Politik

Finanzminister verhandeln am Abend Zypern ändert die Pläne

Nachtsitzungen, Verschiebungen, neue Konditionen: Zypern hält Europa und die Märkte in Atem.

Nachtsitzungen, Verschiebungen, neue Konditionen: Zypern hält Europa und die Märkte in Atem.

(Foto: Reuters)

Zitterpartie Zypern-Rettung: Kurzfristig verschiebt das hilfsbedürftige Euro-Mitglied die entscheidende Abstimmung über eine umstrittene Zwangsabgabe, mit der die Euro-Retter private Sparer an der Rettung des Landes beteiligen wollen. Die Regierung gewinnt einen Tag Zeit, um eine belastbare Mehrheit zu schmieden. Gleichzeitig verschieben die Euro-Finanzminister ihre Gespräche.

"Wer ist als nächster dran?": In Zypern kocht der Volkszorn hoch.

"Wer ist als nächster dran?": In Zypern kocht der Volkszorn hoch.

(Foto: dpa)

Die Zypern-Rettung zieht sich hin. Nachdem die entscheidende Parlamentssitzung des EU-Landes mit der Abstimmung der zyprischen Abgeordneten über das Rettungspaket der Euro-Finanzminister kurzfristig verschoben wurde, reagieren auch die Euro-Finanzminister: Ihre Telefonkonferenz ist auf die Abendstunden verschoben wurden. Demnach wird die Eurogruppe erst um 19.30 Uhr (MEZ) miteinander in Verbindung treten, wie aus EU-Kreisen verlautete.

Das zyprische Parlament soll gar erst am Dienstag über das umstrittene Gesetz zur Zwangsabgabe auf Bankeinlagen abstimmen, teilte der Vorsitzende einer der beiden regierenden Koalitionsparteien, Marios Karogian, mit. Zuvor hatte bereits der staatliche TV-Sender RIK über die kurzfristigen Änderungen im Zeitplan berichtet und sich dabei jedoch auf Informationen aus Parlamentskreisen berufen.

Parlamentspräsident Giannakis Omirou bestätigte: "Das Repräsentantenhaus wird morgen um 18.00 Uhr zusammenkommen. Der Grund: Es gibt einige Änderungen im Gesetzesentwurf die jetzt erörtert und erklärt werden müssen." Einzelheiten nannte er nicht.

Es sei notwendig, Zeit zu haben, um detailliert über das Gesetz zu beraten, hieß es zur Begründung. Zudem sollen auch die Banken nach Angaben aus Zentralbankkreisen Zyperns bis Donnerstag geschlossen blieben. Aus Nikosia hieß es, es gebe zahlreiche Abgeordnete, die sich weigern, der Zwangsabgabe zuzustimmen. Karogian sprach von einer "wahllosen Konfiszierung". Die Politik der Eurogruppe sei eine Erpressung und sei auch unmoralisch, meinten andere Abgeordnete.

Die Welt schaut auf Nikosia: Präsident Nicos Anastasiades auf dem Weg ins Parlament.

Die Welt schaut auf Nikosia: Präsident Nicos Anastasiades auf dem Weg ins Parlament.

(Foto: REUTERS)

Hinter den Kulissen wird offenbar weiter an einer Verbesserung der Zwangsabgabe für Kleinanleger gearbeitet. Die mit der Euro-Gruppe vereinbarte Beteiligung hatte massive Kritik bei Zyprern wie auch ausländischen Anlegern ausgelöst. Die Stimmung in der Bevölkerung beschreiben Beobachter als "aufgebracht". Die zyprische Regierung will das umstrittene Rettungspaket vor der entscheidenden Parlamentsabstimmung nachverhandeln und eine geringere Zwangsabgabe für die Kleinsparer zyprischer Banken durchsetzen.

Limit bei 20.000 Euro?

Neu im Gespräch ist ein Freibetrag für Kleinsparer: Zur Schonung heimischer Kunden mit geringerem Vermögen will die Regierung des Inselstaates nach Angaben aus Parlamentskreisen einen Freibetrag von 20.000 Euro vorschlagen. Für darüber hinaus gehende Einlagen bis zu einer Summe von 100.000 Euro solle die Abgabe 6,7 Prozent betragen, Einlagen über 100.000 Euro würden wie auch bisher vorgesehen mit 9,9 Prozent belastet, hieß aus den Kreisen.

