Wirtschaft

Fed-Chefin setzt auf Fakten statt Intuition Janet Yellen braucht keine Magie

Ohne schwarze Aktentasche und doppelten Boden: Die pragmatische Janet Yellen wird wohl keine "Magierin der Märkte".

Ohne schwarze Aktentasche und doppelten Boden: Die pragmatische Janet Yellen wird wohl keine "Magierin der Märkte".

(Foto: REUTERS)

Die ruhige Art Ben Bernankes entspricht ihr eher, als der flamboyante Auftritt des "Magiers" Alan Greenspan. Janet Yellen übernimmt das Ruder bei der US-Notenbank Fed. Die Börse freut sich, ihre Kritiker weniger. Beide könnten überrascht werden.

"Wenn Sie bei uns zuhause am Tisch sitzen, dann wird dort über Ökonomie geredet. Sie werden mit mehr Diskussionen vollgestopft, als Sie vertragen können." Mit einem Satz bestätigt Janet Yellen alle Bilder, die im Kopf entstehen, wenn man etwas über das Leben der 67-Jährigen liest. Die ausgewiesene Arbeitsmarktexpertin blickt auf eine erfolgreiche Karriere in Universitäten, im Weißen Haus und bei der Fed zurück, ihr Mann ist der Wirtschaftsnobelpreisträger George A. Akerloff, der gemeinsame Sohn Robert Akerloff doziert an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der englischen Universität Warwick.

1946 in Brooklyn geboren, studierte Janet Louise Yellen in Yale unter dem Nobelpreisträger James Tobin. Sie habe angefangen sich für Ökonomie zu interessieren, weil diese ihr einen Weg bot, logisch darüber nachzudenken, wie man Menschen helfen könnte, erklärte Yellen mehr als einmal. Und Tobin war ein prominenter Befürworter der These, dass Regierungen Rezessionen mildern können. Zusammen mit ihrem Ehemann baute Yellen sich eine akademische Karriere auf. Gemeinsam entdeckten sie Fehler in der ökonomischen Theorie, dass Märkte effizient agieren. Akerlof gilt dabei als der geniale Ideengeber, Yellen als seine geerdete Partnerin, die die Argumente klar, einfach und präzise darstellen kann.

Im Vergleich zu ihren Vorgängern Bernanke, Greenspan und Volcker (v.r.n.l) hat Yellen in Sachen Verständlichkeit die Nase vorn.

Im Vergleich zu ihren Vorgängern Bernanke, Greenspan und Volcker (v.r.n.l) hat Yellen in Sachen Verständlichkeit die Nase vorn.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Doch die Ökonomin stellte nicht nur Theorien auf. Nach ersten Erfahrungen bei der US-Notenbank Fed stand sie US-Präsident Bill Clinton als Wirtschaftsberaterin zur Seite und wechselte später wieder zur Fed, wo sie dem traditionsreichen Institut als Chefin der Notenbank von San Francisco, Mitglied des Offenmarktausschusses und schließlich als Vize-Chefin an verschiedenen Stellen ihren Stempel aufdrückte.

Die Optik täuscht

Janet Louise Yellen
  • geboren am 13. August 1946 in Brooklyn, New York City
  • 1967: Abschluss des Wirtschaftsstudiums an der Brown University
  • 1971: Doktortitel in Yale
  • 1971-1976: Dozentin in Harvard
  • 1974: wissenschaftliche Mitarbeiterin im MIT und bei der US-Notenbank Fed
  • 1975-1976: Mitarbeiterin beim Congressional Budget Office
  • 1977-1976: Mitarbeiterin beim Board of Governors der Fed
  • 1978-1980: Dozentin an der London School of Economics
  • 1980: Dozentin in Berkeley
  • 1994-1997: Vorstandsmitglied im Board of Governors der Fed
  • 1997-1999: Vorsitzende im Rat der Wirtschaftsberater des US-Präsidenten Bill Clinton
  • 2004-2010: Präsidentin der Fed of San Francisco
  • 2009: Stimmberechtigtes Mitglied des Offenmarktausschusses der Fed
  • 2010: Ernennung zur Vizepräsidentin der Fed
  • 2014: Ernennung zur Präsidentin der Fed.

