Wirtschaft

Lagarde besteht auf mehr Geld ESM ist keine Brandmauer

IWF-Chefin Lagarde will mehr Geld sehen. Ihr schlagkräftigstes Argument: Der IWF spielt sonst nicht mehr mit.

IWF-Chefin Lagarde will mehr Geld sehen. Ihr schlagkräftigstes Argument: Der IWF spielt sonst nicht mehr mit.

(Foto: picture alliance / dpa)

Gute Brandschutzmaßnahmen, um Feuer zu verhindern, sind allemal besser als hinterher auf pralle Löschzüge zu hoffen. Darin sind sich die Euro-Retter einig. Geteilter Meinung sind sie darüber, was gute Maßnahmen in Geld bedeuten. IWF-Chefin Lagarde sind 500 Milliarden Euro für den Rettungsschirm ESM definitiv nicht genug. Sie will mehr.

Nach der Einigung der Eurogruppe auf einen Vertragstext für den ESM Rettungsfonds kocht die Debatte um die Frage, ob die Mittel des dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM nun ausreichen werden oder nicht, erst richtig hoch: IWF-Chefin Christine Lagarde meldet einmal mehr Zweifel an und macht eine Aufstockung der Mittel knallhart zur Bedingung für weitere IWF-Hilfen.

"Die Idee hinter dem Schutzwall ist, dass dieser so groß ist, dass Investoren, Menschen, die finanzieren und die auch spekulieren, entmutigt werden, weil die Brandmauer zu dick ist, so, dass das Feuer nicht durchkommt", sagte Lagarde dem Deutschlandradio Kultur. Den globalen Finanzierungsbedarf in den nächsten zwei Jahren bezifferte Lagarde auf eine Billion US-Dollar.

Die Finanzminister des Eurogebiets hatten sich in der Nacht nur darauf verständigt, es bei den bisherigen Vereinbarungen des EU-Gipfels vom Dezember zu belassen. Danach müssen die Euroländer in den neuen Fonds, der im Sommer 2012 in Kraft treten soll, zusammen 80 Mrd. Euro in Barkapital einzahlen. Die gesamte Ausleihkraft soll vorerst, wie vereinbart, bei 500 Mrd. Euro liegen. Dem Plan nach auf Wiedervorlage. Denn dem Vertragstext nach soll das Volumen bis zum Inkrafttreten auf jeden Fall noch einmal geprüft werden. Vorgesehen ist diese Überprüfung auf einem EU-Gipfel im März.

IWF stellt Bedingungen

Im Interview bekräftigte Lagarde ihre Forderung, dass der derzeitige Rettungsschirm EFSF und der künftige Stabilitätsmechanismus ESM zusammenwirken müssten. "Wenn das der Fall ist, werden IWF-Mitglieder sehr gerne erstens die Ressourcen erhöhen, zweitens diejenigen unterstützen weltweit, nicht nur in der Eurozone, die Hilfe brauchen und die Bedingungen erfüllen." Der EFSF soll nach ihren Vorstellungen mit seinen verbleibenden Mitteln in den ESM überführt werden, was faktisch einer Ausweitung des ESM-Kreditvolumens bedeuten würde.

Der neue Rettungsschirm ESM unterscheidet sich von seinem Vorgänger vor allem durch die Ausstattung mit Barkapital in Höhe von 80 Mrd. Euro. Mit diesem Geld soll er unabhängiger von Bewertungen der Ratingagenturen werden. Der ESM-Vorgänger EFSF war erst kürzlich herabgestuft worden ist. Deutschland muss von der Summe einen Anteil von rund 22 Mrd. Euro stemmen und Garantien von 167 Mrd. Euro übernehmen. Eine weitere Aufstockung, die die Eurostaaten noch weiter belasten würde, so wie von IWF-Chefin Lagarde angeregt, lehnt Deutschland bislang ab. Derzeit gebe es dafür keinen Anlass, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vortag noch einmal klargestellt. Sie ließ aber offen, ob sie einem solchen Schritt letztlich nicht doch zustimmen würde. Eine nicht unerhebliche Rolle in der Entscheidungsfindung dürfte auch der Druck von Seiten des IWF spielen.

Bofinger sieht größeren Geldbedarf

Nicht nur die IWF-Chefin hält das Volumen des Rettungsschirms für zu klein. Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält 500 Mrd. Euro für nicht ausreichend. "Wir brauchen mehr Geld", sagte Bofinger. Darüber hinaus müssten weitere Maßnahmen in Angriff genommen werden, damit vor allem Italien und Spanien zu "vernünftigen" Zinsen Geld bekommen. Die Märkte würden das derzeit nicht tun, da sie "massiv verunsichert" seien. Es sei nicht sicher, dass mit dem Rettungsschirm günstige Zinsen herbeigeführt werden könnten.

Bofinger befürchtet, dass die Prognosen für Italien und Spanien immer weiter nach unten korrigiert werden und sie ihre Schulden dann nicht mehr in den Griff bekommen. "Diese Abwärtsspirale müssen wir verhindern", sagte er. Sonst sehe er - wie Lagarde - die Gefahr, dass Europa in eine große Depression gerate. Griechenland sei ein Beispiel dafür, wie ein Land kaputtgespart worden ist. Nun befinde es sich in freiem Fall.

Ein Grundproblem bei der derzeitigen Diskussion sei, dass die Rettungsschirme als Notfallmaßnahme konzipiert seien und deswegen immer stigmatisierend wirkten. "Wenn Länder das in Anspruch nehmen, machen sie das nur in allerletzter Not", sagte Bofinger. Wenn sie auf dieses Geld zurückgriffen, sei es bereits zu spät. Vielmehr komme es darauf an, die Staaten normal mit Geld zu versorgen und nicht, sie zu retten.

Kombination von EFSF und ESM

Der Chefhaushälter der Unionsfraktion Norbert Barthle hatte im Vorfeld der Eurogruppen-Entscheidung Vorschlägen, den ESM nach dem Vorbild des EFSF zu "hebeln", eine Absage erteilt. Das wäre nicht notwendig, wenn man die Schirme kombinieren könnte, sagte Barthle. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, soll dafür plädiert haben, unverbrauchte Mittel des vorläufigen Rettungsschirms EFSF nicht auf den ESM anzurechnen.

Stattdessen solle der ESM die EFSF-Restmittel zur Verfügung gestellt bekommen. Dadurch ließe sich die Ausleihkapazität des ESM auf rund 750 Mrd. Euro steigern. Deutschland lehnt das ab.

"Katzen das Fell über die Ohren ziehen"

In der Debatte über einen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin forderte Lagarde gemeinsame Regeln für die Finanzpolitik und Wettbewerbsfähigkeit. Dabei müsse es auch Sanktionen geben, falls die Disziplin nicht eingehalten werde. "Das ist absolut notwendig", sagte die IWF-Direktorin.

Lagarde unterstrich die Bedeutung einer Einigung bei den schwierigen Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den Banken. Sie wollte sich dabei nicht auf Prozentpunkte bei dem Schuldenschnitt festlegen. "Es gibt viele verschiedene Wege, der Katze das Fell über die Ohren zu ziehen", sagte sie. Das Ergebnis werde wichtig sein, um ein Hilfsprogramm zu entwerfen, das für Griechenland umgesetzt werden könne.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa/DJ/rts

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