Wirtschaft

"Alles andere als sicher" Berlin zittert vor dem Hellas-Gau

Scheitert der Schuldenschnitt für Griechenland, ist die Politik gefragt.

Scheitert der Schuldenschnitt für Griechenland, ist die Politik gefragt.

(Foto: dpa)

Wenige Stunden vor Ablauf der Umtauschfrist signalisieren immer mehr Investoren ihre Bereitschaft, beim Schuldenschnitt in Griechenland mitzuziehen. Doch ob die geplante Beteiligungsquote von 90 Prozent erreicht wird, steht weiter in den Sternen. Für den Fall, dass das Manöver scheitert, wäre die Politik gefragt.

Wenige Stunden vor dem Ablauf der Frist für den Tausch griechischer Anleihen steht weiter in den Sternen, ob Athen der Schuldenschnitt gelingt. Der Geschäftsführer des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, sagte er erwarte eine sehr hohe Beteiligung. Es sei aber noch unklar, ob eine Annahme-Quote von 90 Prozent erreicht werde. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti sagte in Belgrad, mehr als 60 Prozent der privaten Gläubiger hätten ihre Zustimmung zu dem Vorhaben signalisiert. "Der Privatsektor bewegt sich auf das Niveau von 65 Prozent zu, womit eine Lösung nahe ist." Die Annahmequote sei "sehr hoch", sagte am Donnerstag ein Regierungsmitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Ein Mitarbeiter des Finanzministeriums sagte, man sei sich sicher, dass am Ende mehr als 75 Prozent zusammenkämen. "Wir wissen von vielen Investoren, dass sie noch auf den letzten Drücker zustimmen werden. Daher rechnen wir mit einer Annahmequote von 80 Prozent", sagt ein Händler.

Eine Zweidrittel-Mehrheit der Investoren wäre nötig, um die Umschuldung notfalls zu erzwingen – auch gegen den Willen der Investoren, die sich bislang gegen den freiwilligen Umtausch ihrer Forderungen sperren. Ob es aber zur Aktivierung der sogenannten Zwangsklauseln (CAC, Collective Action Clauses) kommt, ist eine Entscheidung der griechischen Regierung. Bei einer hohen Zustimmung zum Schuldentauschangebot könnte die Umschuldung auch ohne die Aktivierung der umstrittenen Zwangsklauseln stattfinden. Für den Fall, dass die Beteiligung zwischen 75 und 90 Prozent der Gläubiger liegt, hatte sich die griechische Regierung diese Option zumindest offengelassen.

Banken, Versicherungen und Hedge Fonds müssen sich bis 21 Uhr entscheiden, ob sie an dem Programm teilnehmen wollen. Sie sollen auf mehr als 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten, indem sie ihre Griechenland-Anleihen in neue Schuldtitel mit längeren Laufzeiten, niedrigeren Zinsen und geringerem Nennwert eintauschen und Athen so mehr als die Hälfte seiner Schulden erlassen. Das hochverschuldete Mittelmeerland steht bei den privaten Gläubigern - Banken, Versicherer und Fonds - mit insgesamt gut 200 Mrd. Euro in der Kreide.

Griechenland könnte geplante Zustimmungsquote verfehlen

Die griechische Regierung wird das Ergebnis des Umschuldungsangebots an private Gläubiger am Freitag um 7 Uhr (MEZ) im Internet veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt über die Webseite www.greekbonds.gr. Es sei jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass  sich Finanzminister Evangelos Venizelos schon am Abend dazu äußern werde. Am Freitagnachmittag wollen die Euro-Finanzminister in einer Telefonkonferenz darüber beraten. Dabei wollen sie das Anfang März prinzipiell gebilligte zweite Hilfspaket endgültig freigeben, unter der Voraussetzung, dass der Schuldenschnitt klappt. Nur wenn der Umtausch gelingt, wollen die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds Griechenland neue Kredite über 130 Mrd. Euro gewähren, um das Land vor der drohenden Pleite zu retten.   