Durch die Einführung eines Freibetrages würde sich die auf 5,8 Mrd. Euro festgelegte Summe verringern, die aus dem Programm zusammenkommen sollte. Die Regierung in Nikosia verhandelt derzeit mit den Parteien, um eine Mehrheit für die Vereinbarung mit der Euro-Gruppe im Parlament zu erreichen.

"Die Zyprer diskutieren darüber und arbeiten an einem neuen Vorschlag, um eine Zustimmung im Parlament zu erhalten", hatte ein EU-Vertreter zuvor Gerüchte über anstehende Nachevrhandlungen bestätigt. Das Vorgehen ist heikel und organisatorisch nicht unkompliziert: Die Euro-Finanzminister hatten sich erst nach zähen Verhandlungen in der Nacht auf Samstag auf einen Rettungsplan geeinigt. Jetzt stehen wichtige Details erneut zur Debatte. Um eine Einigung zu erzielen, müssen sie in der europäischer Runde abgestimmt werden.

Neue europäische Zitterpartie

"Der Plan ist, dass der Vorschlag heute vorliegt und die Eurogruppe dann in einer Telefonkonferenz darüber berät", hieß es aus Brüssel. Die entscheidende Abstimmung im zyprischen Parlament über das mühsam vereinbarten Rettungspaket war bislang für Montagnachmittag, 15.00 Uhr (MEZ) vorgesehen. Jetzt kann frühestens am Dienstag mit einer Abstimmung gerechnet werden.

Einem in Brüssel kursierenden Vorschlag zufolge ist auch in der Diskussion, Bankkunden mit Guthaben unter 100.000 Euro lediglich etwas geringer zu belasten als bisher geplant. Eine Beratung der Euro-Finanzminister ist bisher aber noch nicht angesetzt, wie ein Sprecher von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte. "Noch ist nichts geplant, aber dieser Tag ist ziemlich schwer vorherzusagen."

Mit diesem neuen Modell versuche die Regierung in Nikoasia, private Sparer zu entlasten und große Vermögen stärker zur Kasse zu bitten, hatte das "Wall Street Journal" zuvor berichtet. Demnach solle die Abgabe auf Guthaben von bis zu 100.000 Euro von 6,75 auf 3 Prozent reduziert werden. Für Vermögen oberhalb von 500.000 Euro schlage Zypern nun 15 Prozent vor, berichtet das "WSJ" unter Berufung auf EU-Beamte. Von einem Freibetrag war bei diesem Vorschlag zunächst nicht die Rede.

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Haben Sie Angst um Ihre Ersparnisse?

Bislang ist offiziell noch vorgesehen, dass die Bankkunden einheitlich auf Guthaben über 100.000 Euro 9,9 Prozent abgeben. An dem geplanten Gesamtbeitrag von 5,8 Mrd. Euro, den Bankkunden zum Rettungspaket beisteuern, solle sich dadurch nichts ändern.

Der Änderungsvorschlag könnte auf den Versuch zurückgehen, im zypriotischen Abgeordnetenhaus mehr politischen Rückhalt für das Gesamtvorhaben zu gewinnen. Eine Mehrheit ist unsicher: Die Regierung in Nikosia kann sich bislang nicht sicher sein, das Rettungspaket und die damit verbundenen Auflagen tatsächlich durch das Parlament zu bekommen.

Rettung oder Untergang?

Scheitert der Rettungsplan, drohen der Eurozone erhebliche Konsequenzen: Mit dem milliardenschweren Hilfspaket, das von der Eurogruppe beschlossen wurde, soll Zypern vor der Staatspleite gerettet werden. Sollte das Rettungspaket nicht gebilligt werden, droht dem Land der ungeordnete Staatsbankrott. Der konservative Staatspräsident Nikos Anastasiades warnte vor dieser Situation. Gegen Mittag wolle Anastasiades das Parlament über den Ernst der Lage informieren, sagte ein Regierungssprecher in Nikosia.

