Wirtschaft

Neue Notaktion am Finanzmarkt Notenbanker fluten den Markt

Mehr Liquidität für die Märkte.

Mehr Liquidität für die Märkte.

(Foto: REUTERS)

Die großen Zentralbanken der Welt ringen um Vertrauen im Bankensektor. In einer konzertierten Aktion pumpen sie frisches Geld in die Märkte. Damit wollen sie verhindern, dass bei Banken die Liquidität versiegt und damit auch die Gefahr einer Kreditklemme steigt. Dax und Euro reagieren mit scharfen Kurssprüngen.

Im Kampf gegen die Schuldenkrise gehen die wichtigsten Notenbanken der Welt überraschend in die Offensive. Wie in den schlimmsten Tagen der Finanzkrise stellen sie den Banken in einer koordinierten Aktion mehr Geld zur Verfügung. Damit sollten die Spannungen an den Märkten reduziert und auch die Realwirtschaft unterstützt werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Fast gleichzeitig lockerte auch die chinesische Notenbank unerwartet ihre Geldpolitik und dämpfte so die Sorgen vor einer globalen Rezession.

Viel hilft viel: Die Notenbanker wollen die Nervosität mit Liquidität ersticken.

Viel hilft viel: Die Notenbanker wollen die Nervosität mit Liquidität ersticken.

(Foto: dpa)

"Dies zeigt, dass alle Beteiligten den Ernst der Lage erkannt haben", erklärte Analyst Ralf Umlauf von der Helaba. "Heute ist die Geldpolitik am Zug und zeigt damit, dass sie der Weltkonjunktur unter die Arme greift." An den von der Krise zuletzt stark gebeutelten Aktienmärkten lösten die Aktionen ein Kursfeuerwerk aus: Der Dax baute seine Gewinne auf über vier Prozent aus, die Wall Street machte im frühen Handel einen Sprung von drei Prozent. Der Hauptgeschäftsführer des Landesbanken-Verbandes VÖB und ehemalige Bundesbanker Hans Reckers lobte: "Diese konzertierte Maßnahme wird das Vertrauen in die Bankenmärkte verbessern. Zudem ist der breite Konsens auch geeignet, Ruhe in die internationalen Finanzmärkte zu bringen."

Experten erinnerten allerdings umgehend daran, dass nun die Politiker im Kampf gegen die Schuldenkrise am Zug seien. "Dies ist nur ein Herumlaborieren am Symptom, fundamental ändert sich nichts", warnte Giuseppe Amato von Lang & Schwarz. "Die Politiker müssen jetzt liefern. Das Zeitfenster schließt sich immer schneller." In Brüssel bereiteten die EU-Finanzminister das Gipfeltreffen in der kommenden Woche vor.

Dollar werden knapp

Beteiligt an der Aktion waren die Europäische Zentralbank, die US-Notenbank Federal Reserve sowie die Notenbanken Kanadas, Japans, Großbritanniens und der Schweiz. Im Kern geht es den Notenbanken darum, die von der Schuldenkrise in Mitleidenschaft gezogenen europäischen Banken ausreichend mit Dollar zu versorgen. Den Instituten fiel es zuletzt schwer, sich Dollar-Kredite zu beschaffen - viele US-Investoren haben ihnen aus Angst vor den Folgen der Schuldenkrise den Geldhahn zugedreht. Sie fürchten, im Falle von Staats- und Bankenpleiten auf ihren Forderungen sitzenzubleiben. Deshalb sind viele europäischen Banken vom US-Geldmarkt nahezu abgeschnitten. Die wichtigste Weltreservewährung ist jedoch zentral für ihre Geschäfte.

Zu allem Überfluss müssen 15 der 37 größten Banken der Welt nun auch noch neue Methoden der Rating-Agentur Standard & Poor's mit schlechteren Bonitätsnoten bezahlen. Das erschwere vor allem ihre kurzfristige Refinanzierung, sagte Investment-Chef Andrew Fraser von Standard Life vor der Aktion der Notenbanken - "ausgerechnet jetzt, wo die Banken bei der Liquidität ohnehin unter Druck stehen". Die Deutsche Bank und die Commerzbank wurden nicht herabgestuft, der Ausblick für das Rating des deutschen Branchenprimus ist nun aber "negativ" und nicht mehr "stabil". Japans Notenbank-Chef Masaaki Shirakawa betonte, die konzertierte Aktion habe nichts mit der Herabstufung zu tun.

Die Notenbanken verständigten sich darauf, den Geschäftsbanken bis ins Jahr 2013 hinein unbegrenzt Dollar zur Verfügung zu stellen. Hierzu holt sich die EZB Dollar von der US-Notenbank und verleiht sie an Banken des Euro-Systems weiter. Gleichzeitig wurden die Kosten für diese sogenannten Dollar-Swaps gedrückt. "Dies wird die Profitabilität der Banken erhöhen und verschafft ihnen eine bessere Chance, ihre Kapitalquoten anzuheben", sagte Berenberg-Experte Christian Schulz. Zur Kontrolle der Risiken der Schuldenkrise müssen die Banken derzeit ihr Kapital aufstocken. Um für einen Notfall gewappnet zu sein, vereinbarten die Zentralbanken zudem Tauschgeschäfte, um jederzeit die von Banken benötigte Währung bereitstellen zu können.

Notenbanken fürchten Kreditklemme

Analysten begrüßten das konzertierte Vorgehen einmütig. Dies zeige, dass die Verantwortlichen das Problem endlich angingen, sagte etwa Mark Cliffe, Chefvolkswirt der ING Group: "Zuletzt haben wirklich düstere Szenarien die Runde gemacht. Angesichts dessen ist es wirklich umso wichtiger, dass sie nun mit aggressiven Maßnahmen das Bankensystem unterstützen." Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel erklärte, die Notenbanken wollten vor allem eine neue Liquiditätskrise abwenden, die nach der Lehmann-Pleite vor drei Jahren das globale Finanzsystem lähmte. Damals trocknete der Geldmarkt aus, weil sich Banken untereinander kein Geld mehr liehen. "Die Notenbanken stehen Gewehr bei Fuß. Jegliche Anzeichen einer Liquiditätskrise werden mit allen Mitteln bekämpft. Wenn Verspannungen auftreten, werden sie nachschießen." Japan signalisierte bereits, dass die Aktion nicht zwingend singulär bleiben muss: "Die Regierung wird die Entwicklung auf den weltweiten Finanzmärkten weiterhin aufmerksam beobachten und angemessen reagieren", erklärte Wirtschaftsminister Motohisa Furukawa. In dem asiatischen Land hat die Politik großen Einfluss auf die Zentralbank.

Die chinesische Notenbank lockerte kurz vor der Ankündigung der übrigen Notenbanken überraschend erstmals seit drei Jahren die Mindestreserve-Anforderungen der Banken, um die erlahmende Konjunktur im Reich der Mitte zu stützen. Sie ermöglicht den Banken damit eine Ausweitung der Kreditvergabe, weil sie weniger Geld bei der Zentralbank parken müssen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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