Nun tritt sie die Nachfolge von Fed-Chef Ben Bernanke an und besetzt damit als erste Frau den Chefsessel der amerikanischen Notenbank. Nur 1,60 Meter groß, stets ein freundliches Lächeln auf den Lippen, dem Job zuliebe nicht mehr in den geliebten Wanderklamotten, sondern in schlichten, meist schwarzen Kleidern, könnte man die 67-Jährige mit dem weißen Bob leicht unterschätzen. Kollegen und Weggefährten empfehlen jedoch dringend, die "kleine Lady mit dem großen IQ" ernst zu nehmen. Auch wenn sie nicht drohe oder schneidend werde wie ihre Vorgänger Paul Volcker und Alan Greenspan, sondern die ruhige Art Bernankes eher ihrem Stil entsprechen würde, wäre schon mancher von der Kraft ihrer Argumente überrumpelt worden, heißt es. So etwa auch Alan Greenspan selbst.

Im Juli 1996 witterte der mächtige Fed-Chef die Chance, erstmals seit Jahrzehnten die Inflation auf null Prozent zu drücken, um damit die perfekte Preisstabilität, die er als wichtigstes Ziel der US-Notenbank sah, zu erreichen. Doch Mrs Yellen, damals eine relativ neue und wenig bekannte Fed-Gouverneurin, trieb mit ihren Argumenten Greenspan in die Enge. Sie zog wissenschaftliche Arbeiten aus der Tasche, die belegten, dass ein wenig Inflation die Tiefe und Häufigkeit von Rezessionen abfedern kann und begründete damit ihren Ruf als geldpolitische "Taube".

Auch wenn sie manchmal Differenzen gehabt hätten, habe er immer auf sie gehört, weil sie ihre Position analytisch zu begründen vermochte, sagt Greenspan heute über Yellen. "Intuition ist nutzlos. Janet hat immer faktenbasiert gearbeitet und sich damit meine Aufmerksamkeit gesichert." Greenspan-Nachfolger Bernanke machte mit ihrer Unterstützung die Arbeit der Fed transparenter. Die Zeiten, als Märkte und Wirtschaft an der schwarzen Aktentasche Greenspans den künftigen Kurs der Fed ablesen wollten, waren unter diesem Führungsduo endgültig vorbei. Keine schlechte Weichenstellung in Zeiten, in denen viele Amerikaner lautstark wissen wollen, was die Institution mit dem Geldangebot der Nation macht.

Die Feinde der Taube

"Die USA bekommen mit Janet Yellen eine Fed-Chefin, die versteht, wozu Wirtschafts- und Finanzpolitik tatsächlich da sei", lobte US-Präsident Barack Obama bei der Ernennung der 67-Jährigen zur kommenden Fed-Chefin. Es gehe "darum, die Jobs und den Lebensstandard amerikanischer Arbeiter und ihrer Familien zu verbessern." Das Obama auf den Punkt gebracht hat, worum es ihr geht, dürfte Yellen gefreut haben. Denn es ist kein Geheimnis, dass sie bei der Auswahl zur Bernanke-Nachfolge nicht seine Favoritin war.

Kritiker halten Yellens geldpolitische Position für zu weich, besonders bei dem heiklen geldpolitischen Balanceakt, den sie unmittelbar nach Amtseinführung bewältigen muss: Yellen muss der Ausstieg aus der langjährigen Politik des extrem billigen Geldes gelingen, ohne dass die Konjunktur beschädigt wird. Die "Falken" im Offenmarktausschuss der Fed, deren oberste Priorität die Erhaltung der Preiswertstabilität ist, fürchten, dass die neue Chefin dem Arbeitsmarkt zuliebe die Zinsen zu spät anziehen wird und damit neue Blasen an den Märkten heraufbeschwören könnte.

Doch sie könnten sich ebenso irren, wie die Börsianer, die die Ernennung Yellens feierten, weil sie sich auf eine anhaltende Geldflut freuen. Denn zum einen steht ihr mit Stanley Fischer, dem früheren Präsidenten der israelischen Notenbank, als Vizechef ein Pragmatiker zur Seite, der die Geldpolitik nicht ganz so locker sieht. Zum anderen hat Yellen selbst schon 2010 deutlich gemacht, dass sich die Börse nicht zu früh freuen sollte: "Würde ich steigende Zinsen befürworten, wenn die Zeit gekommen ist? Darauf können Sie wetten", sagte die eifrige Studentin des Erfinders der Börsensteuer, James Tobin.

Quelle: ntv.de

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