Wirtschaft

Notenbank reagiert unkonventionell Türkei-Inflation über 10 Prozent

(Foto: REUTERS)

Die türkische Wirtschaft wächst enorm. Rund acht Prozent sind eine echte Hausnummer. Das Problem dabei ist die Inflation. Sie liegt mittlerweile noch höher. Zudem schmiert die Landeswährung im Vergleich zum Dollar ab und muss gestützt werden. Eine gefährliche Gemengelage, in der die Notenbank des Landes einen unkonventionellen Weg einschlägt.

Die Inflation in der Türkei hat sich am Jahresende auf eine zweistellige Rate beschleunigt und damit den höchsten Stand seit drei Jahren erreicht. Die Lebenshaltungskosten waren im Dezember den Angaben zufolge 10,45 Prozent höher als vor einem Jahr. Gegenüber November kletterten sie um knapp 0,6 Prozent.

Damit steigerten sich die Preise stärker als von Experten erwartet und fast doppelt so schnell wie von der Notenbank mit 5,5 Prozent erwünscht. Die Entwicklung erhöht den Druck auf die Zentralbank, die um eine Eindämmung der Inflation willen die Abwertung der Lira zu stoppen versucht. und dazu zuletzt auch am Devisenmarkt interveniert hat.

Wirtschaftswachstum als Problem

Die türkische Wirtschaft dürfte im vergangenen Jahr um etwa acht Prozent gewachsen sein - so schnell wie nur wenige andere Volkswirtschaften weltweit. Wegen der hohen Inflation sowie dem großen Defizit in der Leistungsbilanz droht sich das Wachstum in diesem Jahr jedoch abrupt abzuschwächen. Die Währungshüter gehen davon aus, dass sich die Inflation bis zum Jahresende wieder auf die gewünschte Rate abschwächen wird.

In diesem Zusammenhang bezeichneten Volkswirte es immerhin als Hoffnungssignal, dass die um stark schwankende Faktoren wie Energiepreise bereinigte Kerninflation unerwartet auf 8,1 Prozent zurückging.

Notenbank mischt mit

Indes setzte die türkische Notenbank zu Beginn des neuen Jahres ihre Interventionen zur Stärkung der Lira fort. Händler in Istanbul und Frankfurt berichteten, die Zentralbank habe gut 300 Mio. Dollar aus ihren Beständen verkauft. Am letzten Handelstag 2011 waren es aber noch 2 Mrd. Dollar gewesen. Am Montag gelang es den Währungshütern, die Lira bis auf 1,8760 Dollar zu treiben, bevor sie auf 1,8850 Dollar wieder etwas abbröckelte. Vor dem Jahreswechsel hatten die aggressiveren Schritte die Währung kurzzeitig sogar bis auf 1,86 Dollar gestärkt.

Die Lira hat gegenüber der US-Devise im vergangenen Jahr fast ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt und war vergangenen Mittwoch auf ein Rekordtief von 1,9215 Lira pro Dollar gefallen. Grund für die rasante Talfahrt sind vor allem Sorgen internationaler Investoren über die unorthodoxe Geldpolitik der Notenbank, die das Minus in der Leistungsbilanz reduzieren soll. Die Strategie besteht aus einer selbst für viele Experten kaum nachvollziehbaren Kombination aus einem für türkische Verhältnisse niedrigem Leitzins, sehr hohen Reserveanforderungen an die Banken und einer großen Zinsspanne zwischen Ausleihe und Einlage das Minus.

Enorm hohe Unsicherheit

Aus Sicht von Zentralbankchef Erdem Basci ist das hohe Kreditwachstum hauptverantwortlich für das Defizit in der Leistungsbilanz und er bekämpft es mit Reserveanforderungen, die im kurzlaufenden Bereich bis zu einem Monat aktuell über zehn Prozent liegen. Zum Vergleich: Die Europäische Zentralbank (EZB) verlangt derzeit, dass die Banken bei ihr ein Prozent ihrer Einlagen vorhalten. Zugleich hält Basci den Leitzins bei 5,75 Prozent, um das Wachstum nicht abzuwürgen. Er geht zudem davon aus, dass ein höherer Leitzins keinen dämpfenden Effekt auf die Kreditvergabe der Banken hätte.

Den Finanzinstituten knöpft er hingegen bei Refinanzierungsgeschäften 12,5 Prozent ab. In der Türkei werden Refi-Geschäfte zum Leitzins seit einiger Zeit bewusst nicht durchgeführt. Stattdessen müssen die Banken den deutlich höheren Zinssatz berappen, der normalerweise bei der für einen kurzfristigen Liquiditätsengpass vorgesehenen Übernachtausleihe fällig würde. Zentralbankgeld wird damit für die Banken extrem teuer. Commerzbank-Devisenexpertin Thun-Lan Nguyen erklärt ein weiteres Problem: "Da die Banken erst ganz kurzfristig erfahren, zu welchen Konditionen die Notenbank Refi-Geschäfte abwickeln will, ist die Unsicherheit enorm hoch."

Keine Hand am Leitzins

Nguyen zweifelt daran, dass die Maßnahmen Bascis nachhaltig Erfolg haben werden, da der Zentralbank irgendwann die Dollars ausgehen dürften, um Lira am Devisenmarkt zu kaufen. Fachleute schätzen den Bestand an der US-Währung noch auf 80 Mrd. Dollar. Motiviert ist Bascis Kampf für eine stärkere Landeswährung von seinem Ziel, die Inflation einzudämmen.

Traditioneller agierende Notenbanken würden die Gefahr weiter steigender Preise mit einer Erhöhung des Leitzinses kontern. Ein Weg, den Basci aus Angst vor einem Wirtschaftsabschwung im Sommer so gut wie ausgeschlossen hat.

Quelle: ntv.de, bad/rts

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