Wirtschaft

Obama bedrängt die Europäer Schäuble verbittet sich Kritik

"Nicht so schnell, wie es notwendig wäre": US-Präsident Barack Obama nach der Landung in San Diego.

"Nicht so schnell, wie es notwendig wäre": US-Präsident Barack Obama nach der Landung in San Diego.

(Foto: REUTERS)

Kurz vor der entscheidenden EFSF-Abstimmung im Bundestag reißen im transatlantischen Verhältnis tiefe Gräben auf: US-Präsident Obama kritisiert das Krisenmanagement in Europa. Finanzminister Schäuble weist die Vorstöße aus den USA barsch zurück. Eine Aufstockung des EFSF bezeichnet er als "dumme Idee".

Die Bundesregierung hat alle Spekulationen über eine erneute Vergrößerung des EFSF-Rettungsschirms erneut zurückgewiesen. Der Schirm stehe im Bundestag so zur Abstimmung, wie er im Juli vom EU-Gipfel verabschiedet worden sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Innerhalb der Bundesregierung bestehe "vollkommene Einigkeit", dass der Rettungsschirm nicht über nochmals ausgeweitet werden solle. Zuvor hatte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble bei n-tv bereits ausdrücklich gegen eine zusätzliche Aufstockung ausgesprochen.

"Ein riesiger, völlig anderer Weltteil": Wolfgang Schäuble.

"Ein riesiger, völlig anderer Weltteil": Wolfgang Schäuble.

(Foto: dpa)

Gut 48 Stunden vor der Abstimmung beteuerte Schäuble erneut, dass es keine Aufstockung des vorläufigen Euro-Rettungsschirms EFSF geben wird. Entsprechende Spekulationen nannte er eine "dumme Idee". Eine Aufstockung hätte zur Folge, dass einige Staaten ihre Bestbewertung durch Ratingagenturen verlieren würden, sagte der CDU-Politiker und bekräftigte damit die ablehnende Haltung der Bundesregierung.

Der US-Sender CNBC hatte von Planspielen für eine doppelte Verwendung der EFSF-Mittel berichtet. Die Diskussion hat an den Märkten für ein Kursfeuerwerk und in der Koalition für zusätzliche Unruhe gesorgt. Am Donnerstag soll der Bundestag über die schon länger geplante Ausweitung der Kreditgarantien des EFSF entscheiden.

Mahnende Worte an die Europäer kamen unerwartet auch von US-Präsident Barack Obama, der zu einem besseren Krisenmanagement aufrief. Wenn es der Weltwirtschaft nicht gut gehe, sei Europa mit schuld. Schäuble reagierte ungehalten: "Ich denke nicht, dass die Probleme Europas die einzigen Probleme der Amerikaner sind."

"Es ist immer leichter, anderen Ratschläge zu erteilen, als selbst eine Entscheidung zu treffen", sagte Schäuble während einer Rede vor der European School of Management und Technology in Berlin. Er sei nicht der Auffassung, dass die derzeitige Schuldenkrise in Europa der Grund für die Probleme der USA sei. Die USA seien ein "riesiger, völlig anderer Weltteil", ergänzte er.

US-Präsident Obama hatte den EU-Staaten Untätigkeit nach der Krise des Jahres 2007 vorgeworfen. Europa habe sich seither nicht ausreichend um die Probleme des Bankensystems gekümmert. Daraus sei eine Krise entstanden, "die die Welt in Angst versetzt". Auch derzeit reagierten die EU-Staaten "nicht so schnell, wie es notwendig wäre", kritisierte Obama.

Keine Stimulation durch neue Schulden

Mit Blick auf diese Kritik sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Konferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), den Problemen dürfe nicht mit neuen Konjunkturpaketen begegnet werden. Die Idee, das Wachstum mit weiteren Schulden zu stimulieren, sei falsch.

Die EU-Kommission bemühte sich, die Wogen zu glätten: Brüssel begrüßte die kritischen Anmerkungen der US-Regierung zum Krisenmanagement in der Euro-Schuldenkrise als willkommene Ratschläge. "Da es offenkundig ist, dass diese Krise Auswirkungen auf andere internationale Akteure hat, ist es auch sinnvoll, dass sie ihre Meinungen ausdrücken", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Auch wenn nicht in allen Punkten Übereinstimmung herrsche, wolle die EU-Kommission ihren "aktiven und regelmäßigen Austausch" mit der US-Regierung pflegen.

