Wirtschaft

Der Nächste, bitte! Portugal lehnt Hilfe ab

Irland gibt seinen Widerstand auf und hängt sich an den Tropf der Europäischen Union. Portugal verspürt wenig Lust, sich neben den widerborstigen Patienten auf die Intensivsation zu legen. Doch den Südeuropäern bleibt wohl nichts anderes übrig.

Premierminister Socrates und Finanzminister Teixeira dos Santos.

Premierminister Socrates und Finanzminister Teixeira dos Santos.

(Foto: REUTERS)

Portugal hat wenig Lust, das irische Schicksal zu teilen. Denn der ehemalige keltische Tiger hat jüngst eine eindrucksvolle Landung als Bettvorleger hingelegt und gibt wahrlich keine gute  Figur ab. Mit Blick auf Dublin wird die portugiesische Regierung deshalb nicht müde zu betonen, das Land brauche keine Hilfsgelder – weder von der Europäischen Union noch vom Internationalen Währungsfonds.

Dieses Mantra war auch lange aus Irland zu hören, bis nun doch unter dem EU-Rettungsschirm Schutz gesucht wurde. Das ist auch Lissabon bewusst und so weisen Präsident und Kabinett ohne Unterlass auf die Unterschiede zwischen beiden Ländern hin, um Zweifel an der Stärke Portugals zu zerstreuen.

Es gebe keine Krise im Bankensystem und keine Immobilienblase, sagt Präsident Anibal Cavaco Silva. Und auch  Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos betont, die Lage in Portugal sei mit Irland nicht vergleichbar: "Portugal hat ein modernes, anspruchsvolles, gut reguliertes und gut beaufsichtigtes, widerstandsfähiges und gut kapitalisierte Bankensystem." Außerdem habe die Regierung  eine Strategie zur Haushaltskonsolidierung vorgelegt und Reformen angekündigt, um die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstumspotenzial des Landes zu steigern.

Banken sind nicht das Problem

Da ist etwas dran. Im Gegensatz zu Irland geht die Gefahr tatsächlich nicht von den Banken aus. Doch auch Portugal ächzt unter einem großen Schuldenberg. Außerdem muss das Land nicht nur mit der Finanz- und Wirtschaftskrise fertig werden, sondern auch mit einer politischen Krise.

Seit September führt Ministerpräsident José Socrates lediglich eine Minderheitsregierung, frühestens im Januar wird gewählt. Vor diesem Hintergrund ist es für den Premier außerordentlich schwierig, dringend benötigte Reformen durchzusetzen. So gelang es ihm nur mit großer Mühe, einen Sparhaushalt 2011 durch das Parlament zu bringen.  Im ärmsten Land Westeuropas sollen demnach die Gehälter im öffentlichen Dienst um fünf Prozent gekürzt und die Mehrwertsteuer angehoben werden.

Einsparungen und Steuererhöhungen scheinen unausweichlich, denn neben Griechenland, Irland und Spanien zählt Portugal zu den am höchsten verschuldeten Ländern der Eurozone. Die Staatsschulden lagen Ende 2009 bei 109 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Neuverschuldung erreichte 2009 den Rekord von 9,4 Prozent. Das Land konnte jüngst langfristige Staatsanleihen nur zu hohen Zinsen von fast sieben Prozent platzieren.

Angesichts der immer teurer werdenden Refinanzierung soll das Defizit dieses Jahr auf 7,3 Prozent und kommendes Jahr auf 4,3 Prozent gedrückt werden.  Deshalb hat die Regierung bereits im März ein Sparpaket geschnürt. Die Einkommenssteuern wurden angehoben, Unternehmen sollen mit einer "Krisensteuer" von 2,5 Prozent auf die Gewinne belastet werden. Durch Privatisierungen hofft man auf Einnahmen in Milliardenhöhe.

Die Skepsis wächst

Doch diese Schritte reichen bei Weitem nicht aus. So ist Haushaltsdefizit in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen – ganz im Gegensatz zum ebenfalls angeschlagenen Nachbarn Spanien, dem eine drastische Kürzung gelang.

Portugals Regierung ist zu einem Drahtseilakt gezwungen: Sie muss drastisch sparen, darf dabei die Konjunktur jedoch nicht vollends abzuwürgen. Das Risiko ist hoch, der OECD zufolge dürfte das Land im kommenden Jahr in die Rezession zurückfallen. Die Organisation geht davon aus, dass die Wirtschaft um 0,2 Prozent schrumpfen wird.

Je düsterer die Aussichten für Portugal sind, desto größer wird die Skepsis von Investoren. Finanzminister dos Santos hatte jüngst erklärt, bei Zinsen von sieben Prozent sei der Zeitpunkt gekommen, zum Internationalen Währungsfonds zu gehen. Diese Marke ist in Reichweite.

Noch hofft die Regierung inständig, dass sich die Finanzmärkte bald beruhigen und niedrigere Zinsen verlangen werden. Doch danach sieht es nicht aus. Portugal leidet unter einer enormen Wirtschaftsschwäche und fehlender Wettbewerbsfähigkeit. Um diese Probleme zu lösen, bedarf es tiefgreifender Reformen.  Aber ohne Mehrheit im Parlament, angesichts wachsender Proteste der Bevölkerung und anstehender Wahlen hat die Regierung nur wenig Spielraum.

Das wissen auch die Finanzmärkte. Deshalb wird sich Portugal wohl bald am Tropf von EU und IWF befinden. Der Krankenhausaufenthalt wird lange Zeit dauern und sehr schmerzhaft – nicht nur für den Patienten, sondern auch für die Angehörigen. Aber immerhin gibt es im Krankenzimmer ein beeindruckendes Tigerfell.

Quelle: ntv.de

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