Wirtschaft

Schuldenschnitt ist noch nicht der große Wurf Solarworld braucht mehr als Geld

Frank Asbeck in Großformat auf der Leinwand, als er sich auf der Hauptversammling den Fragen der Aktionäre stellt.

Frank Asbeck in Großformat auf der Leinwand, als er sich auf der Hauptversammling den Fragen der Aktionäre stellt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Vorstandschef Asbeck kann zufrieden sein: Solarworld bekommt eine zweite Chance. Die Aktionäre billigen den Sanierungsplan. Es sei ein "neuer Geburtstag" für das Unternehmen, jubelt Asbeck. Grund zum Feiern hat er dennoch nicht.

Solarworld-Chef Frank Asbeck aus der Ruhe zu bringen ist quasi unmöglich. Da kann der Pleitegeier über seinem Unternehmen kreisen so viel er will, die rheinische Frohnatur verbreitet immer noch Optimismus und gute Laune. Besonders in der vergangenen Woche hat das 130-Kilo-Schwergewicht sein Stehvermögen reichlich bewiesen. Am Tag der entscheidenden Aktionärsabstimmung kommt aber selbst er ins Schwitzen. Denn die bohrenden Fragen der Anteilseigner zu den Aussichten des vorgelegten Sanierungskonzepts nehmen kein Ende. Erst gegen 22 Uhr kann abgestimmt werden. Als die Aktionärsversammlung den Rettungsplan - nach langer Debatte - endlich billigt, fällt ihm wohl ein Stein vom Herzen.

Nach den Banken als Darlehensgeber und den Anleihegläubigern sind auch die Aktionäre - fast ohne Ausnahme - einverstanden, künftig lieber deutlich weniger als gar nichts zu haben. 150 Solarworld-Aktien schnurren im Depot mal schnell zu einer zusammen. Damit haben sich die Aktionäre - auf eigenen Beschluss - "quasi enteignet", wie Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nüchtern feststellt. Größer kann das Entgegenkommen der Aktionäre nicht sein. Für die ungewisse Aussicht auf die Gesundung des Unternehmens nehmen sie einen Kapitalschnitt von satten 95 Prozent in Kauf. Ihr Anteil am Unternehmen verringert sich auf fünf Prozent. Die Anleihegläubiger hatten zuvor bereits auf 55 Prozent ihrer Forderungen verzichtet.

Auch wenn Asbeck sich im Vorfeld nichts anmerken ließ - dieses Opfer zu verlangen, dürfte schwergefallen sein. Für den einstigen Vorzeigeunternehmer ging es dabei um nicht weniger als sein Lebenswerk. Hätten die Aktionäre und Gläubiger bei nur einer der insgesamt drei Abstimmungen nicht mitgezogen, hätte der Gründer eines der weltweit führenden Solarkonzerne Insolvenz anmelden müssen. 

Am Ende ist ihm dieser Kraftakt jedoch geglückt. Zusätzlich zum Schuldenschnitt soll frisches Geld dafür sorgen, dass Solarworld wieder auf die Beine kommt: Der einstige "Sonnenkönig", der das Unternehmen aus einem Hinterhof in Bonn an die Spitze führte, zeigt Flagge und wirft selbst noch einmal rund 10 Millionen Euro in den Ring. Damit wird er rund 20 Prozent am Unternehmen halten. Qatar Solar soll mit 35 Millionen Euro einsteigen und mit 29 Prozent größter Einzelaktionär werden. Der Investor aus Katar stellt darüber hinaus ein Darlehen von 50 Millionen Euro in Aussicht.

Eine Abstimmung ohne Alternativen

Nach dem Entscheidungsmarathon darf Asbeck zunächst einmal zufrieden mit sich sein. Ob er alle von seinen Plänen überzeugt hat, steht auf einem anderen Blatt. Die Frage, ob Solarworld im Wettlauf mit der Konkurrenz wirklich gut gerüstet ist, konnte er nämlich nicht hinlänglich beantworten. Seinen Durchmarsch verdankt Asbeck allein einem Trumpf im Ärmel: Hätten die Aktionäre nicht zugestimmt, wäre die Insolvenz unvermeidbar gewesen, es hätte der Totalverlust gedroht. Jetzt bleibt den Aktionären zumindest die Hoffnung, dass sich der Aktienkurs irgendwann erholt.

