Wirtschaft

Ärger über angebliche Zinsschwellen EZB legt sich mit Regierung an

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(Foto: REUTERS)

Noch wird nur spekuliert, wie Europas Währungshüter mit Anleihenkäufen die Schuldenkrise bekämpfen wollen, da gibt es bereits Zwist über die richtigen Mittel. Nach einer kritischen Äußerung eines Berliner Regierungssprechers zu angeblich geplanten Maximalzinsen in Europa bellt die EZB zurück. Unterdessen verschärft die Bundesbank ihre Kritik an Anleihekäufen durch die Zentralbank.

In der Debatte um die Bekämpfung der Eurokrise verbittet sich die EZB kritische Zwischenrufe aus Deutschland. "Was die jüngsten Äußerungen von Regierungsvertretern betrifft, so ist es falsch über die Form künftiger EZB-Interventionen zu spekulieren", mahnte ein Sprecher der stets auf ihre Unabhängigkeit bedachten Zentralbank in ungewohnt direktem Ton.

Zuvor hatte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, über eine etwaige Festlegung der EZB auf ein Zinsziel für Anleihenkäufe gesagt: "Rein abstrakt gesprochen ist ein solches Instrument sehr problembelastet. Ich kenne aber keine Pläne, die in eine solche Richtung gehen."

Damit reagierte der Sprecher auf einen "Spiegel"-Bericht, wonach die Europäische Zentralbank den Kauf von Staatsanleihen bestimmter Euro-Ländern ab einem gewissen Risikoaufschlag erwägt, um damit die Zinskosten dieser Euro-Mitglieder zu dämpfen. Diese Meldung sei "absolut irreführend", konterte die EZB. Man könne nicht über Entscheidungen berichten, bevor sie getroffen würden. Dem Bericht zufolge will die EZB bereits am 6. September über das Zinsziel entscheiden.

Volle Feuerkraft in petto

EZB-Präsident Mario Draghi hat angekündigt, alles für den Erhalt des Euro tun zu wollen. Dabei brachte er an Bedingungen geknüpfte Staatsanleihenkäufe ins Gespräch, erwähnte aber ein Zinsziel mit keinem Wort. Allerdings ist die EZB bereit, notfalls mit voller Feuerkraft am Markt zu intervenieren, um Spekulationen den Boden zu entziehen: "Das Volumen könnte unbegrenzt, soll in jedem Fall aber ausreichend sein", teilte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht mit.

Als Zustimmung der Bundesbanker zu den Plänen darf diese Beschreibung jedoch nicht verstanden werden, im Gegenteil: Erstmals geht die Bundesbank in ihrem Bericht explizit auf das Risiko einer Staatspleite ein und unterstreicht damit das Risiko von Eingriffen der EZB: "Die Bundesbank hält an ihrer Auffassung fest, dass insbesondere Staatsanleihekäufe des Eurosystems kritisch zu bewerten und nicht zuletzt mit erheblichen stabilitätspolitischen Risiken verbunden sind. Entscheidungen über eine möglicherweise noch deutlich umfassendere Vergemeinschaftungen von Solvenzrisiken sollten bei der Finanzpolitik beziehungsweise den Regierungen und Parlamenten angesiedelt sein und nicht über die Notenbankbilanzen erfolgen", schreibt die Bundesbank.

Damit verschärft die Bundesbank ihren Ton im Vorfeld der nächsten EZB-Ratssitzung noch einmal. Während sie die Staatsanleihekäufe bisher nur als eine Vermengung von Fiskal- und Geldpolitik und als demokratisch nicht legitimierte Umverteilung von Geldern zwischen Staaten brandmarkte, spricht sie nun von Solvenzrisiken. Damit ist das Risiko gemeint, dass Staaten wie Spanien oder Italien eines Tages ihre Schulden nicht mehr bezahlen können oder wollen.

Bundesbank-Schelte aus Italien

Mehr als 211 Mrd. Euro hat die EZB bislang für den Erwerb von Staatsanleihen kriselnder Länder wie Spanien, Italien und Griechenland ausgegeben. Kritik an der Bundesbank-Position kam umgehend aus Italien. Industrieminister Corrado Passera sagte, die Ablehnung der EZB-Pläne durch die Bundesbank sei ein Zeichen der Missachtung der Entscheidungsträger in Frankfurt.

Experten verweisen allerdings darauf, dass die EZB bereits mit der Ankündigung unbegrenzter Käufe Spekulationen gegen hoch verschuldete Euro-Staaten eindämmen könnte. "Gegen eine Zentralbank zu spekulieren, bringt nichts. Das ist eine alte Weisheit", sagte der Volkswirt Christian Schulz von der Berenberg Bank. Die Schweizerische Nationalbank hatte voriges Jahr mit der Festlegung auf ein Wechselkursziel des Franken zum Euro vorexerziert, wie die bloße Ankündigung einer Intervention Spekulanten in Schach halten kann. An den Rentenmärkten setzen die Anleger bereits auf ein unbegrenztes Eingreifen der EZB. Vor allem die spanischen Anleihen profitierten davon, so dass die Renditen - und damit die Kosten für die Refinanzierung - zeitweise deutlich sanken.

"Erhebliche Risiken"

EZB-Präsident Mario Draghi hatte angekündigt, dass die Zentralbank keine Fortsetzung des bisherigigen Aufkaufprogramms für Staatsanleihen (SMP) anstrebt, sondern künftige Interventionen an strenge Bedingungen knüpfen will. So soll zunächst einer der Euro-Rettungsschirme EFSF oder ESM auf Antrag für Schuldenländer am sogenannten Primärmarkt direkt von Krisenstaaten Anleihen aufkaufen. Damit soll gewährleistet werden, dass Länder sich zunächst zu politischen Reformen verpflichten, bevor die EZB mit

Interventionen am Markt deren Refinanzierungskosten drückt. Auch das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen pocht auf diese Bedingung: "Aus meiner persönlichen Sicht wäre es gut zu fordern, dass ein Antrag auf Primärmarktintervention durch den EFSF/ESM gestellt werden muss, bevor auch die EZB tätig wird", sagte Asmussen der "Frankfurter Rundschau". Der EZB-Rat werde dann in voller Unabhängigkeit entscheiden, ob, wann und wie Anleihen auf dem Sekundärmarkt gekauft werden.

Ökonom Thorsten Polleit von Degussa Goldhandel warnt vor Verwerfungen in anderen Marktsegmenten bei einem Eingreifen der EZB an den Anleihenmärkten: "Sehen Investoren zum Beispiel die Gefahr, dass die Marktinterventionen der EZB Inflation heraufbeschwören, so werden sie sich gegen den drohenden Wertverlust schützen wollen." Dazu müssen sie zum Beispiel Anleihen verkaufen, die noch der freien Preisbildung unterliegen. So könnte es nach Ansicht des Experten bei deutschen und französischen Anleihen zu "Verkaufsdruck und Zinsauftrieb kommen".

Quelle: ntv.de, nne/dpa/DJ

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