Wirtschaft

Gerüchte um ein EU-Krisentreffen Plant Athen den Austritt?

Dunkle Wolken am Himmel über Athen.

Dunkle Wolken am Himmel über Athen.

(Foto: REUTERS)

Spekulationen um eine brachiale Lösung der griechischen Schuldenprobleme sorgen kurz vor dem Wochenende für reichlich Aufsehen: Einem Bericht zufolge denkt die griechische Regierung angeblich ernsthaft über einen Abschied vom Euro nach. Ein Ausscheren aus der Währungsunion hätte dramatische Folgen - nicht nur für die Griechen. In Brüssel, Berlin, Paris und Athen wird "vehement" und "kategorisch" dementiert.

Papandreou, Sarkozy, Merkel (v.l.n.r.): Steht die Gemeinschaftswährung vor dem Zerfall? (Archivbild)

Papandreou, Sarkozy, Merkel (v.l.n.r.): Steht die Gemeinschaftswährung vor dem Zerfall? (Archivbild)

(Foto: REUTERS)

Griechenland soll einem Medienbericht zufolge angeblich den Austritt aus der Eurozone erwägen. Die Regierung in Athen denke darüber nach, den Währungsraum zu verlassen und wieder eine eigene Währung einzuführen, berichtete der "Spiegel". Auf entsprechende Signale hin habe die EU-Kommission die Euro-Finanzminister zu einem Sondertreffen in Luxemburg geladen, hieß es. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wolle die Griechen unter allen Umständen von dem Schritt abhalten, hieß es weiter. Eine interne Vorlage seines Ministeriums warne vor katastrophalen Folgen eines Austritts Griechenland.

Die griechische Regierung wies die Gerüchte über einen angeblichen Ausstieg des Landes aus dem Euro "kategorisch" zurück: "Der Bericht über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ist falsch", sagte Finanzstaatssekretär Filippos Sachinidis. "Derartige Berichte untergraben die Bemühungen Griechenlands und dienen nur den Spekulanten", erklärte ein Sprecher aus dem Umfeld von Regierungschef Giorgos Papandreou.

Schwere Aufgaben: Giorgos Papandreou.

Schwere Aufgaben: Giorgos Papandreou.

(Foto: REUTERS)

In deutschen Regierungskreisen hieß es, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone "stand und steht nicht an". Das französische Finanzministerium bezeichnete den Bericht des "Spiegel" als "vollkommen frei erfunden". Zuvor hatte bereits ein Sprecher von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker den Bericht als falsch zurückgewiesen. "Es gibt kein Treffen in Luxemburg", sagte er. "Das sind Gerüchte ohne Substanz."

In einer ersten Reaktion aus Athen hatte es von offizieller Seite zunächst nur geheißen, die Gerüchte seien "lächerlich". In einer später verbreiteten schriftlichen Erklärung des Finanzministeriums hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur ANA: "Wir dementieren es vehement".

Treffen ja, Austritt nein?

Hinter den Spekulationen um einen Tabubruch in der Eurozone steckt offenbar doch ein realer Anlass: Nach Informationen aus EU-Kreisen kamen die Finanzminister einiger Euro-Länder am Abend tatsächlich zu einem Treffen in Luxemburg zusammen, um über die Schuldenkrise in Griechenland und Portugal zu beraten.

Ein verlassener Flughafen in unweit von Athen: Die Pläne, hier ein Finanzzentrum nach Londoner Vorbild zu errichten, kommen nicht recht voran.

Ein verlassener Flughafen in unweit von Athen: Die Pläne, hier ein Finanzzentrum nach Londoner Vorbild zu errichten, kommen nicht recht voran.

(Foto: REUTERS)

Es gebe dabei allerdings keinen Plan zur Umschuldung der griechischen Staatsschulden. "Es geht um Portugal, Griechenland und die Europäische Zentralbank", sagte ein mit dem Vorgang vertrauter Informant. Solche Treffen im kleinen Kreis seien nichts Neues. "Alle sind gleich, aber manche sind gleicher als andere", hieß es vielsagend.

Diesen Angaben zufolge nahmen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Amtskollegen aus Frankreich, den Niederlanden und Finnland an der Zusammenkunft teil. Auch in Koalitionskreisen in Berlin wurde bestätigt, dass eine Sitzung in Luxemburg stattfindet und Schäuble sowie Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen daran teilnehmen.

