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Solarbranche im Umbruch Reifeprüfung der Sonnenkinder

Vorbei sind die Tage, in denen die deutsche Solarstrombranche gar nicht anders konnte als zu wachsen. Dank heimischer Subventionen entstand in Deutschland der bedeutendste Markt für die Nutzung der Sonnenkraft. Nun müssen die Pioniere der Branche kämpfen, um nicht bald als Könige ohne Land dazustehen.

Solarstrom hat bei deutschen Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien die größte Bedeutung.

Solarstrom hat bei deutschen Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien die größte Bedeutung.

(Foto: REUTERS)

Die erfolgsverwöhnten deutschen Solarstrom-Unternehmer haben es nicht leicht. Über viele Jahre waren sie die Lieblinge der Börse, haben gutes Geld verdient – und rochen dabei wie kein anderer nach Wachstum mit gutem grünem Gewissen. Doch je erwachsener die "Sunnyboys" werden, an umso mehr Fronten müssen sie sich nun beweisen.

Die Gründe für die Malaise sind so vielfältig wie unausweichlich: Die Konkurrenz aus Fernost entschlüpft ihrer unscheinbaren Hülle, die Preise für Solarmodule fallen rapide, die Entwicklungen an den Rohstoffmärkten machen mancher gefeierten Langfrist-Strategie einen Strich durch die Rechnung – und schließlich hat auch der politische Wind im Vorzeige-Solarland Deutschland so weit gedreht, dass immer mehr Wolken am Himmel aufziehen.

Konkurrenz:

Mit aller Macht erkämpft sich China seinen Platz an der Sonne. Wo früher der deutsche Branchenprimus Solarworld oder Q-Cells den Markt beherrschten, klingeln längst die Kassen für die neuen Wettbewerber Suntech oder Yingli. In der globalen Solarzellen-Produktion hat China Deutschland längst abgehängt. Der weltweite Produktionsanteil der Chinesen bei Solarzellen ist nach Informationen des Branchendienstes Photon von 8,3 Prozent im Jahr 2005 auf geschätzte 36 Prozent im Jahr 2009 gewachsen. In absoluten Zahlen bedeutet dies ein Anstieg der produzierten Menge von 151 auf 3240 Megawatt Spitzenleistung.

Die meisten Solarzellen werden mittlerweile in China produziert.

Die meisten Solarzellen werden mittlerweile in China produziert.

(Foto: REUTERS)

Der Lockruf des Ostens zeigt sich auch am Stühlerücken im global ausgerichteten Photovoltaik-Aktienindex PPVX. Jüngst mussten die Papiere der deutschen Phoenix Solar, der spanischen Solaria Energia y Medio sowie der britischen PV Crystalox Solar den Auswahlindex verlassen. Sie mussten den Platz für DELSolar, E-Ton Solar und Renesola räumen, allesamt Unternehmen aus Fernost. Jedes zweite der 30 wichtigsten Photovoltaik-Aktien im PPVX stammt aus China oder Taiwan.

Produktpreise:

Fuß gefasst haben die konkurrierenden Anbieter aus Asien vor allem mit Dumpingpreisen. Statt der hoch technisierten Produktion unter strengen Umwelt- und Sicherheitsauflagen wie in Deutschland haben die Asiaten ihre Kostenvorteile durch niedrige Löhne und mangelnde Schutzvorschriften ausgespielt. Doch mit der wachsenden Produktionserfahrung wächst auch die Qualität der Produkte aus Fernost - für die deutschen Solar-Pioniere ein Horrorszenario: Wollen sie nicht hinter die Konkurrenz zurückfallen, müssen sie entweder an der Preisschraube drehen oder mit besserer Qualität punkten. Doch wo hochwertige Alternativen zu "Made in Germany" nur ein Bruchteil kosten, schwindet unternehmerischer Spielraum schnell.

Dazu kommt eine Machtverschiebung im Markt für Solarmodule. Konnten die Anbieter einst die Preise für ihre raren Produkte diktieren, ist der Photovoltaik-Markt 2009 zu einem Käufermarkt mutiert. Solarexperten machen dafür einen unerwartet starken Absatzrückgang verantwortlich, der zu hohen Überkapazitäten geführt hat. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat tiefe Spuren in den Auftragsbüchern der Produzenten in der Solarbranche hinterlassen, sei es wegen unmittelbarer Konjunkturfolgen oder wegen eines regelrechten Zusammenbruchs bei den Finanzierungsmöglichkeiten von Großprojekten.

Nach Erhebungen des deutschen Branchenverbands BSW kostete eine fertig installierte Solaranlage auf dem Hausdach mit einer Spitzenleistung von 100 Kilowatt im 4. Quartal 2009 im Schnitt 3135 Euro. Ein Jahr zuvor mussten Kunden für das gleiche Produkt über 1000 Euro mehr bezahlen.

Rohstoffpreise:

Der Stoff, aus dem Solarzellen entstehen: polykristallines Silizium.