Rehn sehe die Anmerkungen des US-Finanzministers Timothy Geithner zu Lage in Europa als "konstruktive" Beiträge, fügte der Sprecher hinzu. "Herr Geithner hat die europäischen Institutionen beim Management dieser Krise sehr unterstützt." Der Rehn-Sprecher hob hervor, dass sich der EU-Kommissar und Geithner in den vergangenen Wochen mehrfach persönlich zu Gesprächen getroffen hätten.

Geithner hatte Europa bereits am vergangenen Wochenende eindringlich zur Eindämmung der Schuldenkrise in der Eurozone aufgefordert. Die Belastungen von Staaten und Banken in Europa bezeichnete er als "das ernstzunehmendste Risiko für die Weltwirtschaft" und zeigte sich frustriert über das Krisenmanagement der Europäer.

Anleger hoffen auf Rettung

An den Aktienmärkten blieben die transatlantischen Verstimmungen ohne negative Folgen. In der Hoffnung auf effektivere Instrumente gegen die Krise zogen die Kurse europaweit kräftig an: Der Dax ging am Dienstag mehr als 5 Prozent fester aus dem Handel."Die Börsen leben derzeit ausschließlich von der Hoffnung auf eine schnelle Lösung des Griechenlandproblems", sagte Analyst Andreas Lipkow. Konkret hoffen die Märkte darauf, dass der EFSF mit einer Hebelwirkung versehen und so mehr Ausleihvolumen und "Feuerkraft" bekommen könnte. Selbst der Goldpreis beendete seine jüngste Talfahrt und stieg. Auch der Euro legte deutlich zu.

Dazu beigetragen haben dürfte auch das stabile Konsumklima in Deutschland: Allen Krisenängsten und Börsenturbulenzen zum Trotz ist die Verbraucherstimmung in Deutschland stabil. Dank des robusten Arbeitsmarktes und steigender Einkommen verharrte der Konsumklimaindex bei 5,2 Punkten, wie der Marktforscher GfK mitteilte. Die Verbraucher verunsichere jedoch, dass die Politik noch keine Lösungen für die Euro-Schuldenkrise gefunden habe, hieß es.

Mit Spannung wird nun erwartet, ob die schwarz-gelbe Bundesregierung bei der Abstimmung am Donnerstag im Bundestag eine eigene Mehrheit - die sogenannte Kanzlermehrheit - erreicht. Die deutsche Industrie warnte bereits vor unkalkulierbaren Folgen, sollte die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms scheitern. Der Rettungsschirm, abgekürzt auch EFSF genannt, soll mit neuen Hilfsinstrumenten ausgestattet werden. Dazu gehört der Aufkauf von Anleihen kriselnder Euro-Länder. Außerdem soll der Garantierahmen des EFSF auf 780 Mrd. Euro angehoben werden, damit er über die Bürgschaften der Länder auch wirklich für 440 Mrd. Notkredite vergeben kann. Vorher war der Garantierahmen auf 440 Mrd. Euro begrenzt. Deutschland soll von diesen erweiterten Bürgschaften letztlich bis zu 253 Mrd. Euro schultern.

Austritt "löst die Probleme nicht"

Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker blickt bereits weiter nach vorn: Er forderte für die hoch verschuldeten Euroländer wie Griechenland Pläne zur Ankurbelung der Wirtschaft. Ohne eine Wachstumsstrategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen werde man nicht aus der Krise herauskommen, sagte er vor dem Europaparlament. "Ich bin besorgt über das Niveau der Arbeitslosigkeit in Griechenland und anderen Ländern." Die Liberalen im EU-Parlament haben im Kampf gegen die Krise eine wirkliche Wirtschaftsregierung, einen europäischen Finanzminister und einen eigenen europäischen Währungsfonds gefordert.

Wie bei früheren Gelegenheiten lehnte Juncker einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone ab. "Das löst die Probleme nicht", sagte er in einer Fragestunde der Volksvertretung zur Eurokrise. "Die Sanierung der griechischen Staatsfinanzen ist von zentraler Bedeutung. (...) Die Griechen können nicht mehr so weitermachen wie bisher."

Nach Ansicht von ifo-Chef Hans-Werner Sinn gefährdet Deutschland mit den Hilfen für Euro-Länder seine eigene Kreditwürdigkeit. So seien die Prämien für sogenannte Kreditausfallversicherungen (CDS) für zehnjährige Staatspapiere zuletzt drastisch gestiegen. Auf jedem Bundesbürger lasten rein rechnerisch bereits jetzt 24 904 Euro öffentliche Schulden, wie das Statistische Bundesamt bekanntgab - so viel wie noch nie.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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