Wirtschaft

Der Tag der Wahrheit naht Deutsche Bank muss liefern

Nicht im luftleeren Raum: Die Deutsche Bank will künftig nachhaltige Geschäfte machen - "für unsere Kunden und Mitarbeiter, unsere Aktionäre und die Gesellschaft".

Nicht im luftleeren Raum: Die Deutsche Bank will künftig nachhaltige Geschäfte machen - "für unsere Kunden und Mitarbeiter, unsere Aktionäre und die Gesellschaft".

(Foto: Reuters)

Hat die Finanzbranche das Tal der Tränen durchschritten? An der Wall Street verbuchen die Großbanken längst wieder prächtige Gewinne. Kurz vor der Zahlenvorlage der Deutschen Bank fragen sich Analysten: Kann die Deutsche Bank da wirklich mithalten?

Deutsche Bank
Deutsche Bank 14,80

Das wird nicht einfach für die Deutsche Bank. Mit einer Serie unerwartet starker Zwischenbilanzen hat die Konkurrenz aus der internationalen Bankenbranche hohe Erwartungen geweckt. Wenn das größte Geldhaus Deutschlands nun seine Zwischenbilanz vorlegt, liegt die Messlatte enorm hoch. Entsprechen groß ist das Enttäuschungspotenzial am Markt. Kann die Deutsche Bank die Erwartungen erfüllen?

Der Start ins Jahr verlief zumindest vielversprechend. Die Ergebnisse aus dem ersten Quartal fielen besser aus als gedacht. Auch für das zweite Quartal rechnet die Mehrheit der Experten fest mit einem Gewinnsprung: Der Vorsteuergewinn für den Zeitraum April, Mai und Ende Juni dürfte um die 1,4 Milliarden Euro liegen, lautet die Durchschnittsprognose der im Vorfeld befragten Analysten. Das wären knapp 50 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Überschuss dürfte den Einschätzungen der Experten zufolge um 13 Prozent auf 741 Millionen Euro steigen.

Die Hoffnung auf große Zuwächse stützt sich in Teilen auf die Statistik: Ein Jahr zuvor hatte die Zuspitzung der Euro-Schuldenkrise die Kapitalmärkte verunsichert. Anleger und Unternehmen hielten sich mit Geschäften zurück, was den Investmentbanken schwer zu schaffen machte. Kurz: Es lief insgesamt eher schlecht. Vor diesem Hintergrund müsste es der Deutschen Bank eigentlich vergleichsweise leicht fallen, die Zahlen aus dem Vorjahreszeitraum zu übertreffen. Die überaus optimistischen Vorhersagen machen es der Bank jedoch auch schwer, die prognostizierten Zielmarken zu toppen und enttäuschte Reaktionen am Markt zu vermeiden.

Börsianern kämen eine positive Überraschung sehr gelegen: Seit Monaten dümpelt der Aktienkurs der Bank in der Nähe der 35-Euro-Marke. Ein Blick auf die Charts zeigt: Die großen Kurseinbrüche der Finanzkrise sind für die Deutsche Bank noch immer nicht überwunden. Eine überraschend starke Zwischenbilanz dürfte der Aktie den von machen Anleger erhofften Rückenwind verleihen.

Anfang Juni sprach Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain immerhin bereits von soliden Geschäften im Investmentbanking. In den ersten beiden Monaten des zweiten Quartals habe die Bank in allen Bereichen leicht zugelegt. Allerdings sorgten die Diskussionen über ein baldiges Ende der ultralockeren US-Geldpolitik für neue Unsicherheit an den Märkten. In Europa erschwert unterdessen die anhaltende Niedrigzinsphase das klassische Kreditgeschäft. Bei den Wettbewerbern lief dagegen das schwankungsanfällige Investmentgeschäft besser als vor Jahresfrist. Für die Deutsche Bank heißt das: Die Profitmaschinen an der Wall Street setzen die deutsche Nummer eins mit ihren Milliardengewinnen unter Zugzwang.

Dazu kommen nicht wenige Unwägbarkeiten und schwer vorhersehbaren Risiken, denen die Deutsche Bank durch eine ungewöhnliche Maßnahme endgültig einen Riegel vorschieben will: Die Konzernführung schwört die weltweit knapp 100.000 Mitarbeiter auf eine Art ethisches Koordinatensystem ein.

Die sechs Gebote

Die Werte der Deutschen Bank

"Kulturwandel" im Finanzsektor: Im Sommer 2013 schwört die Deutsche Bank ihre weltweit knapp 100.000 Mitarbeiter auf sechs "Werte und Überzeugungen" ein.

  • Integrität
  • Nachhaltige Leistung
  • Kundenorientierung
  • Innovation
  • Disziplin
  • Partnerschaft

"Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise machen einen langfristigen Wandel der Unternehmenskultur im Finanzsektor zwingend erforderlich." (Quelle: db.com)

Im Sommer 2013 - knapp fünf Jahre nach dem Zusammenbruch des legendären Wettbewerbers Lehman Brothers und dem Ausbruch der schlimmsten Erschütterungen an den Märkten seit mehreren Jahrzehnten - verpflichtet der Dax-Konzern seine Angestellten auf sechs "Werte und Überzeugungen": Künftig sollen Begriffe wie Integrität, nachhaltige Leistung, Kundenorientierung, Innovation, Disziplin und Partnerschaft bei der Deutschen Bank die Richtung vorgeben.

