Wirtschaft

Spaniens Volksseele brennt Rajoy qualmt Zigarre

Mariano Rajoy gilt als Stereotyp eines Galiziers, spröde und formal. Öffentliche Auftritte sind nicht seine Sache, er genießt lieber im Stillen. Dass da alle Augen auf ihn gerichtet sind, kommt ungelegen.

Mariano Rajoy gilt als Stereotyp eines Galiziers, spröde und formal. Öffentliche Auftritte sind nicht seine Sache, er genießt lieber im Stillen. Dass da alle Augen auf ihn gerichtet sind, kommt ungelegen.

(Foto: REUTERS)

Dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy schlägt der geballte Zorn des Volkes entgegen. Während sich die sozialen Spannungen im Land entladen und die Regierung den Menschen weitere Entbehrungen abfordert, flaniert er mit Zigarre in der Hand über die Sixth Avenue. Rajoy tut sich nicht das erste Mal durch fehlendes Feingefühl hervor.

Es ist ein Bild wie aus einer verkehrten Welt: Während die rezessionsgeplagten Spanier noch schwer am neuen Sparprogramm der Regierung schlucken, wird Ministerpräsident Mariano Rajoy schlendernd mit einer Zigarre in der Hand auf der edlen New Yorker Shopping-Straße Sixth Avenue gesichtet. Ein spanischer Fotograf lichtete ihn am Donnerstagabend zufällig in der Nähe der Radio City Music Hall ab. Rajoy kam von einem Interview aus dem Gebäude des "Wall Street Journal" und befand sich auf dem Weg zum Sitz der UNO. In ihrem Artikel schrieben die Journalisten später, dass Rajoy bei dem Gespräch sehr entspannt gewesen sei.

Das zeitliche Zusammentreffen eines entspannt rauchenden Rajoys in New York und einer Regierung in Madrid, die fast zeitgleich den strengsten Sparhaushalt in der jüngsten Geschichte des Landes enthüllt, löste in Spanien eine Welle der Empörung aus. Viele Spanier betrachten den Auftritt als schwere Provokation. Die Zeitungen griffen das Thema auf und druckten das Foto.

Insbesondere die Zigarre als Inbegriff eines luxuriösen Lebensstils empfinden offenbar viele als geschmacklos. Ein Viertel der Spanier ist arbeitslos. Viele kämpfen in der Krise gegen den sozialen Abstieg. Zahlreiche Entbehrungen mussten die Bürger bereits hinnehmen. Für 2013 muss das  Land den Gürtel wieder enger schnallen. An den Menschen geht das nicht spurlos vorbei. Die konservative Regierung setzt vor allem auf Einschnitte im Sozialwesen. Ein Ende der Rosskur ist nicht abzusehen. Viele fragen sich, ob die Regierungsvertreter überhaupt wissen, was sie ihrem Volk zumuten.

Wer das Volk ignoriert, wird bestraft

Auf Twitter gingen die Wut-Bürger besonders hart ins Gericht mit Rajoy. Er erinnere an die französische Königin Marie-Antoinette, hieß es da. Sie soll einmal gesagt haben, die verarmte Bevölkerung solle doch statt des fehlenden Brotes Kuchen essen. Die Ignoranz der überheblichen Klasse wurde in der Französischen Revolution schwer bestraft. Marie Antoinette wurde geköpft. Auch in dem schuldengeplagten Spanien brennt die Volksseele – und das nicht erst seit gestern. Nur einen Tag vor dem neu geschnürten Sparpaket hatten wieder Tausende ihrem Unmut auf der Straße teils gewaltsam Luft gemacht. Gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellen Auftritte wie der von Rajoy den sozialen Frieden schwer auf die Probe.

Rajoy verliert in der Wählergunst.

Rajoy verliert in der Wählergunst.

(Foto: REUTERS)

Schon früher hat der spanische Ministerpräsident sich nicht gerade durch Feinfühligkeit und gelungene Kommunikation hervorgetan. Die Wellen, die das New Yorker Foto in der Öffentlichkeit schlug, veranlassten eine Sprecherin Rajoys so auch zumindest zu einer kleinen Erklärung. Rajoy habe einen extrem engen Terminplan und nur diese eine Möglichkeit gehabt, seine Zigarrenpause zu genießen. Rajoy äußerte sich dazu nicht. Ein Beispiel von verunglückter Kommunikation lieferte er aber dennoch. Wirtschaftsvertreter in New York forderte er auf, die Ausschreitungen in seinem Heimatland einfach zu ignorieren und sich auf die "schweigende Mehrheit" seiner Unterstützer zu konzentrieren. 

Außer Spesen nichts gewesen

Anfang der Woche hatte ein Bericht über eine Spesenrechnung von Rajoy für Empörung gesorgt. Auf dem Rückweg von einem Spiel der Fußball-EM soll der privilegierte Volksvertreter mit seiner Delegation ein 1000-Euro-Menü genossen haben. Bezahlen musste dieses Vergnügen natürlich das Volk. All dies hinterlässt deutlich negative Spuren in der Wählergunst des Spaniers, wie Umfragen zeigen. Wobei die konservative Volkspartei (PP) aber immer noch vor den Sozialisten liegt. 

Vorgeworfen wird Rajoy auch, dass er erst in allerletzter Minute das Mäntelchen des Schweigens über dem desolaten spanischen Bankenwesen gelüftet hat. An der Front dürfte es spannend bleiben. Die Kommunikationsanstrengungen von Rajoy zum Zustand der Nation werden von den Finanzmärkten argwöhnisch verfolgt. Die Welt wartet immer noch auf eine klare Ansage, ob Spanien nun einen Hilfsantrag stellen will oder nicht.

Quelle: ntv.de

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