Wirtschaft

Ende des billigen Geldes "sehr fern" EZB streichelt die Märkte

EZB-Präsident Draghi sieht Zinsen noch längere Zeit auf niedrigem Niveau

EZB-Präsident Draghi sieht Zinsen noch längere Zeit auf niedrigem Niveau

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Europäische Zentralbank rührt erwartungsgemäß den Leitzins nicht an. Zugleich schließt sie eine Anhebung in absehbarer Zeit aus. Vielmehr denken die Währungshüter sogar über Ultra-Zinsen nach, um die Wirtschaft zu beleben. Die Finanzmärkte reagieren euphorisch. Für den Kleinsparer bleibt die Guthabenverzinsung dagegen weiter ein Trauerspiel.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Sorgen vor einem baldigen Ende des billigen Gelds zerstreut. Erwartungsgemäß beließ der EZB-Rat den Leitzins im Euroraum auf dem historisch niedrigen Niveau von 0,5 Prozent. Darüber hinaus deutete Bank-Präsident Mario Draghi an, dass sogar ultra-niedrige Mini-Zinsen in Zukunft nicht ausgeschlossen seien. "Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Schlüsselzinsen in der Euro-Zone noch für eine längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben", sagte er. Der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik im Kampf gegen die  Schuldenkrise sei "sehr fern".

Die EZB werde ihren konjunkturstützenden Kurs der Geldpolitik so lange fortsetzen wie nötig, hieß es weiter. Draghi zufolge rechnet die Zentralbank zudem damit, dass sich die Konjunktur im Euroraum erst Ende 2013 und im Verlauf des kommenden Jahres erholen wird. Zudem bezeichnete er die Risiken für den Inflationsausblick als "noch" weitgehend ausgewogen.

An den Börsen sorgten die Ausführungen Draghis für deutliche Kursgewinne. In  Frankfurt kletterte der Dax am Nachmittag wieder über die 8000er Marke und legte mehr als zwei Prozent zu.

EZB-Chef  Draghi betonte, dass die Aussicht auf mögliche weitere Zinssenkungen nicht alleine auf den Leitzins bezogen sei, an dem sich auch die Zinsen für Sparer und Kreditnehmer orientieren, sondern auf alle zentralen Zinssätze der Notenbank. Zu den zentralen Zinssätzen gehören auch die sogenannten Einlagezinsen. Dabei handelt es sich um den Zinssatz, den Geschäftsbanken erhalten, wenn sie Geld bei der Zentralbank  hinterlegen.

Wirtschaftslage bestimmt weitere Schritte

Bereits vergangenen Monat hatte Draghi negative Zinsen für Einlagen von Geschäftsbanken bei der Zentralbank angedeutet. Dann müssten Banken Geld zahlen, wenn sie ihr Geld bei der EZB hinterlegen anstatt es etwa an  Unternehmen oder Verbraucher zu verleihen. Die EZB sei "technisch bereit", sehe bislang aber noch keinen Grund für einen solchen Schritt, sagte der EZB-Präsident.

Commerzbank-Analyst Michael Schubert sagte, dass Draghi zuerst das Marktzins-Niveau stabilisieren wollte und dies auch geschafft habe. Ob es zu einer weiteren Zinssenkung komme, hänge schließlich von Wirtschaftsdaten ab. Für Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe lautet die Botschaft, dass die EZB "noch im Krisenmodus ist und dass es jetzt eine Vorfestlegung gibt, dass die Zinsen noch eine längere Zeit niedrig bleiben".

Nach Ansicht von Ulrich Wortberg von der Helaba versucht die Zentralbank mit ihrer Ankündigung möglicherweise, das Renditeniveau zu drücken und sich von den USA abzukoppeln. Christian Lips von der NordLB wertete die Vorfestlegung auf eine ausgedehnte Periode eines sehr niedrigen Leitzinsniveaus als neuen Kniff, der der Aufwärtsbewegung der Renditen am Anleihemarkt den Dampf genommen habe. Letztlich habe die EZB "genau den Mittelweg gefunden zwischen hektischem Aktionismus und einer Beruhigung der Märkte".

Erst Anfang Mai hatte die EZB im Kampf gegen die Folgen der Staatsschuldenkrise den Leitzins, an dem sich auch die Zinsen für  Kreditnehmer und Sparer orientieren, auf ein neues Allzeittief gesenkt. Mit niedrigen Zinsen will die EZB der kriselnden Wirtschaft in der Eurozone Schub geben.

Seit dem hat sich die Lage an der Konjunkturfront etwas entspannt: Das Geschäftsklima verbesserte sich gerade auch bei Unternehmen in den Krisenländern, und die Verbraucherstimmung im Euroraum kletterte im Juni auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahren. Die Schattenseite des billigen Geldes bekommen dagegen die Sparer zu spüren

London-Premiere für Carney

Kurz vor der EZB hatte bereits die Bank von England (BoE) über ihren Leitzins entschieden. Die Führung der Zentralbank tagt erstmals unter ihrem neuen Gouverneur Mark Carney, der - bedacht mit sehr vielen Vorschusslorbeeren - am 1. Juli sein Amt angetreten hat. Der Kanadier und frühere Notenbankchef seines Landes ist der erste Ausländer auf dem Chefsessel der Bank of England in deren mehr als 300-jähriger Geschichte.

Ökonomen gingen auch hier davon aus, dass Carney bei seiner ersten Zinsentscheidung in London den Leitzins bei 0,5 Prozent belässt und auch die Anleihenkäufe der Notenbank vorerst nicht ausweitet. Diese Erwartungen wurden ebenfalls in vollem Umfang bestätigt.

Seit 2008 haben die wichtigsten Zentralbanken der Welt ihre Geldpolitik zur Bekämpfung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise in beispielloser Weise gelockert. Allein die EZB versuchte 2011 einen Kurswechsel, musste aber wieder umkehren. Allerdings scheint inzwischen die US-Notenbank an dem Punkt angekommen zu sein, wo sie über einen Ausstieg aus ihrer Politik milliardenschwerer Wertpapierkäufe nachzudenken beginnt. Entsprechende Äußerungen von Fed-Chairman Ben Bernanke haben im vergangenen Monat einen deutlichen Anstieg langfristiger Anleihezinsen bewirkt. Die anderen großen Zentralbanken lassen bisher keine Neigung erkennen, der Fed zu folgen.

Die Bank of Japan befindet sich mit Volldampf auf Lockerungskurs. Sie will ihre Geldbasis in den kommenden beiden Jahren verdoppeln, um so die Deflation zu besiegen und das Wachstum anzukurbeln.

Quelle: ntv.de, mmo/jwu/rts/dpa/DJ

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