Aus reiner Menschenliebe tut die Bank das nicht: Es geht stattdessen knallhart um das Geschäft und um die Frage, welche langfristigen Risiken einer Bank durch fragwürdige Geschäftspraktiken entstehen können. Denn dass sich moralisch zweifelhafte Aktivitäten in der Bilanz niederschlagen können, weiß die Bank mittlerweile nur zu gut. Beobachter halten die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten - vom Kirch-Prozess über den Libor-Skandal bis zu Hypothekengeschäften aus der Zeit vor der Finanzkrise - derzeit für die größten Unwägbarkeiten bei der Deutschen Bank. Bisher hat die Bank für Rechtsrisiken rund 2,6 Milliarden Euro zurückgestellt - gutes Geld, das im Kerngeschäft schmerzlich vermisst wird.

Auf Geschäfte verzichten

Wie teuer die Schatten der Vergangenheit mitunter werden können, zeigt das Beispiel der UBS: Bei der Aufarbeitung des Hypothekenskandals in den USA entgehen die Schweizer einer möglichen Bestrafung offenbar nur durch einen kostspieligen Vergleich. Im Klartext: Die UBS legt lieber 885 Millionen hart erarbeitete Dollar auf den Tisch, als sich dem Risiko einer weiteren Aufarbeitung durch US-Aufseher auszusetzen. Eine Strafe wäre im Fall einer Anklage womöglich deutlich teurer gekommen. Risiken dieser Art will und muss die Deutsche Bank nun eliminieren.

Auch im Kontakt mit Politik, Aufsehern und Kunden muss sich das Haus darum bemühen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Einen echten "Kulturwandel" haben die beiden Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen bereits im vergangenen September in Aussicht gestellt. Jetzt muss die Bank beweisen, wie ernst sie es wirklich mit den neuen Leitlinien meint. Der Betriebsrat der Deutschen Bank sieht jedenfalls noch reichlich Klärungsbedarf. In der Praxis gehöre zu einem Kulturwandel auch, "dass man tatsächlich auf das eine oder andere Geschäft verzichtet", erklärte Gesamtbetriebsratschef und Aufsichtsratsvize Alfred Herling. Es müsse genau geklärt werden, wie Verstöße gegen die aufgestellten Werte geahndet werden sollen.

Zu viel oder zu wenig Polster?

Neben dem neuen Werte-Kanon bleibt die Kapitalausstattung der Bank ein Dauerthema: Hier stehen Jain und Fitschen von verschiedener Seite unter Druck. Zuletzt sorgte ein Bericht der "Financial Times" für Aufsehen, demzufolge die Bank ihre Bilanzsumme beschneiden wolle, um den neuen regulatorischen Vorgaben im Rahmen von Basel III zu genügen. Die Spekulationen warfen Fragen zur Krisenfestigkeit der Deutschen Bank auf. Erst Mitte Juni kritisierte ein US-Aufseher eine aus seiner Sicht unzureichende Kapitalausstattung der Deutschen Bank. Die Bank sei "schrecklich unterkapitalisiert", hatte es geheißen.

Eigentlich sollte das Thema Kapitalausstattung längst vom Tisch sein: Mit der drei Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung von Ende April wollte die Deutsche Bank die Kritik an den Kapitalpuffern aus der Welt schaffen. Doch kaum war die Kernkapitalquote aufpoliert, geriet die Verschuldungsquote ("Leverage Ratio") ins Visier. Bei dieser Kennzahl setzen Analysten das Eigenkapital pauschal in Beziehung zu den Anlagen. Beobachter gehen davon aus, dass die Deutsche Bank zur Vorlage der Zwischenbilanz auch einen Plan zur Verbesserung ihrer Verschuldungsquote vorlegen wird.

Insgesamt überwiegt am Markt die Zuversicht: Das Institut dürfte gute Resultate für das zweite Quartal vorlegen, schrieb Analyst Philipp Häßler in einer aktuellen Studie. Ein starkes Investmentbanking dürfte die im Jahresvergleich leicht gestiegenen Kosten mehr als ausgleichen. Zudem dürfte die Deutsche Bank weitere Marktanteile im Investmentbanking gewinnen. Häßler rät zum Einstieg, das mittelfristige Kursziel sieht er bei 44 Euro. Er liegt damit im oberen Bereich der Erwartungsspanne.

Andere Analysten äußerten sich im Vorfeld vorsichtiger: Goldman-Sachs-Experte Martin Leitgelb zum Beispiel verwies auf die jüngsten Trends im Privatkundengeschäft sowie die Entwicklung der Umsätze aus dem Investmentbanking. Das Kursziel stockte Leitgelb zuletzt nur geringfügig auf. Es liegt nun bei 35,50 Euro. Goldman Sachs rät weiterhin zum Verkauf.

Hinweis: Die Deutsche Bank hat ihren Zwischenbericht zum zweiten Quartal am 30. Juli vorgelegt.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen