Wirtschaft

So schadet der Haushaltsstreit USA fallen langsam

Turmspringer in Boston, Massachusetts.

Turmspringer in Boston, Massachusetts.

(Foto: REUTERS)

Der Sturz von der Fiskalklippe zerstört Vertrauen und führt für Hunderttausende Staatsangestellte zu vorübergehender Arbeitslosigkeit. Für die amerikanische Wirtschaft ist das fatal. Warum bleiben die Märkte so ruhig?

"Sie werden dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Regierung abgestürzt ist", sagt der Parlaments-Sprecher. Er fixiert den Präsidenten, der schaut zurück und überlegt eine Sekunde. "Dann lasst sie abstürzen", antwortet der Präsident, und drei Hammerschläge hallen durch das Weiße Haus. Schnitt.

Dramatisch erzählt die US-Serie "Westwing" davon, wie Amerika von der Fiskalklippe stürzt. Republikaner und Demokraten können sich nicht auf einen Haushalt einigen, die Staatsangestellten werden nicht mehr bezahlt, die Regierung der größten Volkswirtschaft der Welt ist gelähmt.

Genau dieser Fall ist jetzt tatsächlich eingetreten. Und nun? Die Aktienmärkte in den USA sind im Plus, dramatisch wirkt die Situation nicht. Die Kurse der US-Staatsanleihen steigen sogar und auch der Dax ist nicht beeindruckt. Also ist alles halb so schlimm?

Zweite Stufe ist nicht weit

Die Fiskalklippe hat zwei Stufen. Die nun überschrittene Stufe bedeutet: Es gibt keinen regulären Haushalt – was nicht unbedingt gezahlt werden muss, wird ausgesetzt. Allerdings verfügt die US-Regierung weiterhin über die Möglichkeit, Schulden aufzunehmen, wodurch sie einigermaßen handlungsfähig bleibt. Nur kommen die USA nun mit jedem Tag ihrer Schuldengrenze näher.

Wenn das Parlament sich nicht mit der Regierung einigt, sind die USA wohl um den 17. Oktober herum pleite. Das wäre die zweite Stufe der Klippe: Die USA könnten nicht mehr dafür bezahlen, dass ihre Grenzen geschützt werden, Fluglotsen würden zu Hause bleiben. Sollte es so weit kommen, hätte es fatale Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft. Die Weltkonjunktur würde ebenfalls schwer getroffen.

Doch auch die nun überschrittene Grenze bleibt nicht ohne Folgen. Zwei Auswirkungen hat sie auf die Wirtschaft und das öffentliche Leben: Erstens sind rund 800.000 Menschen direkt betroffen, die nicht als "essenziell" eingestuft sind. Einen halben Tag lang sind sie damit beschäftigt, ihre Abwesenheit zu regeln, dann müssen sie Urlaub machen und in dieser Zeit auf Gehalt verzichten. Ihre unverzichtbaren Kollegen müssen weiter zur Arbeit kommen - und darauf hoffen, dass ihr Gehalt später nachgezahlt wird. Alle Bundesbehörden mussten in den vergangenen Tagen melden, welche Mitarbeiter in welche Kategorie fallen. 1,3 Millionen Angestellte wurden dabei als nicht verzichtbar eingestuft und bleiben im Dienst. Gleiches gilt für 1,4 Millionen Soldaten und Angehörige der Streitkräfte.

Wirtschaftswachstum wird langsamer

Klar ist, dass Nationalparks und nationale Museen, zum Beispiel die Freiheitsstatue, schließen und fast alle Mitarbeiter der Nasa zu Hause bleiben. Bei den meisten Ministerien ist mehr als die Hälfte der Angestellten betroffen. Soldaten bleiben im Einsatz, aber die Hälfte ihrer zivilen Kollegen im Verteidigungsministerium wird beurlaubt. Auch für die Müllabfuhr in Washington D.C. zahlt die Bundesregierung nicht mehr - allerdings will dort erst einmal die Stadt einspringen. Andere Städte und die Verwaltung der Bundesstaaten sind nicht betroffen, weil sie einen eigenen Haushalt haben. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind mit der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit eines sehr großen Unternehmens zu vergleichen: Die Betroffenen werden sehr auf ihre Ausgaben achten und damit dem Wirtschaftskreislauf Geld entziehen.

Zweitens müssen Unternehmen und Bürger länger warten, wenn sie eine amtliche Genehmigung oder andere Dokumente benötigen. Für die Gesamtwirtschaft ist das nur zu verkraften, wenn der Zustand nicht zu lange andauert. Im Einzelfall kann es schon jetzt Investitionen verzögern und damit Arbeitslosigkeit schaffen. Je länger die Behörden geschlossen bleiben, desto mehr leidet das Wachstum. Außerdem bleibt die Unzuverlässigkeit der Regierung den Unternehmern langfristig im Gedächtnis und kann ein Investitionshemmnis sein.

Ein schädlicher Dämpfer

Schuld an dieser Situation trägt ausgerechnet die angeblich wirtschaftsfreundliche "Tea Party"-Bewegung – der radikale Flügel der republikanischen Partei. Sie will verhindern, dass ein wichtiger Teil der eigentlich längst beschlossenen Gesundheitsreform in Kraft tritt.

Die Märkte nehmen all das recht gelassen hin, weil das Übertreten der ersten Fiskalklippenstufe absehbar war und die Folgen bereits in die Kurse eingepreist wurden. Das verschleiert, wie schlimm die Fiskalklippe ist. Die USA brauchen dringend eine wirtschaftliche Erholung. Denn noch immer sind die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren. Das Staatsdefizit ist gewaltig, die Notenbank muss Anleihen aufkaufen und mit einer extremen Niedrigzinspolitik die Konjunktur stützen. Nur durch zusätzliches Wachstum lässt sich diese Situation überwinden - der Dämpfer durch die Fiskalklippe ist da besonders schädlich.

An den Börsenkursen lässt sich dieser Effekt nur darum nicht nachweisen, weil er zu langfristig ist. Und so lässt es sich nicht in Zahlen fassen, welchen Schaden die Unnachgiebigkeit der Politiker anrichtet.

Quelle: ntv.de

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