Wirtschaft

Deutsche und New Yorker Börse einig Mega-Börsenfusion beschlossen

Die Geburtsstunde einer neuen Mega-Börse

Die Geburtsstunde einer neuen Mega-Börse

(Foto: AP)

Die Deutsche Börse steigt zur Nummer eins in der Welt der Aktien auf: Die Aufsichtsräte der Deutschen Börse und der Nyse Euronext einigen sich auf eine Fusion. Die Deutsche Börse übernimmt die Rolle des Seniorpartners. In Frankfurt überwiegt die Freude, in den USA ist der Nationalstolz angekratzt.

Die Deutsche Börse und Nyse Euronext schließen sich zum weltgrößten Börsenanbieter zusammen. Die Aufsichtsräte beider Unternehmen stimmten der Fusion zu, wie die Börsenkonzerne in New York mitteilten. Die Aktionäre der nach Börsenwert gewichtigeren Frankfurter werden wie erwartet 60 Prozent am neuen gemeinsamen Unternehmen halten, das seinen rechtlichen Sitz in den Niederlanden findet. Eine Nyse-Euronext-Aktie soll in 0,47 Aktien der neuen Gesellschaft getauscht werden. Kreisen zufolge sieht die Einigung einen zehnprozentigen Aufschlag auf den Aktienkurs der Nyse Euronext vor. Der amerikanische Marktbetreiber werde damit mit gut zehn Mrd. Dollar bewertet.

Die deutsche Seite bekommt auch 10 der 17 Posten im Verwaltungsrat. Dafür stellen die New Yorker mit Duncan Niederauer den ersten Konzernchef. Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni wird wie geplant Vorsitzender des Verwaltungsrats. Stellvertretender CEO soll der Eurex-Chef Andreas Preuß werden, den Finanzchef stellt die Deutsche Börse mit Gregor Pottmeyer. Auch über die Besetzung des Boards ist man sich einig.

Der neue Börsenriese mit einem Umsatz von zusammen 4,1 Mrd. Euro und einem Marktwert von rund 26 Mrd. Dollar werde globaler Marktführer im Derivatehandel, Risiko-Management, sowie der bekannteste und größte Börsenplatz für Aktienplatzierungen und Aktienhandel sein, hieß es. "Diese Transaktion bringt zwei der am meisten respektierten und erfolgreichsten Börsenbetreiber der Welt zusammen", sagte Francioni. Es sei eine "Win-win-Situation für beide Unternehmen". "Keiner wird den anderen dominieren: Europa nicht die USA, die USA nicht Europa", stellte auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Börse, Manfred Gentz, klar. Niederauer nannte den Zusammenschluss einen "historischen Schritt": "Diese Fusion bringt uns in die führende Position bei der Innovation der Branche." Eine Stoßrichtung der beiden neuen Partner sind die boomenden asiatischen Märkte.

Zusammen unter einem Dach

Börsenchef Reto Francioni könnte der ganz große Wurf gelungen sein.

Börsenchef Reto Francioni könnte der ganz große Wurf gelungen sein.

(Foto: dpa)

Formal soll die Gruppe unter dem Dach einer neu gegründeten Holding in den Niederlanden zusammengeführt werden und Zentralen in New York und Frankfurt haben. Gelistet wird der Börsenkonzern in Frankfurt, New York und Paris. "Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG sind der Meinung, dass ein strategischer Zusammenschluss zwischen der Deutsche Börse AG und Nyse Euronext im Unternehmensinteresse der Deutsche Börse AG und im Interesse ihrer Aktionäre ist", warb der deutsche Marktbetreiber für die Transaktion, die bis Ende des Jahres in trockenen Tüchern sein soll. Es seien Kostensynergien von 300 Mio. Euro und große Chancen auf Umsatzsteigerungen zu erwarten.

"Die Transaktion wird Frankfurt und New York als bedeutende Finanzzentren stärken, die wichtige Rolle anderer Standorte inklusive Paris, London sowie Luxemburg bleibt erhalten", teilte die Börse mit. Jede nationale Börse des neuen Unternehmens, inklusive denen in Amsterdam, Brüssel und Lissabon, werde ihren Namen in ihrem jeweiligen Markt behalten und auch weiterhin unter der lokalen Regulierung und Aufsicht operieren.

Noch müssen die Börsen allerdings den Segen der Kartellbehörden abwarten. Analysten erwarten vor allem Einwände bezüglich des Derivategeschäfts, das durch einen Zusammenschluss von Eurex und Liffe von der neuen Gruppe dominiert würde. Auch die hessische Börsenaufsicht hat ein Vetorecht. Sie betonte bereits im Vorfeld, die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt wahren zu wollen. Möglich wäre auch, dass eine konkurrierende Börse ein Gegenangebot vorlegt. Am Montag hatten Gerüchte über eine mögliche Offerte der Chicagoer CME Group die Runde gemacht, CME-Chef Terry Duffy hält sich jedoch bislang bedeckt. "Wir beobachten aufmerksam jedes Geschäft, zu dem es in unserem Bereich weltweit kommt", sagte Duffy lediglich.

