Wirtschaft

Wertewandel bei BP-Aktionären Ölsand wird Treibsand

Der Ölriese BP will in die umstrittene Förderung von Ölsand einsteigen. Doch das Unternehmen hat seine Rechnung offenbar ohne die Aktionäre gemacht, denn die laufen Sturm - doch nicht wegen mangelnder Aussichten auf starke Renditen, sondern wegen massiver Umweltbedenken.

Die Ölgewinnung aus Sand verspricht für Kanada goldene Zeiten.

Die Ölgewinnung aus Sand verspricht für Kanada goldene Zeiten.

(Foto: REUTERS)

So hatte sich BP seinen Einstieg in das viel beachtete Geschäft mit Ölsand wohl nicht vorgestellt. Mit milliardenschweren Investitionen wollte sich der britische Konzern die Gewinnung von Öl aus reichen Sandvorkommen in Kanada erschließen und damit einen lukrativen neuen Geschäftszweig aufbauen. Doch ausgerechnet in den Reihen der eigenen Anteilseigner wächst der Protest gegen das Vorhaben.

Rund 150 Aktionäre legten Protest gegen die Pläne wegen massiver Umweltbedenken ein. Unter den Skeptikern sind wichtige institutionelle Anleger wie die US-Pensionsfonds Calpers und Calstrs, die Investmentgesellschaft Co-operative Asset Management oder der Pensionsfonds der britischen Gewerkschaft Unison.

BP-Führung auf dem Grill

BP-Chef Tony Hayward

BP-Chef Tony Hayward

(Foto: REUTERS)

Auf der Hauptversammlung von BP in London fordern die Anleger detaillierte Informationen von der Konzernführung, welche Folgen die Förderung der Ölvorkommen für die Umwelt hat. Doch BP-Chef Tony Hayward bügelt die Bedenken ab. Nach seiner Ansicht verursachen einige Ölsandprojekte sogar weniger klimaschädliche CO2-Emission als einige Arten der konventionellen Ölproduktion.

Nicht nur bei BP, sondern auch beim Rivalen Shell droht beim Ölsand-Projekt Widerstand der Aktionäre auf der alljährlichen Hauptversammlung. Anders als BP ist Shell bereits in der Produktion aktiv. Hier macht Öl aus Sand bereits 2,5 Prozent der gesamten Öl- und Gasförderung aus - Tendenz steigend. Protest der Anteilseigner rührt sich jedoch erst jetzt - besser spät als nie. Neben den beiden Briten ist jüngst die chinesische Sinopec groß in das Geschäft mit Ölsand eingestiegen. Der Konzern kaufte vom US-Riesen ConocoPhillips dessen Anteil von 9 Prozent am Spezialunternehmen Syncrude.

Teures Öl weckt Interesse an Sand

Das erwachte Interesse an Ölvorkommen in Sand ist vor allem der weltweit stark steigenden Nachfrage nach Energie bei zugleich schrumpfenden Ressourcen fossiler Energien geschuldet. Weil die Knappheit beim Haupt-Energielieferant Rohöl die Preise in die Höhe schnellen lässt, werden damit durch die Hintertür plötzlich Fördermethoden wie Ölsand rentabel, die zuvor noch allein schon aus Kostengründen als Nischenprojekt verkümmerten oder ganz in der energiestrategischen Schublade verschwanden.

Rohöl (Brent)
Rohöl (Brent) 88,01

Je nach Methode kostet die Herstellung eines Barrel Rohöl aus Sand zwischen 40 und 70 US-Dollar. Die Kosten sind so hoch, weil die Trennung des Öls vom Sand viel Energie und Wasser verbraucht. Zum Vergleich: Die Herstellungskosten eines Fass Rohöls in der Golfregion liegt bei günstigen Bedingungen unter 5 US-Dollar. Lohnend ist das Geschäft jedoch, weil der Preis für ein Barrel US-Leichtöl auf längere Sicht stetig steigt - von dem kurzfristigen Ausbruch bis auf über 140 US-Dollar und dem anschließenden Sturz bis unter 40 US-Dollar je Fass einmal abgesehen. Bei einem Preis von aktuell deutlich über 80 US-Dollar je Barrel ist die Ölgewinnung aus Sand selbst unter ungünstigsten Produktionsmechanismen noch immer lohnend. Von Anlegerseite gäbe es also eigentlich nichts zu meckern.

