Wirtschaft

"Willkürlich und ungerechtfertigt" Moody's kratzt an Deutscher Bank

Punktgenau zum Eurogruppen-Treffen: Moody's lenkt Aufmerksamkeit auf die Lage der Großbanken.

Punktgenau zum Eurogruppen-Treffen: Moody's lenkt Aufmerksamkeit auf die Lage der Großbanken.

(Foto: dpa)

Mitten im Wirbel der europäischen Schuldenkrise entfacht die Ratingagentur Moody's neue Unruhe: Die Bonitätswächter werfen schlechtere Noten für eine Reihe international agierender Banken auf den Markt. Ihr jüngster Rundumschlag trifft auch die Deutsche Bank. Erste Reaktionen zeigen: In der Branche liegen die Nerven blank.

In einem Aufsehen erregenden Rundumschlag hat die Ratingagentur Moody's einer Auswahl von 15 führenden Großbanken schlechtere Bonitätsnoten verpasst. Die Analysten begründeten ihren Schritt mit Unsicherheitsfaktoren wie der anhaltenden Schwäche der US-Wirtschaft, die europäische Schuldenkrise und unberechenbare Finanzmärkte. Betroffen von der Herabstufung ist auch die größte Bank Deutschlands, die Deutsche Bank.

Im Bewertungsschema von Moody's verschlechtert sich das Rating für langfristige Schuldtitel der Deutschen Bank von zuvor "AA3" auf "A2". Der Ausblick sei stabil, teilte die Ratingagentur mit. Die Deutsche Bank rangiert in der Einschätzung von Moody's im Mittelfeld der internationalen Finanzriesen. Als problematisch stuft die Ratingagentur hier ein, dass die Frankfurter fast die Hälfte ihrer Einnahmen aus dem schwankungsanfälligen Kapitalmarktgeschäft erzielten.

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Die abgestuften Banken seien in besonderer Weise den Risiken und der Volatilität des Kapitalmarkts ausgesetzt, erklärte der zuständige Moody's-Experte Greg Bauer in New York. Er betonte allerdings, dass die Häuser auch Geschäfte besäßen, die stabilisierend wirkten. "Diese Aktivitäten können bedeutende 'Schock-Absorber' sein." Die Deutschen Bank ließ das Vorgehen der Ratingagentur zunächst unkommentiert.

Mit dem Schritt reagierte Moody's eigenen Angaben zufolge auf die trüben Aussichten der Branche, die mit sinkenden Gewinnen, härteren Auflagen, schleppendem gesamtwirtschaftlichen Wachstum und nervösen Investoren kämpfen. Es ist das erste Mal seit 2007, dass Moody's den Bankensektor derart kritisch sehen. Im Kern geht es um solche Geldhäuser, die weltweite Finanzhandelsgeschäfte betreiben, nicht unbedingt um Banken mit direktem Kundenverkehr. Alle betroffenen Banken böten eine "erhebliche Angriffsfläche gegenüber den Schwankungen und den Risiken außerordentlicher Verluste, die Aktivitäten am Kapitalmarkt innewohnen", rechtfertigte Moody's-Analyst Bauer die Aktion.

Zuvor hatte Moody's die Bank zusammen mit anderen prominenten Namen auf der sogenannten Beobachtungsliste geführt. An der Börse fielen die Reaktionen zunächst gemäßigt aus: Die Aktion durch Moody's sei erwartet worden, daher hielten sich die Kursverluste in Grenzen, sagte ein Händler. Der europäische Bankenindex notierte 0,4 Prozent schwächer.

Scharfe Reaktionen aus der Branche

Neben der Deutschen Bank betroffen waren in Europa unter anderen Häuser wie Credit Suisse, UBS, HSBC, Barclays, Royal Bank of Scotland, BNP Paribas, Credit Agricole und Societe Generale. In den USA traf es JP Morgan, Morgan Stanley, Citigroup, Bank of America und Goldman Sachs. In Kanada musste die Royal Bank of Canada ein schlechteres Rating hinnehmen. Die Bewertungen der Banken wurden um eine bis drei Stufen gesenkt, große Überraschungen gab es dabei Experten zufolge nicht.

Das Rating von Morgan Stanley, eine der am schärfsten beobachteten Banken, wurde um zwei Stufen auf "Baa1" gesenkt - eine Notenstufe weniger als in Fachkreisen erwartet. Morgan Stanley beklagte dennoch in einer Stellungnahme, die neue Bewertung berücksichtige nicht alle strategischen Maßnahmen, die bereits in den vergangenen Jahren ergriffen worden seien. Auch Citigroup reagierte scharf auf die Bewertung durch Moody's. Die Wortwahl zeigt, wie blank die Nerven liegen. Die Herabstufung sei "willkürlich und vollkommen ungerechtfertigt", erklärte der Konzern noch in der Nacht. Moody's schaue nur zurück und sehe nicht, welche Fortschritte die Bank gemacht habe.

