Wirtschaft

14 Jahre sinkende Aktienkurse Droht der Crash der Demografie?

Wie wirkt sich die demografische Entwicklung in den Industriestaaten auf die Börsen aus? Die US-Notenbank hat genau hingeschaut und festgestellt: Die jüngsten Verluste an den Aktienmärkten könnten erst der Anfang gewesen sein. Schuld ist die Generation der Babyboomer.

Normalerweise gehört es nicht gerade zu den Kernaufgaben einer Notenbank, sich zu künftigen Kursentwicklungen an den Aktienmärkten zu äußern. Umso interessanter ist es, wenn sie es doch einmal tut. In diesem Fall ist es der lokale Ableger der US-Notenbank Federal Reserve aus San Francisco, der sich mit einer ebenso kurzen wie prägnanten Studie zu Wort meldet.

Dass die Gesellschaft immer älter wird, wirkt sich auch auf die Finanzmärkte aus.

Dass die Gesellschaft immer älter wird, wirkt sich auch auf die Finanzmärkte aus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Konkret geht es um einen Punkt, der ohnehin viel zu wenig beachtet wird, nämlich: Wie wird sich die demographische Entwicklung in den Industriestaaten auf die Börsen auswirken?

Es geht also um die Tatsache, dass die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1946 und 1964 langsam aber sicher in Rente gehen. Dies hat auf die Finanzmärkte zwei wichtige Einflüsse. Erstens fallen die Babyboomer als aktive Verbraucher aus, da nachweislich im Alter weniger Geld ausgegeben wird als in den "mittleren Jahren" zwischen 40 und 50. Zweitens wird mit zunehmendem Alter auch die Geldanlage konservativer, das heißt: Raus aus Aktien, rein in festverzinsliche Anlagen, die eine (vermeintlich) sichere und stetige Rendite garantieren.

Babyboomer gehen in Rente

Genau diesen zweiten Punkt hat sich die FED aus San Francisco jetzt näher angeschaut. Die Forscher kommen zu dem Schluss: In der Vergangenheit gab es einen verblüffend engen Zusammenhang zwischen dem Kurs-Gewinn-Verhältnis von amerikanischen Aktien und der Entwicklung der geburtenstarken Jahrgänge. Je mehr Amerikaner sich in dem Alter von 40 bis 49 befanden, in dem die Aktienanlage verbreitet ist, desto höher war das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das amerikanische Aktien aufwiesen.

Fakt ist aber, dass die Babyboomer nun aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Damit verschiebt sich das Verhältnis deutlich zu Gunsten der Älteren. In der Grafik äußert sich das in einem sinkenden M/O ratio, der roten Linie. Darin wird die Zahl der 40-49jährigen (M wie middle age) zu den 60-69jährigen (O wie old) ins Verhältnis gesetzt. Je höher die Linie, desto mehr aktienaffine Amerikaner mittleren Alters gibt es im Verhältnis zu den Alten. Seit etwa dem Jahr 2000 fällt diese Linie jedoch.

Die blaue Linie stellt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis des amerikanischen Aktienmarktes dar. Man erkennt auf den ersten Blick, dass beide Linien seit mehr als 50 Jahren einen hohen Gleichlauf aufweisen.

Auf dieser Basis malen die Forscher nun ein ziemlich düsteres Bild für die Zukunft. Ihre Gleichung lautet: Mehr Alte gleich niedrigeres KGV für Aktien. Konkret kommen sie zu der Prognose, dass das durchschnittliche KGV von 15 in 2010 auf nur noch 8,3 in 2025 sinken könnte. Bei gleichbleibenden Gewinnen würde das also fast eine Halbierung der Aktienkurse bedeuten. Selbst wenn die Unternehmen es schaffen sollten, ihre Gewinne zu verdoppeln, würden die Kurse lediglich stagnieren. So gesehen könnten die jüngsten Verluste erst der Anfang einer langen Abwärtsbewegung gewesen sein.

Aber wie stehen überhaupt die Chancen auf deutlich steigende Unternehmensgewinne? Nicht besonders gut, wenn wir dem US-Demografieforschers Harry Dent glauben. Seine Untersuchungen zeigen, dass US-Amerikaner in der Altersspanne zwischen 45 und 50 Jahren am meisten Geld ausgeben – sowohl für den Konsum als auch für Investitionen. In der Jugend fehlen ihnen schlicht die finanziellen Mittel. Im Alter sind die wichtigsten Investitionen bereits getätigt. Genau diese ausgabenfreudige Altersklasse zwischen 45 und 50 wird in den nächsten Jahren zahlenmäßig rapide kleiner. Babyboomer fallen also nicht nur als Aktienkäufer aus, sondern auch als aktive Verbraucher. Das gilt im Übrigen nicht nur für die USA, sondern für nahezu alle entwickelten Industrieregionen. In Deutschland beispielsweise lag der historische Spitzenwert der Geburten nur wenige Jahre später als in den USA, in den frühen 60er Jahren. Seitdem haben die Geburtenzahlen sogar noch stärker abgenommen als in Übersee. Die Hoffnung, dass die Europäer künftig also in rauen Mengen amerikanische Aktien kaufen und damit deren Bewertungen stützen, kann man getrost abschreiben.

Zahlen machen nachdenklich

Und was ist mit den Schwellenländern? Sollten nicht die Südamerikaner oder die Einwohner der aufstrebenden Staaten in Asien Gefallen an amerikanischen Blue Chips finden? Zu einem gewissen Teil ist dies durchaus denkbar. Allerdings zeigt die Finanzmarktforschung, dass Anleger in allen Ländern einem sogenannten "Home Bias" unterliegen. Sie kaufen also bevorzugt Aktien von Unternehmen aus dem eigenen Land oder zumindest der eigenen Region. Auch von dieser Seite ist demnach nicht die ganz große Unterstützung zu erwarten.

Drohen also tatsächlich 14 Jahre lang sinkende Bewertungen und damit sinkende Aktienkurse in den USA? Nun, sicher nicht automatisch und auch nicht kontinuierlich. Doch die Zahlen machen nachdenklich und sprechen nicht gerade für langfristig steigende Kurse.

Welche Auswege bleiben

Für den deutschen (oder den amerikanischen) Anleger bleibt ein Ausweg: Er müsste seinen eigenen "Home Bias" überwinden und sich gezielt auf die Suche machen nach Aktien aus Anlageregionen, in denen die Demographie intakt ist. Oder er sucht nach Unternehmen hierzulande, die von den Veränderungen der Demographie profitieren.

Roland Klaus arbeitet als freier Autor in Frankfurt/Main. Für den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von 2004 bis 2009 von der Frankfurter Börse. Bekannt wurde er durch seine fast zehnjährige Tätigkeit als Moderator und Börsenreporter für die Telebörse auf n-tv.

In seinem neuen Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung" analysiert Klaus den Zustand des Finanzsystems und liefert praktische Ratschläge für Geldanlage und Vermögenssicherung.

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Quelle: ntv.de

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