Wirtschaft

Europa im "Schweinezyklus" Griechenland ist nur der Anfang

Wenig schmeichelhaft tauften Analysten die Sorgenkinder Europas Portugal, Irland, Griechenland und Spanien kurzerhand PIGS.

Wenig schmeichelhaft tauften Analysten die Sorgenkinder Europas Portugal, Irland, Griechenland und Spanien kurzerhand PIGS.

(Foto: REUTERS)

Die Finanzwelt schaut auf Griechenland. Mit den Hoffnungen, die EU-Staaten mögen den hoch verschuldeten Hellenen unter die Arme greifen, stehen und fallen die Kurse am Devisen-, Aktien- und Anleihemarkt. Dabei überdeckt die griechische Tragödie, dass die nächsten europäischen Sorgenkinder bereits Schlange stehen. Nicht nur in Athen laufen Staatsschulden und Finanzierungsprobleme aus dem Ruder, auch Portugal, Spanien, Irland und Italien stellen die europäische Währungsgemeinschaft vor große Aufgaben.

Südstaaten-Malaise

In großen Schwierigkeiten steckt auch die Wirtschaft in Portugal. Das Staatsdefizit stieg im vergangenen Jahr nach Regierungsangaben auf 9,3 Prozent, mehr als dreimal so viel wie laut EU-Vertrag zulässig. Am Finanzmarkt machen die Portugiesen keine gute Figur. Trotz hoher Renditeaufschläge am Rentenmarkt blieben sie jüngst bei der Schuldenaufnahme auf einem Teil ihrer frischen Staatsanleihen sitzen, statt 500 flossen nur 300 Mio. Euro in die Staatskasse.

Ratingagenturen warnen bereits, ihr Urteil über die Kreditwürdigkeit des Landes zu senken, was die Möglichkeit der Schuldenaufnahme massiv erschweren würde. Portugal müsste noch höhere Zinsen an seine Gläubiger zahlen. In Zeiten, in denen laut und öffentlich über die Möglichkeit einer Staatspleite mitten in Europa gesprochen wird, scheuen Investoren zudem schwer kalkulierbare Risiken – das macht es trotz üppiger Renditeprämie für Staaten wie Portugal nicht einfacher, an frisches Geld zu kommen. Hedgefonds und andere Spekulanten wetten daher bereits auf einen Verfall der Staats-Anleihen.

Die Sparbemühungen in Portugal führen im öffentlichen Dienst zu Protesten.

Die Sparbemühungen in Portugal führen im öffentlichen Dienst zu Protesten.

(Foto: REUTERS)

Die Regierung in Lissabon hat ein unpopuläres Sparprogramm aufgelegt, das unter anderem die Beamtengehälter einfriert. Wie ernst die Lage ist, zeigt wohl auch, dass sich die größte portugiesische Oppositionspartei PSD den Sparplänen nicht in den Weg stellen will und sich bei der Abstimmung "im Namen des nationalen Interesses" enthalten will.

Sparen, sparen, sparen

Noch größere Sorgen bereitet einigen Finanzexperten die große EU-Volkswirtschaft Spanien. Seit dem Platzen der Immobilienblase liegt die ehemals boomende Bauwirtschaft des Landes brach, das in diesem Halbjahr den EU-Ratsvorsitz innehat. Die Staatsverschuldung stieg 2009 nach Regierungsangaben auf 11,4 Prozent. Auch Madrid will in den kommenden drei Jahren ein hartes Sparprogramm im Umfang von 50 Mrd. Euro umsetzen.

Für Spanien sind Vergleiche mit den Verhältnissen in Griechenland ein rotes Tuch.

Für Spanien sind Vergleiche mit den Verhältnissen in Griechenland ein rotes Tuch.

(Foto: REUTERS)

In der Gunst der großen Ratingagenturen steht Spanien derzeit noch weit oben, ein Freibrief für laxe Sparanstrengungen ist das jedoch nicht. So äußerte Fitch die Sorge, dass insbesondere auch in Spanien auf die Banken steigende Kreditrisiken zukämen. Fitch, neben S&P und Moody's eine der drei großen Ratingagenturen, war Ende vergangenen Jahres die erste gewesen, die mit der Herabstufung Griechenlands unter das wichtige Investment Grade für regelrechte Schockwellen gesorgt hatte.

Gefährlich ist die Lage auch in Irland, dessen Defizit nach EU-Angaben im vergangenen Jahr auf 12,5 Prozent hochschnellte, dem zweithöchsten Wert nach Griechenland. Grund sind auch die Rekordausgaben zur Bankenrettung. Mit umgerechnet gut 355 Mrd. Euro wendete die Regierung in Dublin vor Großbritannien und Deutschland EU-weit die meisten Mittel auf. In der Negativ-Bewertung der Analysten hat die Insel Italien abgelöst, dessen Defizit im vergangenen Jahr bei "nur" 5,3 Prozent lag.

Geschwindigkeitsprobleme

Klar ist damit: Nach Griechenland können schnell auch andere europäische Nachbarn aus dem Süden bei ihren starken Nachbarn anklopfen und die unheilvolle Losung "hilf oder stirb" ausgeben. Ja, wenn nach Unternehmen nun auch Staaten aus der Schuldenfalle gerettet werden, mag das aus systemischen Gründen ebenso unausweichlich sein wie einst bei Milliardenhilfen für wankende Banken. Ja, die Signalwirkung solcher Hilfen für künftige Haushaltsdisziplin wird im Zweifel verheerend sein. Doch das viel größere Dilemma der europäischen Währungsgemeinschaft liegt tiefer.

Ohne schmerzhafte Haushaltsdisziplin in den chronisch hoch verschuldeten Ländern steht die Euro-Zone schon mittelfristig vor der Zerreißprobe. Je stärker Staatsschulden und Arbeitslosigkeit in der Krise in den Himmel wachsen, umso immenser müsste der dann folgende Wirtschaftsaufschwung ausfallen, um realwirtschaftlich und fiskalisch wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Wenn die Zeiten der Niedrigzinsen einmal vorbei sein werden, sind es Staaten mit straffen Strukturen, die wieder Anschluss an die Weltwirtschaft finden werden. Dem Begriff des "Europa der zwei Geschwindigkeiten" würde dann über die Unterschiede beim Wirtschaftswachstum eine schmerzhafte neue Bedeutung zukommen, die eine Einheitswährung nicht dauerhaft aushält. Doch anders als bei Staatshilfen brauchen Regierungen bei schmerzhafte Reformen nicht die politische Unterstützung der europäischen Nachbarn, sondern das Wohlwollen ihrer Bürger - wahrlich keine leichte Aufgabe.

Quelle: ntv.de

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