Dafür ist es wichtig, dass Solarworld nach dem finanziellen Rettungsakt den unternehmerischen Befreiungsschlag versucht. Experten halten die Chancen, dass dieser gelingt, jedoch für eher gering. Ihrer Ansicht nach dürfte es dem Unternehmen auch mit den Kapitalmaßnahmen schwerfallen, im hart umkämpften Markt zu bestehen. Die Rahmenbedingungen für Solarunternehmen haben sich geändert. Locker erwirtschaftete Traumrenditen von 30 Prozent in der Branche sind schon lange Geschichte. Preisverfall und Überkapazitäten machen den Solarmodulherstellern schwer zu schaffen.

Auf der einen Seite drücken Förderkürzungen auf den europäischen Heimatmärkten, auf der anderen Seite die Konkurrenz aus China. Allein 2012 betrug der Verlust von Solarworld knapp 480 Millionen Euro. Das Unternehmen musste bereits viele Arbeitsplätze abbauen und Kurzarbeit in seinem Hauptstandort im sächsischen Freiberg anmelden. Eine Reihe von Unternehmen wie etwa der Hersteller Q-Cells ging bereits Pleite oder steckt in tiefen finanziellen Schwierigkeiten. Umdenken ist angesagt. Und zwar schnell.

Große Sprüche reichen nicht

Wie Solarworld aber schnell wieder Geld verdienen will, ist offen. Asbeck bleibt hier vage. Vor den Aktionären sagt er, das Unternehmen liege bei den Gesamtkosten kaum über dem Niveau, zu dem die chinesische Konkurrenz produziere. Solarworld liefere ein Qualitätsprodukt, investiere weiter in Neuerungen und werde sich dem technologischen Wettlauf stellen. "Wenn das Konzept so umgesetzt wird, können wir wieder durchstarten", sagt Asbeck. Solarworld befreie sich von seiner Schuldenlast und könne dadurch "wieder die Rolle des Technologie- und Branchenzugpferds einnehmen". Richtig überzeugend wirkt Asbeck mit seinen gebetsmühlenartigen Parolen nicht. Er läuft Gefahr, dass sie am Ende fromme Wünsche bleiben.

Zumal der Branche ein steifer Wind entgegenbläst. Im EU-Solarstreit mit China hofft Asbeck immer noch auf Brüssel. Doch von dort dürfte nicht mehr viel zu erwarten sein. Die Europäische Union und China haben ihren Solarstreit Ende Juli mit einem Kompromiss beigelegt, der von der europäischen Solarindustrie als großes Entgegenkommen für die Chinesen gesehen wird. Die von Asbeck unterstützte Gruppe EU Pro Sun, deren Chef gleichzeitig sein Pressesprecher ist, versucht jetzt zwar vor dem Europäischen Gerichtshof höhere Preise für den Import chinesischer Solarmodule einzuklagen. Aber der Ausgang der Klage ist ungewiss.

Asbeck muss das Geschäftsmodell überdenken

Die chinesische Konkurrenz sei unterschätzt worden, und es nütze nichts, jetzt auf die "bösen Chinesen" zu schimpfen, sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Das Hauptproblem sieht er im Geschäftsmodell von Solarworld. "Nach der finanziellen muss auch eine operative Restrukturierung kommen", sagt er. Aber dazu, "wie es angesichts der Billigkonkurrenz inhaltlich weitergehen soll, haben wir noch nichts gehört".

Unternehmensangaben zufolge sind keine großen Veränderungen geplant. Die gesamte Wertschöpfungskette soll im eigenen Haus bleiben, obwohl Branchenexperten zu bedenken geben, dass die vollintegrierte Fertigung überholt ist; einige Komponenten können billiger eingekauft als hergestellt werden. Ansonsten will Asbeck den Kampf gegen die Chinesen dadurch aufnehmen, dass er die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer seiner Module in den kommenden drei Jahren deutlich verbessert und die Fertigung effizienter macht. Auch das halten Branchenkenner nicht für den großen Wurf. Chinesische Unternehmen sind größer und die Arbeitskräfte sind günstiger.

Der Optimismus Asbecks in allen Ehren - das mag gute Stimmung verbreiten und ihn vielleicht vor einem Herzinfarkt bewahren, aber angesichts des Ernstes der Lage ist Humor allein auch keine Lösung. Der 53-jährige Asbeck hat sich per Vertrag noch einmal viereinhalb Jahre - bis Anfang Januar 2019 - an der Spitze des Unternehmens gesichert. Aber die Zeit sitzt ihm im Nacken. Jahre hat er nicht mehr, um die Zukunft des Unternehmens zu gestalten. Solarworld hat seine zweite Chance bekommen, muss sie nun aber auch nutzen. In besseren Tagen kokettierte Asbeck einmal mit dem Spruch: "Von Asbeck lernen heißt siegen lernen". Solarworld könnte jetzt eine gute Lektion gebrauchen. 

Quelle: ntv.de

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