Wirtschaft

So rechnen sich Finanzhäuser reich Am Ende gewinnt immer die Bank

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(Foto: REUTERS)

Sie können es noch: Auch inmitten der ausufernden Staatsschuldenkrise und großer konjunktureller Unsicherheit präsentieren sich Finanzschwergewichte der Wall Street als Gelddruckmaschinen. Die Geldvermehrung ist aber nicht das Ergebnis guter Geschäfte.

Als wäre nichts gewesen, hat die US-Großbank JP Morgan auch im dritten Quartal einen satten Gewinn verbucht. Dabei sind die dramatischen Kurseinbrüche und die Rückkehr von Konjunkturangst alles andere als spurlos an der Bank vorüber gegangen: Um rund ein Drittel sind die Erträge im Investmentbanking eingebrochen. Dass der Gewinn der Bank im Vergleich zum Vorjahresquartal unter dem Strich dennoch nur um vier Prozent gefallen ist, liegt laut JP Morgan unter anderem an einem gut laufenden Privatkundengeschäft. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Ein Milliardenanteil des Vorsteuergewinns ist das Ergebnis trickreicher Bilanzierung - und JP Morgan dürfte damit unter den US-Finanzriesen auch im jüngsten Quartal nicht allein sein. Unter den Geldhäusern sind solche Sondergewinne Gang und Gäbe.

In den Bilanzen der Banken tauchen die Sondererträge unter dem harmlos anmutenden Titel "Debit Valuation Adjustment" auf. Diese "Wertanpassung von Schulden" bewertet Schuldpapiere der Bank neu, mit denen sie bei Investoren Geld eingesammelt hat, also insbesondere Anleihen. Das Kuriose: Je schlechter die Märkte die Bank einstufen, umso höhere Gewinnbeiträge darf die Bank ausweisen. Bei JP Morgan sorgte dies jüngst für einen Beitrag von satten 1,9 Mrd. US-Dollar.

Rezept für Luftgewinne

Und so funktioniert der Finanzzauber: Wenn Banken Geld für ihr Geschäft benötigen, können sie dies unter anderem bei Investoren einsammeln. Dabei können sie Aktionäre ins Boot holen, die für ihr Geld (Eigenkapital) mit schwankenden Dividenden belohnt werden und in schlechten Zeiten auch ohne Ausschüttung leben müssen. Eine andere Möglichkeit wäre die Ausgabe von Schuldtiteln, also zum Beispiel einer Anleihe (Fremdkapital), die ihren Käufern unabhängig vom Erfolg der Bank Zinsen bringt und am Ende einer festen Laufzeit zurückgezahlt wird.

Ist das Geld einmal eingesammelt, werden Aktien ebenso wie Anleihen frei am Markt gehandelt. Je nach Marktlage sind sie mal mehr, mal weniger wert. Aktien oder Anleihen stehen aber nicht nur auf den Depotabrechnungen ihrer Geldgeber, sondern auch in der Bilanz der Bank. Anders als auf der Depotabrechnung der Investoren, die eine eindeutige Sprache spricht, räumen die Bilanzierungsregeln den Banken große Spielräume ein, mit welchem Wert sie einzelne Positionen in der Bilanz angeben. Das gilt insbesondere auch für eigenen Schulden - und hier beginnt der eigentliche Trick:

Anleihen, mit denen sich Banken verschuldet haben, dürfen die Finanzhäuser in jeder Quartalsbilanz zu den jeweils aktuellen Marktpreisen in die Bilanz schreiben. Das besagt die so genannte Fair Value Option, die 2005 für die Bilanzierung von Finanzwerten eingeführt wurde. Für die Finanzhäuser hat das spürbare Auswirkungen: Verlieren Anleger nun das Vertrauen in die Solidität einer Bank, sinkt am Markt die Nachfrage nach den Anleihen der Bank und ihr Preis fällt. Je tiefer der Kurs einer Anleihe fällt, umso größer ist das Misstrauen am Markt, dass die Bank die Papiere vielleicht nicht zurückzahlen kann. In der Bilanz der Bank schlägt sich just dieses sinkende Vertrauen aber in Gewinnen nieder: Sinkt nämlich der Preis einer Anleihe von einem Quartalsstichtag zum nächsten, dann darf die Bank in dieser Höhe einen Gewinn verbuchen, weil auf dem Papier die Schulden der Bank gesunken sind - schließlich sind die Anleihen ja weniger wert.

Bumerang-Effekt

Die Rechnung für diesen Trick bekommt die Bank jedoch früher oder später mit Sicherheit: Jede gewöhnliche Anleihe muss am Ende ihrer Laufzeit zum vollen Wert an die Geldgeber zurückgezahlt werden, sonst gilt dies als Zahlungsausfall und die Bank wäre quasi pleite. Hat die Bank sich in früheren Quartalen jedoch wegen niedriger Anleihekurse reich gerechnet und ihre Anleihen entsprechend billig in den Büchern stehen, muss sie spätestens mit der Rückzahlung wieder den vollen Wert ansetzen, denn das ist der Preis, den die Anleger für ihre Anleihe erwarten. Auf einen Schlag muss die Bank dann die Anleihen zum vollen Wert beziffern und dieses Manöver als Belastung ausweisen. Die Scheingewinne der früheren Quartale werden damit zum Verlust-Bumerang.

Banken wetten mit der Fair-Value-Bilanzierung ihrer Schulden also auf bessere Zeiten. In der Krise verschafft sie ihnen phantastische Gewinne. Entspannt sich die Lage an den Märkten wieder, dürfte diese Erholung zwar auch die Anleihekurse der Banken mit nach oben ziehen und entsprechende Scheinverluste für die Banken mit sich bringen. Doch die Finanzhäuser setzen darauf, dass sie dann längst wieder in der Lage sein werden, mit ihrem eigentlichen Geschäft satte Erträge zu erzielen. Dann fallen Verluste von Bilanzspielchen nicht mehr stark ins Gewicht. Auf der Strecke geblieben ist in der Zwischenzeit jedoch nicht weniger als ein Stück Klarheit, wie es um die Finanzen der Banken tatsächlich bestellt ist.

Quelle: ntv.de

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