Wirtschaft

"Aus heutiger Sicht beherrschbar" Juncker erwähnt Athen-Austritt

"Es wäre gut, wenn mehr Leute in Europa den Mund öfters halten würden."

"Es wäre gut, wenn mehr Leute in Europa den Mund öfters halten würden."

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Gespräch mit einer deutschen Journalistin plaudert Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker freimütig über die Zukunft Europas, den Einfluss der Medien und die praktischen Folgen eines Euro-Exits der Griechen. "In Europa", so betont Juncker, "verlieren wir gemeinsam und wir gewinnen gemeinsam."

Wenig hilfreiche Wortmeldung aus Griechenland: Dieses Magazin beklagt im Zusammenhang mit der Euro-Rettung einen "Völkermord an den Griechen".

Wenig hilfreiche Wortmeldung aus Griechenland: Dieses Magazin beklagt im Zusammenhang mit der Euro-Rettung einen "Völkermord an den Griechen".

(Foto: picture alliance / dpa)

Eurogruppenchef hat vor einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone gewarnt. "Es wäre aus heutiger Sicht ein beherrschbarer Vorgang", schränkte der Ministerpräsident Luxemburgs in einem Interview mit der WDR-Journalistin Asli Sevindim zwar ein. Doch deshalb sei ein Austritt Griechenlands noch lange kein wünschenswerter Vorgang.

Ein solcher Schritt brächte erhebliche Risiken mit sich, vor allem für die einfachen Menschen in Griechenland, betonte Juncker. Die Griechen litten sehr unter den Folgen der Krise und unter den , die ergriffen werden müssten.

Die Geschwindigkeit, mit der einzelne Aussagen in den Medien und an den Märkten aufgegriffen und weitergegeben werden, erscheint dem Europa-Politiker dabei alles andere als hilfreich. "Dieses Wissen darum, (...) dass wenn man einen Halbsatz gesagt hat, der nur als Viertelsatz zitiert wird, und um die halbe Welt getrieben wird durch die Nachrichtenagenturen, und durch andere sofortige Medien, hält uns eigentlich davon ab freundlich darum zu bitten, dass man auch manchmal nachdenken dürfen muss, bevor man etwas sagt."

Politiker stünden unter dem Druck, immer sofort etwas zu sagen, so Juncker. Er tue das im Übrigen nicht. "Es wäre gut, wenn mehr Leute in Europa den Mund öfters halten würden."

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,08

In diesem Zusammenhang wiederholte Juncker auch seine Kritik an dem Tonfall, wie er in der öffentlichen Debatte vereinzelt in Deutschland und Griechenland angeschlagen wird. "Die Deutschen, viele Deutsche, auch die überregionale deutsche Presse, auch die bebilderte Presse, reden über Griechenland so als ob dies ein Volk wäre, das es nicht zu respektieren gilt. Das ist nicht so", sagte er. Gleichzeitig kritisierte er den Umgang griechischer Boulevardblätter mit europäischen Themen und der Darstellung der Bundeskanzlerin als "Späterbin der Nazis".

"Sorgsam miteinander umgehen"

Die europäische Integration bleibe eine "höchst fragile Geschichte", sagte Juncker. "Man muss behutsam mit europäischen Befindlichkeiten umgehen, und nicht denken Geschichte wäre Geschichte." Die historischen Hintergründe seien nach wie vor sehr präsent. "Und man muss da sehr sorgsam miteinander umgehen."

"Wir müssen uns wieder lieben lernen": Asli Sevindim (r.) entlockt dem Eurogruppenchef klare Worte (Archivbild).

"Wir müssen uns wieder lieben lernen": Asli Sevindim (r.) entlockt dem Eurogruppenchef klare Worte (Archivbild).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Juncker kritisierte mangelndes gegenseitiges Verständnis innerhalb Europas. "Was wissen denn die Hamburger über Südgriechenland? (...) Und was wissen die Südgriechen über Lappland. Und was wissen die Lappen über Sizilien? So führen wir diesen Kontinent, in dem Grundeinverständnis dass wir zusammen arbeiten müssen, aber eben nichts wissen über die Lebensumstände anderer."

"Ich plädiere sehr intensiv dafür", so Juncker weiter, "dass wir uns mehr füreinander interessieren. Früher hat man das Liebe zwischen den Nationen genannt. Wir müssen uns wieder lieben lernen."

Im weltweiten Vergleich sei Europa klein und werde künftig schwächer. "Wir werden auch demografisch schwächer, und die einzigen Losung und Lösung für die nächsten 30 Jahre wird sein, dass wir als Europäer immer mehr zusammenrücken", hob Juncker mit Blick auf den Aufstieg der Schwellenländer und die offensichtlichen Verlagerungen im globalen Gleichgewicht der Mächte hervor. "Wir verlieren an Wirtschaftskraft, und wenn wir diese gemeinsame Währung nicht mehr haben, werden wir politisch überhaupt keine Bedeutung mehr haben."

Vor diesem Hintergrund wandte er sich erneut gegen polemische Überspitzungen und populistische Vereinfachungen schwieriger Sachverhalte. "Politik erklären macht man manchmal mit einfachen Lösungen", gestand Juncker ein. "Aber wer so tut als ob es in der Eurokrise darum ginge, dass die einen, weil sie besonders tugendhaft wären, die anderen überrumpelt hätten, und diejenigen die weniger tugendhaft wären, die Auseinandersetzung verloren hätten, das ist eine Beschreibung der Gefechtsordnung, die so überhaupt nicht stimmt. In Europa verlieren wir gemeinsam und wir gewinnen gemeinsam."

"Jedenfalls nicht vor Herbstende"

In Deutschland hatten Wortmeldungen von Politikern aus der ersten und zweiten Reihe in den vergangenen Wochen europaweit erheblichen Wirbel ausgelöst. So hatte unter anderem der FDP-Politiker und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler erklärt, für ihn hätte ein Austritts Griechenlands den Schrecken verloren.

Juncker hatte diese Einlassungen aus den Reihen der FDP und der CSU - und hatte sich damit selbst .

Auf die Frage, ob er einen Austritt Griechenlands ausschließen könne, sagte der Eurogruppenchef: "Nein, nein, (das) wird nicht passieren. (...) Jedenfalls nicht vor Herbstende, und dann auch noch nicht".

Den Wortlaut des TV-Interviews, das Juncker im Rahmen eines "WDR-Sommergesprächs" führte, veröffentlichte die luxemburgische Regierung am Tag nach der Ausstrahlung auf ihrer eigenen Internetseite.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen