Wirtschaft

Das irische Modell Wie SAP Steuer-Millionen spart

Das Geld der grünen Insel: Irland ist bei Großkonzernen wegen seiner niedrigen Unternehmenssteuern beliebt.

Das Geld der grünen Insel: Irland ist bei Großkonzernen wegen seiner niedrigen Unternehmenssteuern beliebt.

(Foto: picture alliance / dpa)

SAP ist mit einer Marktkapitalisierung von knapp 70 Milliarden Euro das viertgrößte Unternehmen Deutschlands. Eines der Erfolgsrezepte liegt in Irland: So fährt SAP dort 20 Prozent des Konzerngewinns ein, erwirtschaftet aber nur 1 Prozent des Umsatzes mit ebenso wenigen Mitarbeitern. Und das ist noch nicht alles.

Sommer 2012 - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble macht Urlaub auf der Nordseeinsel Sylt. Da kündigt sich unerwarteter Besuch an. Sein damaliger US-Kollege Timothy Geithner kommt vorbei, um über die Euro-Krise zu reden. Schäuble nutzt die Gelegenheit und spricht gleich noch ein anderes schwieriges Thema an: die legalen Steuertricks amerikanischer Unternehmen in Europa. Viele Technologiekonzerne parken wertvolles geistiges Eigentum, wie etwa Software-Know-how, in Niedrigsteuerländern und lassen Firmentöchter hohe Lizenzen für dessen Nutzung bezahlen. Das reduziert die Gewinne in Hochsteuerländern zugunsten der Erträge in Steuerparadiesen.

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Solche Verschiebungen beträfen vor allem US-Konzerne, erklärt Schäuble seinem amerikanischen Kollegen. Die Steuergesetze in Deutschland machten dies deutlich schwieriger. "Das könnte erklären, warum wir keine deutschen Unternehmen mit vergleichbaren Steuer-Arrangements kennen", heißt es in einem Brief, den der Finanzminister nach dem Treffen an Geithner schrieb und in dem er die Inhalte des Gesprächs wiedergab.

Doch da war Schäuble offenkundig etwas voreilig. Denn ein Jahr später zeigen Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters, dass sich Unternehmen auch in Deutschland legal ärmer rechnen und Gewinne in Staaten mit niedrigen Steuersätzen wie Irland verschieben können. Das zeigt das Beispiel SAP: Ohne die in der Politik umstrittenen Möglichkeiten zur Steuervermeidung müsste die Walldorfer Software-Schmiede über 100 Millionen Euro pro Jahr mehr an Abgaben zahlen, wie eine Auswertung der SAP-Bücher zeigt. Davon betroffen ist demnach auch der US-Fiskus.

Google und Microsoft lassen grüßen

Das mit einer Marktkapitalisierung von knapp 70 Milliarden Euro viertgrößte deutsche Unternehmen verkauft weltweit Software an Firmen. Ein Blick in die Bilanz der Software-Schmiede zeigt, dass sie ähnlich wie Google oder Microsoft  Gewinne an Konzerntöchter in Irland verschiebt, das mit 12,5 Prozent einen der niedrigsten Unternehmenssteuersätze in der Europäischen Union verlangt. In Deutschland sind nach Daten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) im Schnitt 30 Prozent fällig und im größten SAP-Markt, den USA, gar 39 Prozent. Das sind allerdings Durchschnittswerte: Im Einzelfall kann die Steuerbelastung für jeden Konzern in den einzelnen Ländern stark variieren.

In den vergangenen drei Jahren haben die Walldorfer im Schnitt jährlich 26 Prozent Unternehmenssteuer gezahlt - 20 Prozentpunkte weniger als noch vor einem Jahrzehnt. Das liegt zum Teil an der Steuerreform in Deutschland, die zu einer geringeren Belastung geführt hat. Doch andere Gründe kommen dazu: So fährt SAP in Irland 20 Prozent des Konzerngewinns ein, erwirtschaftet dort aber nur 1 Prozent des Umsatzes mit ebenso wenigen Mitarbeitern. Die Töchter in Dublin beheimaten Software-Know-how von SAP-Mitarbeitern weltweit, das dann innerhalb des Konzerns lizensiert wird. Zum Steuersparmodell gehört es auch, dass eine Finanztochter in Irland anderen SAP-Gesellschaften Milliarden von Dollar verleiht - zu deutlich höheren Zinsen als am Markt üblich.