Die Citigroup gehörte zu den Instituten, die vom US-Steuerzahler während der Finanzkrise 2008 gerettet werden mussten. Die Analyse der Ratingagentur sei unbegründet und völlig ungerechtfertigt, hieß es. Citigroup wurde von "A3" auf "Baa2" herabgestuft. Härter als erwartet traf es die Credit Suisse: Sie wurde als einzige Bank drei Stufen schlechter benotet. Mit nunmehr "A1" schneiden die Schweizer aber immer noch besser ab als die meisten anderen Banken.

Direkte und versteckte Folgen

Eine Herabstufung in der Beurteilung der Kreditwürdigkeit kann die Aufnahme von frischen Krediten am Kapitalmarkt erschweren und verteuern. Die Höhe der Kreditzinsen ist dabei allerdings abhängig von der Marktlage und dem Zutrauen der Geldgeber. Das Rating soll den Investoren als Orientierungspunkt dienen. Größere Auswirkungen muss eine Bank fürchten, wenn das Rating unter die Schwelle des sogenannten "Investmentgrade" fällt.

Eine Einstufung auf "Ramsch-Status", wie es am Markt umgangssprachlich heißt, hat nicht nur verschärfte Kreditkonditionen zur Folge, sondern wirkt auch direkt auf den Aktienkurs. Weil viele institutionelle Investoren ihr Engagement bei Unternehmen an eine sehr gute Rating-Einstufung knüpfen, ist bei einem größeren "Downgrade" in den Bereich der "B"-Noten mit umfangreichen Abstoßungsreaktionen zu rechnen.

In jedem Fall trifft die aktuelle Rating-Aktion die Geldhäuser an einer empfindlichen Stelle: Die stark am Kapitalmarkt aktiven Großbanken mussten bereits Gewinnrückgänge wegen der Schuldenkrise verdauen. Dazu kommt die Verunsicherung der Investmentkunden an den Aktienmärkten, das erlahmte Geschäft für Börsengänge und die allgemeine Vertrauenskrise.

Neben den Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise und der mauen US-Wirtschaft lasten außerdem neue Vorschriften auf der Ertragskraft der Banken. Sie müssen mehr Kapital vorhalten und sich aus allzu riskanten Geschäften zurückziehen. Das alles schmälert den Gewinn. Tausende Mitarbeiter an der Wall Street oder in den Londoner Handelssälen mussten in der Folge bereits gehen.

Bemerkenswertes Timing

Die Notenvergabe durch Moody's sorgte weltweit für Unruhe: Als besonders heikel empfanden Beobachter den Zeitpunkt der Herabstufung. Während die Finanzminister der Eurogruppe in Luxemburg noch um Lösungen für die angespannte Lage im europäischen Bankensektor ringen, dürfte das abgesenkte Rating nicht zu einer Entspannung der Lage beitragen.

Moody's hatte Mitte Juni mit dem in der Finanzbranche befürchteten Rundumschlag begonnen. Die Agentur nahm dabei zunächst elf Geldhäuser in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und Luxemburg ins Visier. Im Februar hatte Moody's erklärt, wegen der lahmen Wirtschaft und der Flaute auf den Kapitalmärkten 114 Banken und Versicherer zu überprüfen, darunter die Allianz und die Deutsche Bank.

Dabei hatte die Agentur zum Teil bereits angekündigt, um wie viele Stellen sich das Rating der einzelnen Häuser verschlechtern könnte. Dementsprechend hatte es bei Bekanntgabe der ersten Herabstufungen vor einigen Tagen auch kaum Reaktionen an den Finanzmärkten auf die Schritte gegeben. Moody's hatte sein Vorhaben im Februar unter anderem mit der schwachen Wirtschaftsentwicklung in Europa und den mauen Aussichten auf den Kapitalmärkten begründet.

Die konkurrierenden Ratingagenturen S&P und Fitch hatten schon zum Jahreswechsel die Bonitätsnoten für mehrere Länder und Banken gesenkt oder damit gedroht, dies zu tun. Kritiker haben den US-Agenturen vorgeworfen, die Krise in Europa mit ihren Herabstufungen prozyklisch zu verschärfen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/DJ/dpa/rts

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