Potenzielle Streitpunkte ausgeklammert

Die beiden Börsenbetreiber hatten in der vergangenen Woche ihre Fusionsgespräche öffentlich gemacht und dabei auch bereits Eckpfeiler des Zusammengehens festgelegt. Als Streitpunkt erwies sich bis zuletzt die Frage des Namens. Vor allem Politiker in den USA pochten auf eine Betonung von New York als Symbol des amerikanischen Kapitalismus.

"Wir würden ja auch nicht den Namen der Freiheitsstatue ändern."

"Wir würden ja auch nicht den Namen der Freiheitsstatue ändern."

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"In Amerika beginnen wir den Tag im Kongress und in den Schulräumen mit dem Treueschwur auf die Fahne und die Nation; und wir beginnen jeden Tag mit dem Läuten der Glocke auf den Parkett der Börse", erinnerte der einflussreiche demokratische US-Senator Charles Schumer. Würde der Name verschwinden oder in den Hintergrund rücken, wäre das ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Deutschen die Oberhand im Unternehmen hätten, warnte Schumer. "Amerika hat eine Tradition, seine nationalen Heiligtümer zu schützen; und wir müssen nun handeln, um die New Yorker Börse zu schützen", forderte der demokratische Kongressabgeordnete Ted Deutch aus Florida. "Wir würden ja auch nicht den Namen der Freiheitsstatue ändern, von Mount Rushmore oder der Golden Gate Bridge."

Um keinen Widerstand der amerikanischen Öffentlichkeit und der Politiker heraufzubeschwören, stellten die Börsenbetreibern die Namensfindung nun erst einmal hinten an. Der Arbeitstitel lautet unverfänglich "The Premier Global Exchange Group". Neben dem Namen ist auch noch unklar, wie genau die Kosten gesenkt und welche Technologien bevorzugt würden. Doch den beiden Börsenbetreibern bleibt kaum eine andere Wahl, als sich zusammenzuraufen: Steigender Kostendruck und zunehmende Konkurrenz von alternativen Handelsplattformen, die ihnen mit günstigen Preisen die Butter vom Brot nehmen, zwingen die Börsen zu einem Schulterschluss. Auch an anderen Handelsplätzen wird deshalb fieberhaft an Zusammenschlüssen gefeilt: So kauft die Londoner LSE die kanadische TMX, die Konkurrenz aus Singapur buhlt um die australische ASX.

Kein Jubel auf dem Parkett

Die Anleger zeigten sich nach einer ersten Euphorie in der vergangenen Woche nun wenig begeistert von dem Deal: Die Aktien der Deutschen Börse rutschten um 1,7 Prozent ins Minus auf 60,27 Euro, die der Nyse an der New Yorker Wall Street um über drei Prozent auf 38,05 Dollar. Nur die zeitweise vom Handel ausgesetzten Nyse Euronext-Aktien in Paris lagen rund ein Prozent höher.

Analysten äußerten sich skeptisch. "Unter dem Strich bezweifele ich auch, dass das für die Aktionäre über die nächsten Quartale eine Erfolgsgeschichte wird", erklärte LBBW-Analyst Martin Peter. Konrad Becker von Merck Finck erklärte, viele Fragen seien noch offen. Andere Börsianer zweifelten, dass die angestrebte Kostensynergie wie geplant erreicht werden kann. "Das ist letztlich eine Frage des Glaubens", fasste einer zusammen.

Deutsche Börse mit Gewinneinbruch

Wenig Freude machten auch die jüngsten Zahlen der Deutschen Börse: Das Unternehmen musste im vergangenen Jahr wegen Millionenabschreibungen auf die US-Aktienoptionsbörse ISE einen Gewinneinbruch hinnehmen. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) schrumpfte 2010 um 17 Prozent auf 527,8 Mio. Euro, wie die Börse am Dienstagabend mitteilte. Im vierten Quartal schrieb der Marktbetreiber sogar mit 219,3 Mio. Euro rote Zahlen. Der Nettogewinn ging im Gesamtjahr um 16 Prozent auf 417,8 Mio. Euro zurück. Die Dividende will der Vorstand um Reto Francioni dennoch bei 2,10 Euro stabil halten.

Die Börse hatte den Firmenwert der International Securities Exchange (ISE) um 453,3 Mio. Euro abgeschrieben. Das habe den Nettogewinn um 223,5 Mio. Euro gedrückt, hieß es. Die Umsätze der Deutschen Börse stiegen 2010 um zwei Prozent auf 2,1 Mrd. Euro. Francioni sagte für das laufende Jahr "Wachstum in allen Geschäftsbereichen" voraus.

Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts

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