Rechtlich ist das alles einwandfrei. Auf Anfrage erklärt das Unternehmen, die Gewinne in Irland entsprächen den dortigen Aktivitäten und Risiken, die die Konzerntöchter eingingen. "SAP ist nicht nach Irland gegangen wegen der Steuern", sagt SAP-Irland-Chef Liam Ryan. "SAP investiert hier, weil wir auch liefern." Die Finanzbehörden in Deutschland und den USA wollen zu dem Beispiel mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht Stellung nehmen.

Der Trick mit den Lizenzen

SAP steht wie alle Unternehmen unter Druck, den Gewinn zu maximieren, indem die Kosten - also auch die Steuern - sinken. "Wenn ich als Investor zwei identische Unternehmen zur Auswahl habe, entscheide ich mich eindeutig für das mit den niedrigeren Steuern", sagt etwa Robert Jakobsen, der als Aktienanalyst bei der Jyske Bank in Dänemark SAP beobachtet.

SAP-Finanzchef Werner Brandt wurde auf einer Investorenkonferenz Anfang 2012 in Frankfurt gefragt, wie er es geschafft habe, in den vergangenen Jahren die Besteuerung derart zu drücken. Die Frage brachte Brandt und das Publikum zum Lachen. "Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich hier nicht zu sehr in Details gehen will", antwortete der Manager damals, wie ein Video der Konferenz auf der SAP-Internetseite zeigt. Er verriet nur soviel: Die Finanzierung und Strukturierung von Firmenkäufen helfe dabei, die Steuern zu senken.

Konzernsprecher Jim Dever erklärte, Brandt habe damit nicht auf die sieben Milliarden Dollar schwere Übernahme der französischen Software-Firma Business Objects 2008 angespielt. Gleichwohl ergibt sich aus den Büchern von SAP, dass dieser Kauf die Steuerlast beachtlich senkte, da die neue Tochter in Irland aktiv ist. Der dortige Ableger von Business Objects bündelt geistiges Eigentum an Software. Für dessen Nutzung können andere SAP-Töchter, die Programme verkaufen, dann Lizenzgebühren zahlen. Seit dem Kauf haben sich die Gewinne der irischen Gesellschaft  von Business Objects verzehnfacht. Mit einem Gewinn von 381 Millionen Euro ist die Tochter in Dublin die profitabelste nach dem Deutschland-Geschäft von SAP.

Business Objects hatte vor der Übernahme durch SAP keine Software in Irland entwickelt, wie Unternehmensmanager Andrey Grigoriev erklärt. Dort seien vielmehr die Rechte an der Software gebündelt worden, die weltweit produziert worden war. Nach dem Kauf wurde in Dublin ein Forschungszentrum aufgebaut. Doch nach den zuletzt verfügbaren Zahlen gab der Irland-Ableger von Business Objects 2011 insgesamt 180 Millionen Euro für Forschung aus, davon weniger als zehn Prozent in Irland selbst. Mit den Lizenzeinnahmen von den Konzernschwestern erzielte die Firma eine Gewinnmarge von 37 Prozent, wie aus den Büchern hervorgeht. Zum Vergleich: In der Forschungszentrale im kalifornischen Silicon Valley, SAP LABS, lag die Rendite mit 2000 Beschäftigten bei nur vier Prozent.

Gesetzmäßig aber wider der wirtschaftlichen Logik

Die Kunden und Programmierer von SAP sitzen vor allem in den USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Japan und Deutschland. Wenn der Gewinn dort versteuert würde, wo am meisten geforscht und verkauft wird, müsste der Konzern auf Basis der dortigen Sätze nach Reuters-Berechnungen über 60 Millionen Euro Steuern mehr zahlen. SAP erklärt dazu, dass der Konzern internationale Regeln bei der Verrechnung firmeninterner Zahlungen befolge. Der hohe Gewinn in Irland sei eine unbeabsichtigte Folge davon.

Rechtsprofessor Edward Kleinbard von der University of Southern California bestätigt, dass die Struktur der Irland-Tochter gesetzmäßig sei, doch sie laufe der wirtschaftlichen Logik zuwider: "Es ist nicht glaubwürdig, dass ein Unternehmen mit einem solch geringen Umsatzanteil in einem Land dort derart viel Gewinn machen kann."

