Wirtschaft

"Billige Liquidität nicht gesund" Fitschen kritisiert die EZB

Historischer Niedrigzins: Die Entscheidungen des einen haben Auswirkungen auf die Arbeit des anderen: Mario Draghi und Jürgen Fitschen (v.l., Archivbild).

Historischer Niedrigzins: Die Entscheidungen des einen haben Auswirkungen auf die Arbeit des anderen: Mario Draghi und Jürgen Fitschen (v.l., Archivbild).

(Foto: REUTERS)

Der außergewöhnliche Niedrigzins im Euroraum bereitet der Deutschen Bank zunehmend Kopfschmerzen: Co-Chef Fitschen legt den Währungshütern dringend einen schnellen Kurswechsel nahe. Im Bankensektor seien Stellenstreichungen ansonsten "nicht zu vermeiden".

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Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen hat den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) in der europäischen Schuldenkrise scharf kritisiert. "Die billige Liquidität von der Zentralbank ist nicht gesund", sagte Fitschen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" laut Vorabmeldung. "Wir sollten möglichst schnell dahin kommen, dass die Realzinsen positiv werden."

Das Niveau der sogenannten Realzinsen ergibt sich aus Leitzins und Inflationsrate: Übersteigt die Teuerung die Verzinsung etwa von Sparguthaben verlieren Sparer unterm Strich Geld - mit entsprechenden Auswirkungen auf das Anlageverhalten.

Dass die Deutschen wegen der niedrigen Zinsen nun mehr konsumieren und weniger sparen, hält Fitschen jedoch ausdrücklich für begrüßenswert. "Ein bisschen mehr Konsum haben wir doch immer angemahnt", sagte er mit Blick auf die Forderungen aus dem europäischen Ausland, die deutsche Binnennachfrage zu stärken.

Fitschen betonte jedoch, die jetzige Situation "währt nicht ewig - das ist erklärtes Ziel der EZB, sie will zur Normalität zurück." Es sei sehr wichtig, den richtigen Weg für ein Umsteuern zu finden, um nicht sofort den nächsten Kollaps zu provozieren. Dieser Grat sei für die Notenbanker sehr schmal. "Alle aber sind sich einig: Die Zinsen können dauerhaft nicht so bleiben, weil sonst die nächsten Verwerfungen die Folge sind", erklärte Fitschen, der zusammen mit Co-Chef Anshu Jain die Deutsche Bank führt.

Nach Fitschens Worten sind die Einlagen der Sparer in Deutschland - anders als beim Euro-Rettungspaket in Zypern - sicher. "Bei uns gibt es über die gesetzliche 100.000-Euro-Grenze hinaus freiwillige Sicherungssysteme der Banken, die den Sparer schützen", sagte Fitschen, der als BdB-Präsident oberster Lobbyist der Privatbanken in Deutschland ist. Der Steuerzahler dürfe nicht für die Rettung einer Bank geradestehen müssen. "Welche Gläubiger in welcher Form in Haftung genommen werden, wird derzeit intensiv diskutiert."

Kredite so billig wie noch nie

Die EZB unter Zentralbankchef Mario Draghi hatte den Leitzins in der vergangenen Woche auf den historischen Tiefstand von 0,50 Prozent abgesenkt. Ein Ende der extremen Niedrigzinsphase ist bislang noch nicht abzusehen.

Nach Ansicht von Branchenkennern beeinträchtigen die geldpolitischen Rahmenbedingungen über kurz oder lang auch die Ertragschancen der Kreditinstitute. Erst kürzlich warnte HVB-Chef Theodor Weimer mit deutlichen Worten vor den Folgen.

Im Mittelstands-Geschäft der Banken erwartet Fitschen harte Konkurrenz. "Richtig ist, dass viele Banken zum gleichen Zeitpunkt den deutschen Mittelstand zu entdecken scheinen und damit die Gefahr eines exzessiven Wettbewerbs entsteht." Die Banken dürften nicht vergessen, "dass jeder Kredit mit einem Risiko verbunden ist, und dass dieses Risiko in die Preise, also die Zinsen, mit eingerechnet werden muss".

Auf die Angestellten deutscher Banken sieht Fitschen harte Zeiten zukommen. "Es wird nicht zu vermeiden sein, dass in einigen Bereichen weniger Personal benötigt wird", sagte er. Dass die Gehälter sinken werden, glaubt er allerdings nicht: "Das werden wir wohl nicht erleben." Ein Filialsterben sieht Fitschen ebenfalls nicht auf die Branche zukommen.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/rts

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