Wirtschaft

Gratwanderung für Hollande Steuergeschenke für die Konzerne

Frankreichs Präsident Hollande versucht die Wirtschaftsstärke des Landes wieder ins rechte Licht zu rücken.

Frankreichs Präsident Hollande versucht die Wirtschaftsstärke des Landes wieder ins rechte Licht zu rücken.

(Foto: picture alliance / dpa)

Frankreichs Wirtschaft gerät immer mehr ins Hintertreffen. Von einer "Deindustrialisierung" sprechen Experten gar. Nun reagiert Paris. Präsident Hollande verspricht den Unternehmen Milliardenentlastungen, will so die Arbeitskosten indirekt senken und die Wirtschaft der "Grande Nation" wieder auf Kurs bringen. Mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer soll das Ganze zum Teil finanziert werden.

Mit milliardenschweren Steuererleichterungen will Frankreich seine Unternehmen wieder fit für den internationalen Wettbewerb machen. Die Regierung von Präsident Francois Hollande versprach Arbeitgebern eine Entlastung von 20 Mrd. Euro über drei Jahre, durch die die als zu hoch kritisierten Arbeitskosten indirekt gesenkt werden sollen. Um das zu finanzieren, bürdet der Sozialist den Bürgern eine höhere Mehrwertsteuer und weitere Haushaltskürzungen auf.

"Wir brauchen einen Ruck auf nationaler Ebene, um unser Schicksal wieder in den Griff zu bekommen", sagte Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault. Abgehängt nicht zuletzt durch deutsche Exporte hatte Frankreichs Industrie eine Art Schocktherapie gefordert, der die nun vorgestellten Maßnahmen überraschend nahe kommen.

Die geplanten Steuernachlässe dürften unter dem Strich darauf hinauslaufen, dass die Arbeitskosten um etwa sechs Prozent sinken. Hinter der von Regierungsberater Louis Gallois geforderten direkten Verringerung um 30 Mrd. Euro bleibt das Vorhaben damit aber zurück.

"Ziemlich umständlich"

Aus der Wirtschaft kamen durchwachsene Reaktionen: Dies sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eine unmittelbare Senkung der Arbeitskosten wäre besser gewesen, hieß es. Experten zufolge mindert die Regierung mit dem Umweg über die Steuernachlässe die Ungewissheit, mit wieviel Einnahmen sie kalkulieren kann.

Die Unternehmer fürchten aber, die Steuererleichterungen könnten ihre eigene Planung erschweren. "Diese Methode könnte sich als ziemlich umständlich erweisen", sagte Jean-Francois Roubaud, Chef der Vereinigung kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Er habe zudem auf ein Volumen von mindestens 30 Mrd. Euro gehofft, aber insgesamt seien die Maßnahmen gut.

Beobachter erwarten zudem, dass der Vorstoß ausländische Investoren vom Reformwillen Frankreichs überzeugen dürfte. Der Internationale Währungsfonds hatte jüngst rasches Handeln angemahnt und erklärt, ohne Reformen könne das Land den Anschluss an seine Nachbarn verlieren.

20 Prozent Mwst.

Frankreich sei nicht dazu verdammt, in einer Abwärtsspirale dem Untergang seiner Industrie entgegenzuschlittern, sagte Ministerpräsident Ayrault. Die Maßnahmen sollten die Unternehmen manövrierfähiger machen. Geplant sind Steuererleichterungen vor allem für Unternehmen, die Arbeitsplätze in Frankreich halten. Ayrault will zudem Innovationen in Fortschrittstechnologien, Ausbildung und Kleinunternehmen fördern.

Die Regierung schnürt ein Paket, das die Gegenfinanzierung der Vergünstigungen je zur Hälfte über neue Steuereinnahmen und Einsparungen vorsieht. So soll die Wirtschaft ab 2013 in den Genuss erster Steuererleichterungen kommen, die sich bis 2015 dann auf 20 Mrd. Euro erhöhen. Von 2013 an sollen zugleich 12,5 Mrd. Euro durch Haushaltskürzungen und Einsparungen bei der Krankenversicherung wieder hereingeholt werden.

Den Aufschlag bei der Mehrwertsteuer werden die von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten und um ihre Kaufkraft besorgten Franzosen ab 2014 zu spüren bekommen: Der Standardsatz soll von 19,6 auf 20 Prozent steigen und der ermäßigte Satz auf bestimmte Produkte in Restaurants sowie auf Handwerksarbeiten im Wohnungsbestand von sieben auf zehn Prozent.

Gratwanderung für Hollande

Am Montag hatte der Regierungsberater Gallois - Ex-Chef des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS - Frankreich eine "Schocktherapie" ans Herz gelegt, um die lahmende Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Dabei hatte er vor allem die hohen Arbeitskosten kritisiert. Die französische Industrie erlebt seit Jahren einen Niedergang. Die Exportwirtschaft steht im Schatten vor allem Deutschlands. Neben der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft werden in Frankreich vor allem auch die niedrigeren Arbeitskosten hierzulande als Erfolgsfaktor genannt.

Vielen Franzosen sind aber Errungenschaften wie die 35-Stunden-Woche und der üppig ausgestatte Sozialstaat heilig. Das macht jedes Wettbewerbspaket zugunsten der Wirtschaft für den Sozialisten Hollande zur Gratwanderung. Er selbst hatte eine von seinem konservativen Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy geplante Erhöhung der Mehrwertssteuer auf 21,2 Prozent gekippt.

Quelle: ntv.de, rts

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