und dieses Jahr rechnet Martinez mit erneut rasantem Wachstum. "Wir sehen in Spanien viel mehr Aktivität als in früheren Jahren", sagt er. "Bartergeschäfte sind eine Alternative zur Finanzierung von Einkäufen, wenn man Liquiditätsprobleme hat, denn so kann man seine flüssigen Mittel für wichtigere Dinge aufheben."

"Völlig undurchsichtig"

Auch auf dem Immobilienmarkt kommt Tauschen immer mehr in Mode, vor allem seit es im Zuge der Krise schwieriger geworden ist, an Kredite zu kommen. "Viele Leute wollen kaufen und wissen nicht wie, wenn sie keine Arbeit haben und die Banken kein Geld verleihen", sagt Eneka Tamayo, der die 2008 eingerichtete Immobilientausch-Website sepermuta von San Sebastian im Baskenland aus betreibt. 6900 Objekte finden sich auf der Seite, die monatlich bis zu 50.000 Zugriffe verzeichnet. Anbieter geben eine Wertvorstellung für ihre Wohnung ab und stellen eine Wunschliste zusammen, was sie dafür gerne im Gegenzug hätten. "Wenn man schon ein Haus hat, muss man auf diese Weise nicht viel zusätzliches Geld auftreiben", sagt Tamayo.

Bleibt die Frage, wie solche Transaktionen besteuert werden. Entscheidend sei der Wert des Geschäfts, sagt Luis Gonzalez, Sprecher der spanischen Steuerbehörde. Dafür gebe es klare gesetzliche Vorschriften und diese basierten "größtenteils auf dem Marktpreis". Weiter will er sich nicht äußern. Unternehmer Martinez sagt, bei acambiode.com würden sowohl in- wie auch ausländische Transaktionen genauso besteuert wie Bezahlgeschäfte. Doch der Vizepräsident der spanischen Vereinigung der Steuerprüfer, Jose Maria Mollinedo, räumt ein, der Tauschhandel sei "ein völlig undurchsichtiger Markt", der "unmöglich beaufsichtigt werden kann".

Quelle: ntv.de, rts

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