Der Trick mit den Anleihen

Irland erfreut sich bei internationelen Großkonzernen wieder wachsender Beliebtheit. Der Grund liegt in der Steuergesetzbung.

Irland erfreut sich bei internationelen Großkonzernen wieder wachsender Beliebtheit. Der Grund liegt in der Steuergesetzbung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein weiterer Hebel zum Steuersparen sitzt ebenfalls in Irland - die Finanztochter SAP Ireland US-Financial Services. Jeder der drei Beschäftigten hat im vergangenen Jahr im Schnitt 107 Millionen Euro Gewinn eingefahren. Die Tochter wurde nach Firmenangaben 2010 gegründet, um Währungsrisiken zu managen und Zukäufe in den USA zu finanzieren. Doch das Drei-Personen-Unternehmen hilft auch beim Steuersparen.

Wie das funktioniert, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2010. Damals sammelte die Konzernmutter am Kapitalmarkt 2,2 Milliarden Euro ein durch die Ausgabe von Euro-Anleihen und steckte das Geld als Eigenkapital in die irische Finanztochter. Dabei fielen für SAP 57 Millionen Euro an Zinsen an, die den zu versteuernden Konzerngewinn in etwa dieser Höhe reduzierten, weil es keine entsprechenden Zinseinnahmen aus Irland gab, wie ein Blick in die Bücher des Konzerns zeigt.

Die irische Firma wiederum nahm Geld in den USA zum Zins von weniger als drei Prozent auf, leitete dieses an SAP in den USA weiter und kassierte dafür von der Schwestergesellschaft einen höheren Zins. Ende 2011 beliefen sich die Zinseinnahmen der Dubliner Tochter aus diesen Geschäften auf 300 Millionen Dollar - bei Krediten an die US-Tochter von 4,25 Milliarden Dollar entspricht dies einem Zins von rund acht Prozent. Hätte SAP Amerika sich selbst das Geld am Markt geliehen, wäre nur ein Zins von drei Prozent angefallen - der zu versteuernde Gewinn in den USA wäre entsprechend höher gewesen.

Auch hier bestreitet SAP-Sprecher Dever, dass das Geschäftsmodell der irischen Finanztochter von steuerlichen Motiven getrieben sei. Sie sei vielmehr gegründet worden, weil nicht alle Länder Bilanzen in Fremdwährung zuließen und das Unternehmen in Dollar bilanziere. Die intern verlangten Zinsen seien zudem genauso hoch wie die Marktzinsen für ein Unternehmen, das keine Garantie eines finanzstarken Mutterkonzerns habe. Dieses Modell von SAP sei eine sehr verbreitete Strategie zum Steuersparen, sagt dagegen Michael Graetz, Professor für Steuerrecht an der Columbia University. "Sie verlagern Erträge aus den USA über die Kredite nach Irland - die Erträge wandern ins Niedrigsteuerland und die Abzüge ins Hochsteuerland."

G20 machen mobil

Diesen Tricks wollen die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) einen Riegel vorschieben. Für sie steht der Kampf gegen Steuervermeidung mittlerweile angesichts leerer Staatskassen ganz oben auf der Agenda. Auf ihrem Gipfel in St. Petersburg stellten sie sich Anfang September hinter einen Aktionsplan der OECD, mit dem innerhalb von gut zwei Jahren Steuerschlupflöcher gestopft werden sollen. Das Ziel: Firmen sollen dort Steuern zahlen, wo sie auch produzieren.

Die Pläne stoßen auf erheblichen Widerstand zahlreicher Wirtschaftsverbände, die Gewinneinbußen für die Firmen befürchten. Besonders laut protestiert haben dabei bislang die US-Lobbyisten. Amerikanische Unternehmen hielten die ganze Steuerdebatte für einen Versuch der Europäer, die Konkurrenz in den USA zu schwächen, sagt Rechtsprofessor Kleinbard. Doch für den ehemaligen Stabschef des gemeinsamen Steuerausschusses im US-Kongress steht fest: Auch der amerikanische Fiskus könnte von einer Reform der Unternehmensbesteuerung profitieren. Das zeige das Beispiel SAP.

Quelle: ntv.de, Tom Bergin, rts

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