Wirtschaft

Russland liefert weniger Erdgas Gazprom wird unzuverlässig

Erdgas eine schöne Sache - so lange es mit der Lieferung klappt.

Erdgas eine schöne Sache - so lange es mit der Lieferung klappt.

(Foto: REUTERS)

Die scharfe Kältewelle bringt den Erdgas-Riesen Gazprom in eine schwierige Lage. Der mächtige Staatskonzern kann angeblich die steil ansteigende Gas-Nachfrage nicht mehr vollständig bedienen. Eine Kälte-Klausel im Liefervertrag lässt Moskau Spielraum. Europa bleibt nur die Hoffnung auf einen schnellen Wetterwechsel. Die europäische Energiepolitik zeigt ihre Schwachstellen.

Druckprüfung in ener Gasverdichterstation an der tschechischen Grenze: Nach einer Reise über die Stationen Ukraine, Slowakei und Tschechien kommt hier russisches Erdgas an.

Druckprüfung in ener Gasverdichterstation an der tschechischen Grenze: Nach einer Reise über die Stationen Ukraine, Slowakei und Tschechien kommt hier russisches Erdgas an.

(Foto: dapd)

Wegen der Kältewelle im russischen Heimatmarkt hat der Monopolist Gazprom den Export von Erdgas nach Europa gedrosselt. Nach Deutschland strömte vor dem Wochenende offenbar fast ein Drittel weniger russisches Gas als üblich.

Mitten in einem außergewöhnlich kalten Winter erweist sich die Energieversorgung Europas zumindest in Sachen Erdgas als nicht besonders zuverlässig. Der russische Staatskonzern Gazprom und die Ukraine als wichtigstes Transitland streiten über die Ursache für die Kürzungen. Doch alle Seiten versicherten, es herrsche kein Notstand.

Die Verträge erlaubten Moskau durchaus, die Mengen zu reduzieren, sagte die Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Verbraucher und Industrie müssten keine Engpässe fürchten. "Die Erdgaslager in der EU sind voll."

Jeder Mitgliedstaat habe Vorräte für einen Monat, ergänzte Oettingers Sprecherin. Zudem könnten sich Länder bei anderen Staaten Gas zukaufen. Russland ist der wichtigste Gaslieferant der EU. In den vergangenen Jahren hatte sich die europäische Energiepolitik immer stärker auf den russischen Rohstoffreichtum ausgerichtet.

"Besondere Verantwortung"

Gazprom wies jede Schuld von sich. "Die Europäer bitten um mehr, als wir zu liefern verpflichtet sind", sagte Sergej Komljew vom Tochterunternehmen Gazprom-Export nach Angaben der Agentur Interfax. Zuvor hatte Gazprom wie in der Vergangenheit der Ukraine indirekt vorgeworfen, illegal Gas aus Transitleitungen abzuzapfen. Wegen der extremen Kälte erreichte der Verbrauch dort Rekordwerte. Die EU forderte, dass die Ukraine zu allen Transit-Zusagen stehe.

Der ukrainische Energieminister Juri Boiko teilte dagegen von Kiew aus mit, Gazprom pumpe jeden Tag 75 Millionen Kubikmeter weniger Gas in die Pipelines durch die Ukraine als vereinbart. Die Ex-Sowjetrepublik beteuert, alle Verträge zu erfüllen. Das finanziell angeschlagene Land habe allein an den vergangenen drei Tagen wegen der Eiseskälte etwa eine Milliarde Kubikmeter Gas verfeuert, sagte Regierungschef Nikolai Asarow. Diese Menge würde sonst zwei Wochen reichen.

"Die Ukraine trägt als Transitland für Erdgas eine besondere Verantwortung", sagte Präsident Viktor Janukowitsch der "Süddeutschen Zeitung". Er warf Russland vor, mit hohen Gaspreisen die nationale Sicherheit der Ukraine zu gefährden.

Bundesregierung wiegelt ab

Die beiden deutschen Erdgas-Importeure Eon-Ruhrgas und RWE . Auch bei der BASF-Tochter Wingas machten sich die Einschränkungen bemerkbar. Zuletzt waren dort Kürzungen von lediglich 10 Prozent registriert worden. Nach EU-Angaben ist die Liefermenge besonders in Österreich dramatisch gesunken, wo 30 Prozent weniger Gas angekommen seien als gewöhnlich. Italien klagte über eine Kürzung von 29 Prozent.

Auf Seiten der Bundesregierung sah man keinerlei Anlass zur Sorge. Aufgrund gut gefüllter Gasspeicher sei die Versorgung über längere Zeit gesichert, hieß es. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, es gebe zudem Signale, dass die Lieferungen demnächst wieder höher ausfallen könnten.

An Russland langfristig gebunden

Der deutsche Energieriese Eon reagierte gelassen. "Gazprom liefert uns heute eine um rund ein Drittel eingeschränkte Gasmenge", sagte Sprecher Adrian Schaffranietz. Das Unternehmen sei aber für diesen Fall gut gerüstet. Das Konsortium , an dem Gazprom die Mehrheit hält, teilte mit, die Liefermengen durch die neue Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland seien unabhängig von der Eiseskälte stabil.

Bei Eon hieß es, die Erdgas-Töchter könnten ihre Kunden weiter uneingeschränkt beliefern. Denn dank des bisher milden Winters seien die Lagerbestände ungewöhnlich hoch. Das Unternehmen könne auch über einen längeren Zeitraum eine höhere Nachfrage decken, sagte ein Sprecher.

Auslöser für die Einschränkungen ist nach Darstellung des russischen Erdgas-Konzerns Gazprom die ungewöhnlich kalte Witterung. Die zum Teil extrem niedrigen Temperaturen ließen die Gas-Nachfrage in Osteuropa und Russland sprunghaft anziehen. Das Kälte-Hoch über Russland hat ganz Osteuropa bis hin nach Westeuropa im Griff. In Deutschland wurden Temperaturen bis unter minus 30 Grad gemessen. Ein Wetterwechsel ist noch nicht abzusehen.

Die Lieferschwierigkeiten des russischen Unternehmens erinnern an die Einschränkungen aus dem Jahr 2009, als wegen eines Streits zwischen Russland und dem Transitland Ukraine über zwei Wochen lang erheblich weniger Gas nach Mitteleuropa strömte. Damals war es in einzelnen Importländern beinahe zu Ausfällen in der Gasversorgung gekommen. Speicher konnten das Defizit weitgehend ausgleichen. Auch die deutschen Notfallreserven wurden angezapft: Aus Deutschland wurden sogar Teile Osteuropas mitversorgt. Danach hatten die EU-Staaten ihre Lager ausgebaut und nach Alternativen gesucht.

Kälte-Klausel im Vertrag

Auch im aktuellen Fall scheint sich ein Zwist zwischen Russland und der Ukraine anzubahnen: Der kremlnahe Konzern Gazprom hatte am Vortag erklärt, es werde so viel Gas nach Westen geschickt, wie zu entbehren sei. Allerdings müsse die Ukraine offenbar mehr aus den Leitungen entnehmen als ihr vertraglich zustünden. Die Ukraine bestreitet das.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die Kürzungen bedeuteten nicht, dass Gazprom vertragsbrüchig sei. In den Abkommen sei eine gewisse Flexibilität für den Fall eingebaut, dass Russland bei großer Kälte selbst mehr von dem Brennstoff brauche.

Quelle: ntv.de, rts

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