Gerade die Belastung von Kleinsparern hatte in Zypern ebenso wie international für Kritik gesorgt. Um einem massenhaften Ansturm auf die Konten zuvorzukommen, legte die Zentralbank Zyperns das gesamte Bankensystem quasi lahm. Rund ein Drittel der Einlagen in Zypern sind in der Hand ausländischer Kontoinhaber.

"Wir wollen wirklich die Belastung der Konten unter 100.000 Euro verringern", sagte ein EU-Vertreter. Das Ziel sei aber, wie durch die bisherigen Vorschläge weiterhin 5,8 Mrd. Euro durch die Abgabe einzutreiben. In der Diskussion ist den Angaben zufolge ein dreistufiges Modell mit unterschiedlichen Prozentsätzen für Guthaben bis 100.000 Euro, für bis zu 500.000 Euro und schließlich für Konten mit mehr als einer halben Million Euro.

Patt im Parlament

Die ganze Nacht hindurch liefen Gespräche zwischen Parteien und einzelnen Abgeordneten. Ob der eine oder andere Abgeordnete umgestimmt werden konnte, blieb jedoch unklar. Im Parlament droht nämlich ein Patt, da die beiden Mitte-Rechts- Parteien DISY und DIKO, die den Präsidenten unterstützen, nur 28 von 56 Sitzen haben. Ursprünglich war geplant, dass die Abgeordneten bereits am Sonntag darüber entscheiden.

In einer dramatischen Rede an die Nation rief Anastasiadis dazu auf, die geplante Zwangsabgabe politisch zu unterstützen. Diese sei notwendig, damit Zypern Rettungshilfen von 10 Milliarden Euro von den Partnern der Eurozone und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommt. Die Regierung und die beiden größten Banken der Insel - die Cyprus Popular Bank und die Bank of Cyprus - haben so gut wie kein Geld mehr. Ohne das Darlehen drohe dem Land der Bankrott mit "schmerzhaften" Konsequenzen, warnte Anastasiadis.

Um für mehr Rückhalt im Parlament zu werben, hat Anastasiadis bereits angekündigt, er diskutiere mit den Gläubigern, die Lasten für Kleinsparer gering zu halten.

Deutschland wollte Zyprer schonen

Es ist das erste Mal innerhalb der Euro-Krise, dass auch private Sparkunden Verluste hinnehmen müssen. Und die Angst ist groß, dass sich die zypriotische Schuldenkrise auf die europäischen Finanzmärkte ausdehnen und das Vertrauen in die örtlichen Banken weiter erschüttern könnte.

Nach Angaben von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich Deutschland auf dem Euro-Gipfel dafür ausgesprochen, Kleinsparer von den Zwangszahlungen zur zyprischen Bankenrettung auszunehmen. "Wir hätten die Einlagensicherung respektiert", sagte der CDU-Politiker. Das hätte bedeutet, dass Beträge bis zu 100.000 Euro nicht angetastet worden wären.

Am Wochenende haben nervöse Sparkunden in Zypern schon die Banken gestürmt und in Massen Geld von ihren Konten abgehoben. Viele sind geschockt und verärgert über die geplante Sondersteuer. Ein besonders wütender Anwohner in der Stadt Limassol im Süden der Insel parkte aus Protest einen Bagger vor einer Bankfiliale.

Obwohl die Abstimmung im Parlament noch aussteht, hat die zyprische Regierung die Banken des Landes bereits angewiesen, die Steuer auf die Konten aufzuschlagen, bevor sie irgendeinen Cent aushändigen. Und größer noch als die Sorge vor einem Ansturm der einheimischen Sparkunden ist die Frage, wie jetzt die ausländischen Sparkunden reagieren werden, die mehr als ein Drittel aller Spareinlagen auf zypriotischen Bankkonten besitzen. Im Januar hoben beunruhigte Sparer laut letzten verfügbaren Daten schon rund 1,7 Mrd. Euro von den zypriotischen Konten ab, weil sie genau solch eine Steuer kommen sahen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/DJ/rts

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