Umweltschützer sind alarmiert

An Ölsand mangelt es auch nicht - im Gegenteil. Satte 170 Mrd. Barrel Öl schlummern allein in Kanadas Sand-Staat Alberta. Mit diesen Vorkommen liegt Kanada auf dem zweiten Rang weltweit bekannter Ölvorkommen, direkt nach Saudi-Arabien und noch vor dem Irak. Genutzt werden die Vorkommen in Kanada bereits seit 1967, in großem Stil werden die Vorkommen jedoch erst seit 2003 ausgebeutet. Mittlerweile gibt es 91 aktive Förderprojekte in Alberta.

Nur vier dieser Projekte erlauben den Abbau des Sands oberirdisch, weil er nicht tiefer als 75 Meter liegt. Bei den übrigen 87 Projekten wird das Öl in unterschiedlichen aufwändigen Verfahren aus den Bodenschichten unterhalb von 75 Metern geholt. Beide Verfahren sind jedoch sehr energieintensiv - und das treibt Umweltschützern und neuerdings auch manchen Anlegern den Zorn ins Gesicht.

Der Ölsand-Tagebau Albian Sands.

Der Ölsand-Tagebau Albian Sands.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Naturschützer kritisieren die Zerstörung der Wälder, Moore, Flüsse und ganze Landschaften. Außerdem ist die Ölsandindustrie der größte Treibhausgasemittent Kanadas. Sie stößt drei- bis fünfmal mehr CO2 in die Luft als die konventionelle Erdölförderung. Für jedes produzierte Barrel synthetischen Öls werden mehr als 80 Kilogramm Treibhausgase in die Atmosphäre freigegeben.

Hinzu kommt, dass die Rohöl-Gewinnung aus Ölsand viel mehr Energie verbraucht als die Förderung aus herkömmlichen Lagerstätten. Das liegt an dem Wasserdampf, der erzeugt werden muss, um Bitumen zu verflüssigen. Als Brennstoff wird hier vorwiegend Erdgas eingesetzt. Nach einer US-Studie verbraucht die Ölsandindustrie in Kanada täglich so viel Erdgas wie für die Beheizung von vier Millionen US-Haushalten nötig ist. Um die Gas-Reserven zu schonen, steigen die Ölproduzenten teilweise auf die reichlich vorhandene Steinkohle als Brennstoff um. Das wiederum trägt zu einem noch höheren CO2-Ausstoß bei.

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(Foto: REUTERS)

So oder so verbraucht das Verfahren große Mengen an Wasser. Um ein Barrel Öl zu gewinnen, sind laut WWF zwei bis viereinhalb Barrel Wasser aus dem Athabasca-Fluss erforderlich. 90 Prozent des Wassers werden recycelt, dennoch droht der Wasserspiegel des Flusses stark zu sinken. Die Wasserentsorgung und mögliche unterirdische Umweltschäden stellen weitere Probleme bei der Rohöl-Gewinnung aus Ölsand dar.

Selbst wenn technischer Fortschritt zu einer effizienteren und ressourcenschonenderen Gewinnung von Öl aus Sand führt, bleibt der Abbau nur lohnend durch den stark gestiegenen Ölpreis. Konkreter fasst das BP-Chef Hayward im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht seines Konzerns. Darin sieht er gute Aussichten für die Ölsand-Projekte von BP, sofern der Ölpreis bis 2015 nicht weniger als 60 US-Dollar je Barrel kostet. Für ein Umdenken im Unternehmen aus ökologischen Motiven scheint die Zeit also nicht reif. Bei den Mehrheitsverhältnissen unter den Anteilseignern sieht es derweil auch nicht anders aus. Satte 94 Prozent sprachen sich im Vorfeld der Hauptversammlung gegen mehr Informationen zum Ölsand-Projekt aus. Doch immerhin: Ein Anfang ist gemacht.

Quelle: ntv.de

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