Wirtschaft

Syrien treibt Rohstoffpreise Wird das die nächste Ölkrise?

Das Gesicht der Krise: Pro-Assad-Demostration am New Yorker Times Square.

Das Gesicht der Krise: Pro-Assad-Demostration am New Yorker Times Square.

(Foto: REUTERS)

Die Lage in Syrien kann jederzeit kippen. Kommt es zum Militärschlag gegen das Assad-Regime, besteht die Gefahr eines Flächenbrands im Mittleren Osten. Die Angst vor Engpässen bei der Ölversorgung treibt die Preise. Wie ernst ist die Lage?

Die Gefahr eines schnellen Militärschlags unter Führung der USA gegen Syrien ist vorerst gebannt, aus der Welt ist sie deshalb noch nicht. Das bange Warten an den Rohstoffmärkten geht weiter. Sorge bereitet, dass die Region immerhin ein Drittel der weltweiten Ölnachfrage bedient.

Nachdem das britische Parlament den Vorstoß der USA, anzugreifen, nicht unterstützt hat, versucht US-Präsident Barack Obama sich nun Rückendeckung für eine Intervention vom Kongress zu holen. Die Parlamentarier sollen den Militärschlag offiziell billigen. Die Entscheidung steht in der Woche ab dem 9. September an. Alles spricht dafür, dass die Finanzmarktteilnehmer in dieser Wartezeit noch Kursschwankungen an den Märkten erleben werden.

Der drohende Krieg hält nicht nur die Politiker in Atem. Er hat auch die Rohstoffmärkte fest im Griff. Mitte vergangener Woche trieben die Nachrichten über einen möglicherweise bevorstehenden Militärschlag gegen Syrien die Ölpreise auf jahrelang nicht mehr gesehene Höhen. Aus Angst vor einem drohenden Versorgungsengpass stieg der Preis für ein Barrel WTI-Öl über 117 Dollar. So viel war seit mehr als zwei Jahren nicht mehr für ein Fass gezahlt worden.

Der Preis für Brent-Öl blieb mit rund 115 Dollar je Fass zwar nahezu unverändert. Im August war der Preis aber bereits um rund sechs Dollar gestiegen, so stark wie seit rund einem Jahr nicht mehr binnen eines Monats. Zu Jahresbeginn kostete WTI noch knapp 94 und Brent knapp 106 Dollar. Das Nein des britischen Parlaments sorgte Ende vergangener Woche für etwas Entspannung, die Preise kamen leicht zurück.

"Der Handel ist sehr volatil", sagte Alex Yap, Analyst bei der Energieberatungsfirma FGE in Singapur. "Sollten sich die USA für einen Militärschlag entscheiden, dürften die Preise schnell wieder nach oben gehen."

Syrien ist jedoch nicht die Hauptursache für die steigenden Preise – wegen des Ölembargos des Westens ist die Ölproduktion in dem Land nahezu zum Erliegen gekommen. Vor Beginn des Bürgerkriegs hatte Syrien täglich etwa 380.000 Barrel gefördert. Fast die gesamte Fördermenge ging in Länder der Europäischen Union.

Kritisch für die weitere Preisentwicklung am Ölmarkt dürfte es werden, wenn sich der Konflikt über die Grenzen Syriens hinaus entwickelt. Ein Militäranschlag würde eine Hauptschlagader für die Versorgungskette treffen. In der Nähe liegen wichtige Schifffahrtsrouten und Ölleitungen, über die täglich Millionen Barrel Erdöl und Raffinerieprodukte transportiert werden. Über den Suez-Kanal und die Suez-Mittelmeer-Pipeline fließen jeden Tag allein durch Ägypten 4,5 Millionen Barrel Öl oder rund fünf Prozent des globalen Angebots. Das belegen Daten der US-Statistikbehörde Energy Information Administration (EIA).

Zudem besteht die Gefahr, dass der mit dem Regime in Damaskus verbundene Iran versucht, die Meerenge von Hormus zu blockieren. Das hat der selbstgenannte Gottesstaat bereits mehrfach angedroht. "Sollte beispielsweise der Iran mit einbezogen werden, könnten wichtige Transportrouten in der ölreichen Region am Persischen Golf bedroht werden", schreibt das Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).