Der Euro verlor nach den ersten Berichten über das "Geheimtreffen" bis zum Abend gut eineinhalb Cent seines Wertes. Experten werteten die Gerüchte als Zeichen dafür, dass die griechische Regierung mit den Bedingungen für das milliardenschwere Rettungspaket von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds unzufrieden ist.

Mit etwas Abstand betrachtet, belegt der Wirbel um angebliche Austrittspläne samt seiner ungewöhnlich scharfen Dementis, dass die europäische Schuldenkrise längst noch überwunden ist. Die Beteiligten wirken extrem nervös. Dabei kursieren Spekulationen um eine drastische Lösung der griechischen Schuldenprobleme bereits seit Wochen.

In diesem Zusammenhang ist oftmals von einem sogenannten "Hair Cut" die Rede, also einem Schuldenschnitt, bei dem die Gläubiger griechischer Staatsschulden auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssten. Eine ähnliche Lösung war in der Vergangenheit beispielsweise in Argentinien zur Anwendung gekommen.

Scharfe Warnungen von der EZB

Der Tonfall in der Debatte schien sich zuletzt deutlich zu verschärfen. Kurz vor dem fraglichen Bericht aus der Hamburger "Spiegel"-Redaktion hatte der Freiburger Wirtschaftsweise Lars Feld der Europäischen Zentralbank (EZB) in Zusammenhang mit einer Umschuldung Griechenlands Panikmache vorgeworfen.

"Anstatt darüber nachzudenken, wie man so etwas mit möglichst wenig negativen Begleiterscheinungen über die Bühne bringt, betreibt die EZB Panikmache. Das halte ich für falsch", sagte Feld der "Badischen Zeitung". Die EZB hatte wiederholt vor einem Schuldenschnitt gewarnt, weil sie ein ähnliches Finanzdesaster wie nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 befürchtet.

Welche Rolle spielt Trichet?

Vor allem EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ist nach Meinung des Wirtschaftsweisen gegen den Schuldenschnitt, bei dem die Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. "Nach meiner Einschätzung fürchtet sich der EZB-Chef davor, als EZB-Präsident in die Geschichte einzugehen, der einen Finanz-GAU zu verantworten hat." Trichet gibt den Posten im Herbst ab.

Eine Umschuldung in Griechenland sei wegen der hohen Schuldenlast notwendig, sagte der Leiter des Freiburger Walter-Eucken-Instituts. Feld schlug vor, die Laufzeiten griechischer Staatsanleihen zu verlängern. Dies käme einem teilweisen Forderungsverzicht der Gläubiger gleich. Zusätzlich sollte der Euro-Rettungsfonds Griechenland zinsgünstige Kredite geben, mit dem die Athener Regierung dann eigene Staatsanleihen zurückkaufen könnte.

Welchen Zinssatz bekommt Portugal?

Unterdessen haben die Euroländer im Fall Portugal noch nicht über die Zinssätze für die Milliardenkredite entschieden. Dies sei Aufgabe der obersten Kassenhüter des Eurogebiets, die am 16. Mai in Brüssel zu ihrem Mai-Treffen zusammenkommen wollen, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Vorne 1, hinten Eule: Griechenland und der Euro (Archivbild).

Vorne 1, hinten Eule: Griechenland und der Euro (Archivbild).

(Foto: REUTERS)

Das ärmste Land Westeuropas soll ein Paket von 78 Mrd. Euro erhalten, an dem sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt. Dazu hatte es am Donnerstag eine Einigung gegeben. Nach unbestätigten Spekulationen soll Lissabon für die Kredite aus Europa etwa 4,2 Prozent Zinsen zahlen. Schuldensünder Irland nahm seinerzeit seine Kredite zu 5,9 Prozent auf. Dublin dringt auf eine Verminderung der Zinssätze, konnte sich damit bei den Euro-Partnern aber bisher noch nicht durchsetzen. "Die Diskussionen dauern an", sagte der Sprecher Rehns zum Thema Irland-Zinsen.

Am 16. Mai müssen die Finanzminister des Eurogebiets noch das Portugal-Paket einstimmig verabschieden, sonst sind Hilfen aus dem europäischen Rettungsfonds nicht möglich. Ob Finnland mitzieht, ist wegen des Ergebnisses der vergangenen Parlamentswahlen noch unsicher.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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