Wirtschaft

Europas Konzerne stechen US-Konkurrenz aus Fusionen machen Telekom-Aktien attraktiv

Steigende Kundenzahlen, mehr Umsatz und eine bessere Bewertung: Europas Telekombranche befindet sich großteils im Aufwind.

Steigende Kundenzahlen, mehr Umsatz und eine bessere Bewertung: Europas Telekombranche befindet sich großteils im Aufwind.

(Foto: picture alliance / dpa)

In den Telekom-Sektor kommt Bewegung: Vodafone kauft den Kabelnetzbetreiber KDG und gibt sein US-Geschäft an Verizon ab. E-Plus soll an Telefonica Deutschland gehen. Das alles beflügelt die Fantasie der Anleger. Kritische Stimmen gibt es auch.

Lange Zeit dümpelten die Aktien europäischer Telekommunikationskonzerne vor sich hin. Im Gegensatz zu ihren US-Kollegen fanden die Manager in Deutschland und den Nachbarländern kaum einen Weg, die Investoren hinter dem Ofen hervorzulocken. Seit ein paar Monaten aber schließen die europäischen Papiere zur Bewertung der US-Konkurrenz auf - befeuert von einer Reihe von Firmenübernahmen.

Die Deals nähren die Hoffnung der Investoren, dass die Wettbewerbshüter die Mobilfunkfirmen künftig nicht mehr so eng an die Leine nehmen. Damit könnten Zusammenschlüsse einfacher werden und die Firmen gemeinsam in den Ausbau der Netze investieren, um dem steigenden Datenvolumen Herr zu werden. 

Noch im Februar war die transatlantische Lücke in der Bewertung der Telekommunikationsaktien so groß wie zuletzt 2008: Die europäischen Titel notierten beim 9,9-fachen des erwarteten Gewinns, die US-Papiere beim 17,6-fachen. Inzwischen liegt der Abstand nur noch bei 13,9 zu 14,5. Der europäische Telekom-Index legte in diesem Jahr fast 30 Prozent zu, weil viele Anleger den US-Größen AT&T und Verizon den Rücken kehrten und lieber in Telefonica, Orange oder Deutsche Telekom investierten.

Marktumbruch stärkt

Das Wiedererstarken der europäischen Telekom-Titel hat eine Reihe von Gründen. Richtig Fahrt nahm die Rally auf, als Vodafone im August für 130 Milliarden Dollar sein US-Geschäft an den amerikanischen Partner Verizon verkaufte. Nun ist die Kasse der Briten gut gefüllt, in den kommenden zwei Jahren wollen sie allein vier Milliarden Euro in Deutschland investieren. Und nicht nur die Netze sollen aufgerüstet werden: Nach der Übernahme von Kabel Deutschland signalisierte das Management Interesse an weiteren Zukäufen.

Vodafone selbst ist Investoren zufolge im Visier des US-Branchenriesen AT&T, der verstärktes Interesse an einer Übernahme in Europa signalisiert hat. Und auch der mexikanische Milliardär Carlos Slim, bereits Großaktionär bei der Telekom Austria, könnte sich nach der fehlgeschlagenen Übernahme von KPN nach weiteren Gelegenheiten umsehen.

Mit Spannung erwartet die Branche zudem zwei Entscheidungen der Wettbewerbshüter im Mobilfunkmarkt: der Kauf von Telefonicas O2 in Irland durch Hutchison Whampoa und der Verkauf der deutschen KPN-Tochter E-Plus an Telefonica Deutschland. Sollte Brüssel die Deals ohne größere Auflagen durchwinken, erwarten Banker und Manager eine Reihe weiterer Geschäfte, die die Zahl der Mobilfunkanbieter in Europa reduzieren und die Gewinne der Verbliebenen wohl erhöhen würde.

Europa rückt ins Blickfeld

Hinzu kommt: Die Finanzkrise, die die Kauflust der Verbraucher in einigen Ländern Europas deutlich lähmte und die Finanzierungskosten der Unternehmen nach oben schießen ließ, ist abgeebbt. Viele Telekomkonzerne haben zudem ihre Schulden gedrückt. Und auch wenn sich einige Konzerne wie Orange, Telecom Italia und Telefonica an ihren Heimatmärkten noch schwer tun, so rechnen Analysten bei den anderen ab dem kommenden Jahr mit einer Stabilisierung der operativen Gewinne.

Gleichzeitig wird es für die Branche in den USA zunehmend schwerer, noch ordentliche Geschäfte zu machen. Das Wachstum lässt nach. Besonders schwer trifft dies die großen Anbieter AT&T und Verizon, denn kleinere Konkurrenten wie die Deutsche Telekom mit ihrer Tochter T-Mobile US locken Kunden mit flexibleren Konditionen und niedrigeren Preisen. Das verschreckt die Anleger: die Kurse von AT&T und Verizon haben sich in den vergangenen sechs Monate nahezu zehn Prozent schlechter entwickelt als der Markt insgesamt.

Die US-Anbieter seien in den vergangenen Jahren auf Grund eines sehr konzentrierten Marktes gewachsen, das rufe jetzt aber Unternehmen aus der zweiten Reihe auf den Plan, sagt Portfoliomanager Olivier Lefevre von der französischen Bank Natixis. Er erwartet, dass die Rally in Europa noch weitergeht.

Warnung vor Euphorie

Doch einige Investoren haben auch Bauchschmerzen bei der Geldanlage im europäischen Telekomsektor. Die Aktien seien zum Teil wahllos gestiegen, obwohl die Umsätze der Konzerne weiter unter Druck stünden und einige Firmen noch immer in schwierigen Situationen steckten, warnen sie. So macht der Billiganbieter Iliad der französischen Orange das Leben mit niedrigen Preisen schwer, was den operativen Gewinn von Orange 2012 um acht Prozent drückte - in diesem Jahr dürfte der Preiskampf erneut in der gleichen Größenordnung am Gewinn knabbern. Dennoch stiegen die Orange-Aktien in den letzten drei Monaten um fast 25 Prozent und damit mehr als doppelt so stark wie die der norwegischen Telenor, deren operativer Gewinn dank des Asien-Geschäfts derzeit wächst.

Auch die Papiere von Telecom Italia legten stark zu, 30 Prozent in den vergangenen drei Monaten, und das trotz der Kosten des Netzausbau und trotz des Machtgerangels mit dem kontrollierenden Anteilseigner Telefonica. Die Rally sei getrieben von Investoren, die nach den günstigsten Aktien der großen Telekomanbieter suchten und Geld hineinpumpten, erklärt Bruno Grandsard von Axa Investment Managers.

"Das größte Risiko für die Rally wäre eine Umkehr einiger Faktoren, die zu ihr geführt haben", erklärt Portfoliomanager Erling Thune von DNB Technology. Das könnten höhere Finanzierungskosten sein, ein erkaltendes Interesse von AT&T an Europa, oder dass die Wettbewerbshüter die Übernahmen stoppen.

Quelle: ntv.de, Harro Ten Wolde, rts

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