Der Stoff, aus dem Solarzellen entstehen: polykristallines Silizium.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Für die Konkurrenz aus Asien wirkt sich der starke Nachfragerückgang kurioserweise als Turbo-Beschleuniger aus: Trieb über viele Jahre ein Engpass beim Solarzellen-Rohstoff Polysilizium die Preise für die Solar-Rohlinge in die Höhe, führte der Absatzknick zu einer nachhaltigen Entspannung am Spotmarkt. Etablierte Anbieter hatten sich in Boomzeiten jedoch mit teuren Langfrist-Verträgen den ausreichenden Nachschub mit dem gefragten Rohstoff gesichert und wurden dafür am Markt gefeiert. Heute knebelt sie diese Einkaufspolitik, denn die Lieferanten bestehen auf Einhaltung der hohen Preisabsprachen. Lachende Dritte sind neue Wettbewerber, die ihre Rohstoffe nun zu deutlich günstigeren Konditionen beziehen können und damit neben billigeren Löhnen auch weniger Materialaufwand leisten müssen.

Subventionierung:

Mit großer Sorge blickt die Solarbranche schließlich auch auf die anstehenden Kürzungen bei der Einspeisevergütung - jenen garantierten Zahlungen also, die der Betreiber einer Solaranlage garantiert erhält, wenn er überschüssigen Strom seiner Anlage ins deutsche Stromnetz einspeist. Klar ist, dass diese Vergütung ab dem 1. Juli um weitere 16 Prozent für Solaranlagen auf Dächern sinken soll. Nach Abschlägen bereits zum Jahresanfang verringert sich die Förderung damit im Vergleich zu 2009 um insgesamt 25 Prozent auf 33 Cent pro Kilowattstunde. "Ausmaß und Geschwindigkeit der Förderkürzungen bedrohen die Existenz großer Teile der deutschen Photovoltaik-Industrie", warnt Günther Cramer, der Präsident des Branchenverbands BSW-Solar und zugleich Chef des Branchenriesen SMA Solar.

Weitere Einschnitte ebenfalls ab Juli betreffen verschiedene Arten von Freiflächen-Anlagen. Solche auf Ackerflächen sollen bis auf Ausnahmen nicht mehr gefördert werden. Kritiker dieser Pläne sehen darin auch einen Lobbyerfolg des größten Solarmodul-Anbieters Solarworld. Dessen honoriger Chef Frank Asbeck soll sich für die stärkere Fördersenkung bei großen Flächen eingesetzt haben. Sein Kalkül: Anders als große Investoren setzen Verbraucher bei der Entscheidung für eine Anlage eher auf bekannte deutsche Hersteller als auf die billige Konkurrenz aus China.

Die geplanten Subventionskürzungen für Solarstrom ruft Mitarbeiter aus dem "Solar Valley" in Thalheim auf die Barrikaden.

Die geplanten Subventionskürzungen für Solarstrom ruft Mitarbeiter aus dem "Solar Valley" in Thalheim auf die Barrikaden.

(Foto: dpa)

Unabhängig davon, ob diese Rechnung aufgeht, hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung Kritikern zufolge dem Umweltschutz einen Bärendienst erwiesen. Große Anlagen auf freien Flächen sind ihnen zufolge eher geeignet, einen deutlich höheren Solaranteil am deutschen Strommix zu erreichen als privat installierte Solardächer.

Wie stark jedoch auch bei der Solarförderung der Teufel im Detail steckt, entdeckt mancher Verbraucher, der sich noch vor dem Stichtag Anfang Juli eine Anlage zur Sicherung der höheren Einspeisevergütung aufs Dach schrauben lassen möchte: War früher das Silizium der Engpass bei der Produktion von Solarmodulen, ist es heute der Wechselrichter, der aus dem Gleichstrom der Solarmodule nutzbaren Wechselstrom macht. Die begehrten Module sind so rar, dass es in diesen Wochen bereits vermehrt zu Diebstählen an fertig installierten Solaranlagen gekommen ist. Weltmarktführer bei Wechselrichtern ist übrigens das nach Marktkapitalisierung größte Solarunternehmen SMA Solar.

Flucht nach vorne

Für die deutschen Solarunternehmen bringt diese ungemütliche Gemengelage einen harten Ausleseprozess mit sich. Nach Einschätzung der Schweizer Bank Sarasin müssen heimische Solarunternehmen vier Faktoren beachten, um auch künftig auf der Sonnenseite zu stehen: Größe, Know-how, eine breite Kundenbasis und angemessenes Wachstum. Anbieter, die in diesen Punkten schwächeln, verschwinden schnell in der Bedeutungslosigkeit.

Nur Unternehmen, die eine kritische Größe erreichen, können dauerhaft mit lohnenswerten Gewinnmargen rechnen. Investitionen in Forschung und Entwicklung erlaubt auch künftig technischen Vorsprung, der höhere Preise rechtfertigt. Die Präsenz in möglichst vielen Wachstumsmärkten gleichzeitig sichert die Unabhängigkeit von Nachfrageeinbrüchen in einzelnen Regionen. Steigende Umsätze sind letzterdings die notwendige Voraussetzung, um in wachsenden Märkten den Anschluss nicht zu verlieren. Wachstum um jeden Preis ist dabei jedoch nicht das Ziel. Ohne einen Blick auf die zu erzielenden Renditen gerät unkontrolliertes Wachstum sonst schnell zum Kamikaze-Kurs.

Quelle: ntv.de

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