Zahlreiche Krisenherde

Eine Einmischung des Westens unter Führung der USA würde den Konflikt in Syrien auf eine neue Stufe heben. Die Gewalt könnte in der Tat auf andere Länder übergreifen und die weltweite Energielieferkette empfindlich stören. Allein die in diesem Sommer ausgebrochenen Unruhen in zahlreichen Ländern des Nahen Ostens und in Nordafrika hatten Öl um 15 Prozent teurer werden lassen.

Die jüngsten Preistreiber waren der Bürgerkrieg, der Libyens Ölexporte beeinträchtigte – zum Teil werden nur 30 Prozent der üblichen Fördermenge verschifft -, aber auch die Welle der Gewalt im Irak. Hier werden regelmäßig wichtige Ölpipelines angegriffen. Hinzu kommt, dass der Westen Ölimporte aus dem Iran verboten hat. Auch sonst ist die Lage in der Region brisant: Ägypten, am für den Öltransport wichtigen Suezkanal gelegen, wird seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi von massiver Gewalt erschüttert.

Dazu kommt jetzt die Sorge um Syrien: Die Analysten der Societé Générale sehen den Preis bereits bis auf 150 Dollar steigen, falls in Folge eines Raketenschlags gegen das Assad-Regime kein irakisches Öl mehr auf den Markt käme. Solche Prognosen folgen einem alten Muster: "Konflikte im Mittleren Osten führen immer zu Unsicherheiten über die Ölversorgung", heißt es in einer Analyse des IW.

Besonders riskant schätzen US-Finanzfirmen die Lage ein: Hier ist die Rede von dem "größten geopolitischen Risiko" seit dem Irak-Krieg 2003. Es werden Vergleiche zur Ölkrise 1973 gezogen, als die Opec ihre Lieferungen in den Westen drosselte. Diese Parallelen zu den siebziger Jahren sind falsch. Politisch stehen die Länder des Nahen Ostens nicht hinter dem syrischen Diktator Assad. Das größte Ölförderland der Welt, Saudi-Arabien, ist an der Seite des Westens. Einen Boykott wie 1973 wird es nach einhelliger Meinung der Experten nicht geben.

In der Vergangenheit hat es vor drohenden Militäreinsätzen bereits mehrfach starke Preissprünge am Ölmarkt gegeben. Die Preise kamen aber auch genauso schnell wieder zurück. "Bei den Golfkriegen konnte beobachtet werden, dass die Ölpreise zum Zeitpunkt des Eingreifens des Militärs teilweise schon wieder gefallen sind", sagt Rohstoffexpertin Barbara Lambrecht von der Commerzbank.

Angst macht Preise

Der Ölpreis sei von "nichts anderem als Angst" getrieben, sagt Matt Smith, Analyst bei der Energieberatung Schneider Electric. Wenn sich herausstellt, dass sich nach einem Eingreifen in Syrien an der Ölzufuhr nichts ändert, könnten die Preise genauso schnell wieder fallen. Anlass, dies anzunehmen, gibt dem Rohstoffexperten zum Beispiel die Tatsache, dass ein Teil der Anfang des Jahres ausgefallenen Produktion wieder in Gang gekommen ist. Kurz vor dem Syrien-Hoch waren die Preise zurückgekommen, weil der libysche Ölhafen in Marsa al Brega, an dem Demonstranten die Exporte behindert hatten, wieder eröffnete. Das zeigt, wie schnell der Preis auch nach unten reagiert.

Rohstoffexperten bleiben angesichts der Syrien-Krise überwiegend entspannt. Wenn in der Vergangenheit die Ölpreise wegen Turbulenzen im Mittleren Osten gestiegen seien - etwa nach der Invasion im Irak im Jahr 2003 und nach dem Sturz der libyschen Regierung 2011 - seien große Produzentenländer betroffen gewesen, weiß Kyle Cooper, Forschungsdirektor der Beratung IAF Advisors und betont: "Die Wahrscheinlichkeit einer Angebotsstörung ist eher gering".

Anlass zur Panik gibt es demnach nicht. Auf absehbare Zeit wird es keine Ölkrise geben, darin sind sich die Experten einig. Dafür ist die Produktion in den USA und Kanada in den vergangenen Jahren zu stark gestiegen, die Ausfälle aus dem Mittleren Osten wurden kompensiert. Zudem verfügt Saudi-Arabien über nennenswerte Kapazitäten, mit denen es seine Ölförderung ausweiten kann. Und am Ende gibt es auch immer noch die Möglichkeit, dass es gar keinen Militärschlag gegen Syrien geben wird.

Quelle: ntv.de, mit DJ

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