Wirtschaft

Steuerflucht über den Ärmelkanal Französische Banker wandern aus

Rule, Britannia: London ruft, mancher Banker kommt.

Rule, Britannia: London ruft, mancher Banker kommt.

(Foto: REUTERS)

Spitzenverdiener an der Seine fühlen sich angesichts der geplanten Reichensteuer nicht mehr wohl in ihrer Heimat. Vor allem Finanzprofis zieht es deshalb nach London, wo Premier Cameron den Bankern einen roten Teppich ausrollen will. Einer Sorge können sie sich durch den Umzug jedoch nicht entledigen: Der Krise im Investmentbanking.

Das Kapital erweist seinem Ruf als scheuem Reh einmal mehr die Ehre: Die geplante Millionärssteuer treibt französische Banker in Scharen über den Ärmelkanal nach London. Zahlreiche Finanzmanager sind bereits umgezogen oder denken darüber nach. Der sozialistische Präsident Francois Hollande will Einkommen über einer Million Euro mit 75 Prozent besteuern und Vermögende mit einer zusätzlichen Reichensteuer zur Kasse bitten.

Doch nicht nur die Angst vor neuen Lasten lässt die Pariser Finanzprofis sehnsüchtig nach London blicken, sie fühlen sich in ihrer Heimat auch einfach nicht mehr gemocht. "Es irritiert mich schon, das in Frankreich der Sinn für gute Arbeit und Erfolg komplett verloren gegangen ist", sagt Bertrand Meunier, der jetzt nach London zum Private-Equity-Haus CVC Partners wechselt. Bislang war er für den französischen Wettbewerber PAI Partners tätig. Hollande hatte die Finanzbranche im Wahlkampf zum Feind Nummer eins erklärt.

Nicht alle Briten freuen sich über die Personalverstärkung für die Finanbranche: Proteste der Occupy-Bewegung im Londoner Finanzdistrikt.

Nicht alle Briten freuen sich über die Personalverstärkung für die Finanbranche: Proteste der Occupy-Bewegung im Londoner Finanzdistrikt.

(Foto: REUTERS)

Das Bankenviertel in der Londoner City scheint der ideale Ort für französische Banker, Private Equity-Manager oder Unternehmensberater zu sein. Zwar wächst auch in Großbritannien angesichts jüngster Skandale in der Finanzbranche der Unmut, doch so drakonische Maßnahmen wie in Frankreich fürchtet hier keiner. "London ist und bleibt das Dorado für die Branche", sagt ein Top-Banker. Daher denke auch die Großbank Societe Generale darüber nach, Händler an die Themse zu schicken, sagen drei mit der Angelegenheit vertraute Personen. Vor allem besser bezahlte Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt sollen umziehen. Die Bank wollte die Pläne nicht kommentieren. "Viele französische Banken planen, mehr Einheiten nach London zu verlegen. Die Steuerbelastung ist geringer, alles ist flexibler", sagt Stephane Rambosson, Partner bei der Personalberatung Veni Partners.

Zwar werden auch in Londons Banken Jobs gestrichen und Boni gekürzt, trotzdem liegt die britische Hauptstadt immer noch an der Spitze eines globalen Indexes, der die Attraktivität von Finanzzentren misst. Der Indikator bewertet Städte nach Faktoren wie Geschäftsumfeld, Marktzugang, Wettbewerbsfähigkeit, Infrastruktur oder der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften. Paris ist hier abgeschlagen auf dem 22. Platz, Deutschlands Finanzmetropole Frankfurt hat es in diesem Jahr immerhin auf Platz 13 geschafft.

Unbezahlbares Fünf-Sterne-Hotel

Ein auf Fusionen und Übernahmen spezialisierter Banker vergleicht Paris mit einem Fünf-Sterne Hotel, in dem das Leben zwar luxuriös, aber nicht mehr bezahlbar ist. "Die Zahl derjenigen, die Paris verlassen werden, wird überraschend hoch sein", sagte er voraus. Personalberater Rambosson schätzt, dass rund 30.000 bis 40.000 Franzosen aus der Finanzindustrie bereits in London sind. Zum Vergleich: Der französische Bankenverband beziffert die Gesamtzahl der Mitarbeiter der Pariser Investmentbanken mit rund 55.000.

Großbritanniens Premierminister David Cameron hatte bereits im Juni angekündigt, französischen Unternehmen den "roten Teppich auszurollen", wenn Hollande seine Pläne einer Reichensteuer in die Tat umsetzt. Anwälte gehen davon aus, dass 20 Prozent aller im französischen Leitindex CAC-40 gelisteten Firmen über einen Umzug nachdenken. Selbst den reichsten Franzosen, Bernard Arnault, ziehe es offenbar ins Ausland, sagen Finanzberater. Der Gründer und Verwaltungsratsvorsitzende des Luxusgüter-Herstellers LVMH plane, den gesamten Vorstand der Gruppe auszulagern, auch London sei als neue Heimat im Gespräch. "Der Schritt würde mich nicht überraschen", sagt eine mit den Plänen vertraute Person.

Kaum Alternativen zu Fish and Chips

Es scheint somit, als müssten die als Gourmets bekannten Franzosen künftig die weltweit wenig gerühmte britische Küche für Steuerersparnisse in Kauf nehmen, denn Alternativen gibt es kaum. Prinzipiell käme auch die Schweiz als Steueroase in Frage, allerdings ist der Züricher Finanzplatz deutlich kleiner als der Londoner. "Belgien und die Schweiz bieten nicht dieselben Möglichkeiten", sagt Private-Equity-Manager Meunier. Hier werde es den Bankern zu schnell langweilig. In London dagegen pulsiere das Leben, viele Franzosen lebten bereits dort.

Eins sollten umzugswillige Banker allerdings nicht vergessen: "Egal ob in London oder Paris, die Probleme der Branche sind überall die gleichen", sagt Personalberater Gael de Roquefeuil von ROC Partners. "Investmentbanken stellen niemanden ein, der Markt ist eingefroren."

Quelle: ntv.de, nne/rts

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