Wirtschaft

Haircut für Deutschland Als Athen die Schulden strich

Unterzeichnung der Verträge zur Regelung der deutschen Auslandsschulden am 27. Februar 1953.

Unterzeichnung der Verträge zur Regelung der deutschen Auslandsschulden am 27. Februar 1953.

(Foto: dpa)

Griechenland hängt am Tropf Deutschlands und der anderen reichen EU-Länder. Aber auch die Bundesrepublik brauchte schon einmal internationale Finanzhilfe: 1953 wurde Deutschland entschuldet - unter anderem war Griechenland beteiligt.

Viele Deutsche fühlen sich vom hoch verschuldeten Griechenland geschröpft - sie empfinden sich als Zahlmeister. Was kaum einer weiß: Vor gar nicht allzu langer Zeit ging es Deutschland finanziell selbst so schlecht, dass es international entschuldet werden musste. Am 27. Februar 1953 unterzeichneten zahlreiche Länder das Londoner Schuldenabkommen - darunter auch Griechenland.

"Damals hat man uns geholfen, das muss man den Menschen schon mal ins Gedächtnis rufen", findet Historikerin Ursula Rombeck-Jaschinski von der Uni Düsseldorf. "Als Staat kann man immer mal in Situationen kommen, in denen man auf die Hilfe anderer Staaten angewiesen ist."

Ohne Verhandlungen unterschrieben

Das Abkommen über die deutsche Auslandsverschuldung wurde in London zwischen Deutschland und Vertretern der USA, Großbritanniens und Frankreichs geschlossen. Anwesend waren Beobachter und Vertreter aus mehr als 20 weiteren Staaten für rund 60 Gläubigerstaaten. Griechenland habe das Abkommen zwar unterschrieben, sei aber nicht an den Verhandlungen beteiligt gewesen, sagt Rombeck-Jaschinski.

Unter anderem hatte das Deutsche Reich mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 sämtliche Zahlungen an englische und französische Gläubiger eingestellt. Seit der Kriegserklärung an die USA 1941 war auch auf amerikanische Konten kein Geld mehr geflossen. Nach dem Krieg wollte die Staatengemeinschaft die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Gläubigerstaaten wiederherstellen. Dabei ging es vor allem auch um die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik. Mithilfe des Londoner Abkommens sollten Deutschlands Schulden beseitigt werden. Verhandelt wurde über 13,5 Milliarden D-Mark, davon erließ die Staatengemeinschaft 6,2 Milliarden.

"Auch die Hälfte der Schulden war schon an der Schmerzgrenze", erläutert Werner Abelshauser, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Uni Bielefeld. Doch dann kam das Wirtschaftswunder, Deutschland florierte. "Weil die Deutschen wider Erwarten reich geworden waren, konnten sie vorzeitig ihre Schulden zurückbezahlen", sagt der Experte. Dank des Abkommens sei die Bundesrepublik wieder voll kreditfähig gewesen. Die Hauptkonferenz begann Anfang 1952. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) hatte den Finanzfachmann Hermann Josef Abs zum Delegationsleiter ernannt.

Weniger Emotionen

Ein direkter Vergleich mit Griechenlands derzeitiger Lage ist nach Ansicht des Historikers Ekkehard Kraft aber schwierig. "Es ist eine ähnliche Situation, die aber in einem ganz anderen historischen Kontext steht - die damalige Situation war durch den Krieg bedingt." Trotzdem glaubt der Griechenland-Experte: "Wenn das Londoner Abkommen bekannter wäre, würden die Deutschen in Bezug auf Griechenland vielleicht etwas weniger überheblich sein - sie wüssten dann, dass es auch hier schon einmal ähnlich war." Die Diskussion um Griechenland würde vielleicht etwas sachlicher und weniger emotional geführt werden, vermutet Kraft.

Auch Abelshauser sieht gravierende Unterschiede zwischen Deutschland nach dem Krieg und Griechenland heute. "Die Deutschen waren zwar arm, aber sie waren nicht unterentwickelt", sagt er. "Sie hatten keine maroden Institutionen, wie es in Griechenland bekanntlich der Fall ist." Was müssten die Griechen denn tun, wenn sie sich an dem historischen Vorbild orientieren wollten? Dann müssten sie nach Ansicht des Experten aus der Euro-Zone austreten und die Drachme entscheidend abwerten. "Dann müssten sie mit den Gläubigern um einen Schuldenerlass verhandeln. Aber das tun sie ja nicht." Die Griechen wollten gar nicht entschuldet werden.

Das Londoner Abkommen war damals umstritten. "Viele befürchteten anfangs, Deutschland könne das vielleicht gar nicht alles bezahlen", sagt Historikerin Rombeck-Jaschinski. Angesichts der Milliardenlasten war die Stimmung vor Abschluss der Verhandlungen recht pessimistisch - wie eine Bemerkung des damaligen Finanzministers Fritz Schäffer (CSU) an den Delegationsleiter zeigt: "Herr Abs, wenn Sie es schlecht machen, werden Sie an einem Birnbaum aufgehängt, wenn Sie es gut machen, an einem Apfelbaum."

Quelle: ntv.de, dpa

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