Ob die eigentlich angestrebte Zustimmung von mehr als 90 Prozent erreicht werden kann ist weiter offen. Für diesen Fall hat die griechische Regierung angekündigt, die Umschuldungsklauseln (CAC) zu aktivieren, die die Gläubiger zum Forderungsverzicht zwingen. Ein entsprechendes Gesetz hatte das Parlament in Athen im Februar beschlossen. Ob es zur Anwendung kommt, liegt jedoch alleine bei der griechischen Regierung. 

Ein Zwangsumtausch würde aber vermutlich Kreditausfallversicherungen auslösen, Griechenlands Ruf an den Kapitalmärkten zerstören und für große Börsenturbulenzen sorgen. Genau das hat die EU mit den Rettungspaketen aber bislang immer zu vermeiden versucht. Es gibt daher einige Marktbeobachter, die darauf spekulieren, dass die griechische Regierung hinsichtlich der Zwangsumschuldung blufft und sich mit einer niedrigeren Beteiligung zufrieden geben könnte. "Wie auch immer die Entscheidung ausfallen wird, ich gehe davon aus, dass sie kapitalmarktfreundlich sein wird", sagte ein Händler.

Sondersitzung im Bundestag

Bei einem Scheitern des Plans wäre die Politik gefragt: "Sollte es nicht geschafft werden, gehen wir nach internen Planungen von einer Sondersitzung der Unionsfraktion aus", sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle. Er rechne bislang aber mit einer ausreichenden Zustimmung zum Umtauschangebot. Der Unionsfraktionsvize Michael Meister sagte, eine Fraktionssondersitzung wäre im Fall einer gescheiterten freiwilligen Gläubigerbeteiligung notwendig. "Alles andere als sicher" schätzt Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, den Ausgang der Umtauschaktion ein. Er habe noch durchaus Zweifel und "von daher ist es für mich noch nicht eine Selbstverständlichkeit, dass es jetzt mit Freiwilligkeit läuft", sagte Schick.

Wenn die angestrebte Beteiligung der privaten Gläubiger nicht erreicht werde, müsse noch einmal nachgesteuert werden. "Ich denke, dass dann der Druck auf die öffentlichen Gläubiger wie etwa die EZB steigt", sagte Schick. Wenn es nicht gelinge, die über 100 Milliarden Euro bei den privaten Gläubigern zusammenzubringen, "würde sich dann im politischen Raum der Zwang zu einer Neubewertung ergeben", was in Griechenland passieren solle, sagte Schick. Möglich ist vieles: Die unwilligen Gläubiger könnten zum Umtausch gezwungen werden, die öffentlichen Gläubiger Griechenlands (Europäische Zentralbank, Euro-Staaten und internationaler Währungsfonds) auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, das zweite Rettungspaket nachgebessert werden - oder Griechenland und die EU geben sich mit einer niedrigeren Beteiligungsquote zufrieden.  

Inzwischen haben immer mehr private Gläubiger ihre Bereitschaft zum Schuldenschnitt erklärt. Bislang sind bereits etwa 52 Prozent der insgesamt 206 Mrd. Euro umfassenden Anleihen für die Umschuldung bestätigt. Portugiesische und britische Banken sowie italienische Versicherungen hatten sich zu dem Schnitt bereit erklärt. Auch griechische Pensionsfonds, die 19 Mrd. Euro halten, sind einverstanden. Sie gehören zu einer 32-köpfigen Investorengruppe.

Vor allem die Rolle einiger Hedgefonds, die Hellas-Bonds halten, ist aber weiter unklar. Sie könnten von einer ungeordneten Pleite Griechenlands profitieren, bei der viele Finanzprofis heftige Turbulenzen an den Aktienmärkten befürchten. Die meisten deutschen Banken und Versicherer haben erklärt, bei dem Schuldenschnitt mitzumachen.

Quelle: ntv.de, hvg/rts/DJ/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen