Wirtschaft

Fünf Wahrheiten über den Euro, Teil 5 Deutschland muss Zahlmeister sein

Griechenland ist die Wiege Europas - und nun auf Hilfe angewiesen.

Griechenland ist die Wiege Europas - und nun auf Hilfe angewiesen.

(Foto: dpa)

Von der Zukunft des Euro und der EU hängt das Wohlergehen Deutschlands ab. Politisch und wirtschaftlich. Nur in einer starken Gemeinschaft können wir im globalen Wettbewerb bestehen und haben überhaupt die Chance, Einfluss auf die internationalen Regeln zu nehmen. Deutschland sollte deshalb so egoistisch sein, sich Europa etwas kosten zu lassen.

Ach, wäre es nicht manchmal einfacher ohne Euro, EU und diesen anstrengenden Abstimmungsprozess in Europa? Das Bürokratiemonster in Brüssel? Deutschland macht weniger Schulden als andere EU-Länder, ist wirtschaftlich stark, hatte mit der D-Mark eine schöne Währung und wenn die politischen Entscheidungen nicht mehr in Brüssel, sondern nur noch in Berlin getroffen würden, wäre das für die Demokratie und den Einfluss der Wähler doch ebenfalls besser. Warum nicht also ein "Ende mit Schrecken" anstatt "Schrecken ohne Ende"? Weil erstens es Deutschland ohne die Gemeinschaft Europas längst nicht so gut ginge. Und weil zweitens eine Zukunft ohne Euro und EU in der Welt ziemlich düster wäre.

Wer über Europa redet, kommt nicht ohne Geschichte aus. Es ist nun einmal so: Die europäische Einigung ist eine Lehre aus der Vergangenheit eines Kontinents, der über Jahrhunderte in Kriegen versank. Einst musste jede neue Generation in einen neuen Krieg ziehen. Das ist heute weit weg und nur noch schwer vorstellbar. Doch aus diesem Grund hat alles begonnen. Und ohne sich die historische Dimension von bald 70 kriegsfreien Jahren in EU-Europa zu vergegenwärtigen, ist der große Wert dieses friedlichen Europas nicht verständlich.

Die Bändigung Deutschlands

An erster Stelle stand dabei stets die Einbindung Deutschlands, das für zwei Weltkriege mit- beziehungsweise hauptverantwortlich war. Das größte Land des Kontinents sollte an seinen früheren Erzfeind Frankreich gebunden werden, um diese Feindschaft ein für allemal zu beenden. Deshalb begann die wirtschaftliche Verflechtung, zuerst mit den rüstungsrelevanten Industrien wie Kohle und Stahl. Es folgten weitere Länder und weitere Wirtschaftsbereiche, Europa wurde eine Zollunion und schließlich ein einheitlicher Binnenmarkt. Ein Schritt folgte dem anderen, oft als notwendige Konsequenz auf den vorangegangenen. Mit der wirtschaftlichen Verflechtung etwa wuchs auch die politische Union. Ein gemeinsamer Markt braucht schließlich gemeinsame Regeln und eine abgestimmte Politik. Und der Erfolg gab Europa Recht.

Die wirtschaftliche Integration wurde von Anfang an von der Idee einer einheitlichen Währung begleitet. Von ihr versprachen sich Europas Politiker leichteren Handel und stabilere Wechselkurse. In den 1970er Jahren scheiterte zwar noch der Europäische Wechselkursverbund. Doch in den 80ern wuchs das Europäische Währungssystem heran und mit dem ECU wurde zumindest auf dem Papier erstmals eine gemeinsame Währung geboren. Als Deutschland dann 1989 vor der Wiedervereinigung stand, machte Frankreichs Präsident François Mitterand die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion zur Bedingung für das Ende der deutschen Teilung. Damit war der Grundstein für den Euro gelegt, dessen Einführung 1998 besiegelt wurde.

Unumstritten war dabei stets die Rollenverteilung: Deutschland akzeptierte die Einbindung, die Rücksichtnahme auch auf kleinere Staaten, und als größtes Land schulterte es auch die größten Lasten. Schließlich profitiert die deutsche Wirtschaft im Vergleich auch am stärksten vom gemeinsamen Markt. Doch je weiter weg der Krieg rückte, je größer die Gemeinschaft wurde, umso unwilliger wurden die deutschen Zahlmeister. Gerhard Schröder muckte als Kanzler schon hörbar auf. Im Angesicht der Schuldenkrise stellt nun die schwarz-gelbe Bundesregierung die Finanzierungsfrage. Selbst die gemeinsame Währung wird offen von FDP und CSU in Frage gestellt.

Fixiert auf den Geldbeutel

Das Problem: Die derzeitige Debatte ist sehr einseitig auf die kurzfristigen Auswirkungen der Euro-Hilfen auf den Geldbeutel der Deutschen ausgerichtet. Langfristiger Nutzen und nachhaltige Stabilität werden ausgeblendet, weil sie auch schwerer zu messen sind. Über die Kosten wird der Nutzen ganz vergessen. Nicht nur der friedensstiftende, historisch betrachtet. Sondern auch der konkrete, alltäglich wirtschaftliche. Und der Blick in die Zukunft.

Auch bei der Frage der Euro-Hilfen geht es um Solidarität. Nicht im Sinn eines uneigennützigen Zahlmeistertums. Sondern um den Ausgleich dafür, dass der gemeinsame Wirtschafts- und Währungsraum der deutschen Wirtschaft große Vorteile beschert. Oder wollen wir es vielleicht allein versuchen? Den ungeschützten Wettbewerb auf dem Weltmarkt können wir auch ohne Europa bekommen. Die stärkende Gemeinschaft im Rücken aber, die gibt es nur mit Solidarität. Egal wie abgedroschen der Begriff für manchen klingen mag. Und zur Solidarität gehört es auch, mit Geld den Schwächeren unter die Arme zu greifen.

Es ist ein Irrtum zu glauben, die EU sei keine Transferunion. Das ist sie schon seit längerem, wie Agrar- und Strukturfonds belegen. Wenn die Summen auch längst nicht so gigantisch waren wie nun beim Euro-Rettungsfonds und den Griechenland-Hilfen. Der Gedanke der gegenseitigen finanziellen Hilfe war schon früh in der EU verankert.

"Wirtschaft brauch den Euro"

So groß bereits die Risiken eines Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone sind, so fatal sind die Aussichten auf ein Ende der Gemeinschaftswährung. "Die europäische Wirtschaft braucht den Euro", bekräftigte voller Sorge Siemens-Chef Peter Lösche seine Unterstützung für die Gemeinschaftswährung. Er mag sich gar nicht vorstellen, wie viel schlimmer Deutschland von der Finanzkrise ohne den Euro getroffen worden wäre. Abgesehen davon würde ein Ende der gemeinsamen Währung die Europäische Union als Ganzes in eine tiefe Krise stürzen - nicht nur wirtschaftlich. Auch politisch wäre das Einigungsprojekt eines Kontinents am Ende, die Fliehkräfte unabsehbar.

Und wie wollte Deutschland allein in der Welt bestehen? Wie wollen wir uns im Wettbewerb mit China, Indien, Brasilien, den USA oder Russland politisch und wirtschaftlich behaupten? Wie die Finanzmärkte stärker an die Leine nehmen, ohne die Macht des EU- und Euro-Wirtschaftraums im Rücken? Nein, ein Zurück zum Nationalstaat bietet eine wenig attraktive Perspektive. Erst recht, wenn Europa den Anspruch hat, sich weltweit für Frieden, Wohlstand, Stabilität, aber auch Demokratie und Menschenrechte einzusetzen. Wenn wir wirtschaftlich im globalen Wettbewerb bestehen wollen, brauchen wir den Euro. Wenn wir politischen Einfluss in der Welt nehmen wollen, brauchen wir die EU.

Was bedeutet das für die aktuelle Krise?

Wenn der Nationalstaat mitsamt nationaler Währung keine Alternative ist, kann die Lösung der aktuellen Krise nur ein mehr an Gemeinschaft sein. Die Europäische Union im Allgemeinen und die Euro-Zone im Besonderen müssen zukunftstauglich werden. Das heißt im Moment vor allem, die Verschuldung zu bekämpfen. Ob mit oder ohne gemeinsame Euro-Anleihen: Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik müssen stärker aufeinander abgestimmt und eines Tages vergemeinschaftet werden. Der Stabilitätspakt für den Euro gehört reformiert und verschärft, damit dauerhaft hohe Verschuldung für Staaten als Option entfällt. Dabei dürfen ruhig Sanktionen wie Stimmrechtsentzug oder Streichung aller EU-Zahlungen diskutiert werden.

Eine weitere Reform der EU ist also notwendig, die neben den Währungs- auch die Demokratie-Defizite beheben muss. Dafür ist aber eine Vision von einem zukünftigen Europa notwendig. Daran mangelt es derzeit nicht nur der deutschen Regierung. Und es bedarf auch der politischen Führung, zumindest eines starken politischen Willens. CSU und FDP lassen beides bislang nicht erkennen, ihr Blick ist auf die Geldbeutel, Umfragen und Wahlurnen gerichtet. Einzelne Minister aus der CDU geben dagegen Anlass zur Hoffnung: Neben Wolfgang Schäuble als beständigen Mahner forderten auch Ursula von der Leyen und Norbert Röttgen ein mehr an Europa als Reaktion auf die Krise. Röttgen forderte gar eine intellektuelle und emotionale Offensive der Regierung: Es gehe für Deutschland nicht um Preisgabe oder Kapitulation, sondern um die Selbstbehauptung der Nation durch internationalen Zusammenschluss.

Quelle: ntv.de

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